Tichys Einblick
Beziehungen auf dem Tiefpunkt

Joe Biden warnt vor russischem Chemiewaffeneinsatz und Cyber-Attacken

US-Präsident Joe Biden hat verbal die denkbar schärfsten Vorwürfe gegen Putin und sein Regime erhoben. Moskau antwortet mit der Aussicht auf den Abbruch der Beziehungen. Davon war selbst im Kalten Krieg nie die Rede.

US-Präsident bei seiner Rede vor Konzernchefs ("Business Roundtable") am 21. März 2022 in Washington

IMAGO / ZUMA Wire

US-Präsident Joe Biden hat Russland vorgeworfen, den Einsatz von Chemiewaffen in der Ukraine zu erwägen. Russland beharre auf dem erfundenen Vorwurf, die Ukraine verfüge über biologische und chemische Waffen. Das sei ein klares Zeichen dafür, dass Wladimir Putin selbst den Einsatz solcher Waffen in Betracht ziehe. Biden warnte in einer Rede beim „Business Roundtable“ vor amerikanischen Wirtschaftslenkern auch vor der Gefahr russischer Cyber-Angriffe auf amerikanische Infrastrukturen. Es gebe immer mehr nachrichtendienstliche Hinweise darauf, dass die russische Führung solche Angriffe erwäge. 

Den Einsatz von russischen Hyperschall-Raketen hatte Biden als Zeichen der Schwäche gewertet: „Sie haben gerade die Hyperschall-Rakete gestartet, weil es das Einzige ist, was sie mit absoluter Sicherheit durchbringen können“, sagte Biden. Die Ukrainer würden an russischen Panzern, Hubschraubern oder Flugzeugen großen Schaden anrichten. Biden erwähnte explizit, dass sie dies auch dank der Waffenlieferungen der westlichen Verbündeten könnten. „Und jetzt steht Putin mit dem Rücken zur Wand.“ Der russische Präsident habe nicht mit der Einheit der Nato gerechnet. Je mehr Putin mit dem Rücken zur Wand stehe, desto härter werde die Taktik, die er anwende.

Zuvor schon hatte Biden den russischen Machthaber als „Kriegsverbrecher“ und „mörderischen Diktator“ bezeichnet. Ein Kriegsverbrecher dürfte konsequenterweise auch nicht mehr in die USA einreisen. Auch ein erneutes Gipfeltreffen, wie es noch vor wenigen Monaten in Genf stattfand, ist nun kaum noch vorstellbar. Kriegsverbrechern reicht man nicht die Hand. Allerdings hat die US-Regierung die Handlungen Moskaus in der Ukraine bislang nicht offiziell als Kriegsverbrechen eingestuft. Regierungssprecherin Jen Psaki hatte in der vergangenen Woche gesagt, hierzu prüfe das Außenministerium aktuell noch Informationen.

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Die Regierung in Moskau reagierte eisig. Russlands Vize-Außenminister Sergej Rjabkow sieht die Beziehungen zu den USA wegen des Ukraine-Krieges vor dem Abbruch. Ein Schritt, der auch während der kältesten Phasen des Kalten Krieges nicht erwogen wurde. „Gestern wurde dem amerikanischen Botschafter eine Protestnote übergeben, in der darauf hingewiesen wird, dass die Beziehungen an den Rand des Abbruchs geraten sind“, sagte Rjabkow Pressemeldungen zufolge laut der Agentur Interfax.

Rjabkow machte zur Bedingung der Fortsetzungen der Beziehungen, dass die USA ihre Waffenlieferungen an die Ukraine einstellten und: „Sie müssen aufhören, Drohungen gegen Russland auszusprechen.“ Als Reaktion auf Bidens Kriegsverbrecher-Vorwurf an Putin hatte das russische Außenministerium dem US-Botschafter in Moskau, John Sullivan, am Montag eine Protestnote überreicht: Die Äußerungen des amerikanischen Präsidenten seien unwürdig.

Ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen wäre ein Schritt der diplomatischen Eskalation, der selbst in den gefährlichsten Phasen des Kalten Krieges nicht erwogen wurde. Im Gegenteil: Der „heiße Draht“, eine 1963 eingerichtete direkte Telefonleitung zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml, war eine Reaktion auf die Kuba-Krise, um einen Atomkrieg durch Kommunikationsverzögerungen oder Missverständnisse unbedingt verhindern zu können. Während Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz auch nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges noch mehrfach mit Putin telefonierten, ist über ein Telefonat zwischen Biden und Putin zuletzt am 12. Februar, also fast zwei Wochen vor Angriffsbeginn berichtet worden.

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