Bezahlkarten für Flüchtlinge: ein Thema kommt in Mode. Sie bringt auch die grüne Partei in Gewissensnöte. Sie hat bis vor kurzem eine bundesweite Gesetzgebung abgelehnt – es bestehe dafür keine Notwendigkeit. SPD und FDP haben gemeinsam den Druck erhöht, dass Grünenchef Omid Nouripour sich dazu gezwungen sah, nunmehr von einer „raschen Lösung“ zu sprechen.
Aber intern ist nicht jeder damit einverstanden. In der FDP gibt es Stimmen, die auch Beschränkungen im Inland zulassen wollen: So könnten die Bundesländer etwa regeln, wo die Bezahlkarten nicht eingelöst werden, etwa um den Erwerb von Tabak und Alkohol einzuschränken. Die Bezahlkarte wäre auch ein Mittel dagegen, um Überweisungen ins Ausland zu unterbinden.
Das Gesicht der grünen Migrationsfreundlichkeit, Erik Marquardt, hat kritisiert, dass Migranten an Überweisungen nach Hause gehindert werden könnten. Denn das Geld sei dazu da, damit Verwandte vor Ort in die Schule gehen oder Kranke gepflegt werden könnten.
Abgesehen von der Frage, inwiefern die Verwandten von Flüchtlingen in Deutschland ein Mitversorgungsrecht durch den deutschen Staat im Ausland erwerben – dass das Geld auch für kriminelle Aktivitäten oder für die Bezahlung von Schleppern missbraucht werden könnte, hat in dieser kalkulierten grünen Weltsicht keinen Platz.
Auch Helge Lindh von der SPD sieht Leistungsbeschränkungen durch Bezahlkarten kritisch. „Ideen, die Bezahlkarte, ob landesgesetzlich oder bundesgesetzlich, für den Kauf von Alkohol, Tabak oder Glücksspiel zu sperren, sind töricht und gefährlich“, sagte er der Tageszeitung Welt.
„Insbesondere für die kleine Gruppe der Totalverweigerer müssen wir eine Lösung finden, die ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleistet, aber gleichzeitig auch klarmacht, was von den Menschen erwartet wird, die gerade keine Arbeit finden“, sagte er gegenüber der Bild-Zeitung. „Das Leistungsniveau der Bezahlkarte bliebe dabei gleich hoch wie beim Bürgergeld, aber zum Beispiel Überweisungen ins Ausland wären nicht mehr möglich.“
Mit Sicherheit ist auch die steigende Quote von Migranten unter den Bürgergeldempfängern dafür ausschlaggebend. Die Frage, die sich damit stellt: Wo hört der Einsatz von Bezahlkarten auf? Gestern Flüchtlinge, heute Bürgergeldempfänger – und morgen?
Der Eindruck überwiegt, dass mit der Bezahlkarte eine Büchse geöffnet wurde, die sich nicht mehr so leicht schließen lässt. Die Sanktionen, die gegen Flüchtlinge und Bürgergeldempfänger gelten, könnte man dann auch in anderen Bereichen ausweiten. Und plötzlich hat der Staat ein Werkzeug in der Hand, das man ihm nicht mehr nehmen kann. Mit Bezahlkarten kann man dem bargeldverliebten Bürger eine Methode schmackhaft machen, die er sonst nicht mittragen würde – bis es ihn womöglich in der bargeldlosen Zukunft selbst betrifft.