Schwere Ausschreitungen in Berlin vor Räumung von linkem Wohnprojekt „Köpi“
Pauline Schwarz
In Berlin soll ein linksradikales Wohnprojekt geräumt werden. Dagegen mobilisiert die autonome Linke gewaltsamen Widerstand.
Am 15. Oktober soll die Köpi-Wagenburg, eins der letzten und größten linken Symbolprojekte in Berlin, nach über 30 Jahren Besetzung endlich geräumt werden. Die linke Szene kündigte massiven Widerstand und „dezentrale Aktionen“ an – jetzt brannten die ersten Autos.
Wie die Bild-Zeitung berichtet musste die Feuerwehr am Dienstagmorgen zum sogenannten „Dorfplatz“ der linken Szene an der Ecke Rigaer/ Liebigstraße ausrücken, um brennende Autoreifen auf der Kreuzung zu löschen – doch die Arbeit war nur unter Polizeischutz möglich. Während die Feuerwehrleute den Brand löschten wurden sie durch Polizisten mit Abwehrschilden gegen mögliche Steinwürfe und sonstige Attacken geschützt. Und die Sorge war nicht unbegründigt. Kurz nach dem der Brand gelöscht war entdeckten die Polizisten ein quer über die Fahrbahn gespanntes Transparent aus durchsichtiger Folie. Als die Beamten sich das Transparent mit der Aufschrift „Solidarity with Köpiplatz“ näher anschauten, wurde ein Mannschaftswagen mit Steinen beworfen. Glücklicherweise blieben die Beamten unverletzt, der Einsatzwagen wurde beschädigt. Es wurden drei Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr eingeleitet.
Die linke Hausbesetzer-Szene musste sich im vergangenen Jahr von einigen ihrer größten und bekanntesten „Lebens- und Wohnprojekten“ verabschieden. Erst wurde die „Liebig 34“ geräumt, etwa zwei Monate später das „Syndikat“ und anfang des Jahres dann auch noch die alternative Kreuzberger Kiezkneipe „Meuterei“. Bei jeder Räumung kam es zu massiven Protesten und Ausschreitungen der wütenden linksautonomen, oder besser gesagt linksextremen Szene. Auf den Straßen brannten Autos, Häuser wurden beschmiert und beschädigt und zahlreiche Polizisten durch Steine verletzt. Der bisherige Höhepunkt der Krawalle ereignete sich bei der Brandschutzbegehung des besetzten Hauses in der Rigaer Straße 94, bei der die angrenzenden Straßen Berlins dank brennender Barrikaden kurzzeitig an einen Bürgerkriegsschauplatz erinnerten.
Polizei-Gewerksschaftssprecher Benjamin Jendro spricht angesichts der Gewalt um die Köpi-Wagenburg von „schwersten extremistischen Straftaten“ und fürchtet, dass sich solche Gewalttaten in den nächsten Tagen fortsetzen werden: „Wir werden in den nächsten Tagen weitere dezentrale und absolut sinnfreie Aktionen erleben, in denen Sachen zerstört und ohne Rücksicht auf Verluste Menschenleben gefährdet werden. Das werden wir nicht verhindern können.“ In anderen Teilen Berlins brannten in der Nacht derweil weitere Autos, die mit der Räumung eventuell auch im Zusammenhang stehen könnten. In Lichtenberg brannten mehrere Fahrzeuge des Ordnungsamtes, in Kreuzberg wurden ein Mercedes und ein Renault angezündet und in Hellersdorf ein VW in Flammen gesetzt.
Ob die anderen Brände etwas mit der nahenden Räumung zu tun haben, bleibt unklar. Fest steht aber, dass die linke Szene schon lange und bundesweit für das Köpi mobil macht und im Internet zu Gewalt und Randale aufruft. Es kam bereits zu mehreren Demonstrationen mit dreistelligen Teilnehmerzahlen, bei denen es zu Festnahmen und Anzeigen wegen Sachbeschädigung, Landfriedensbruch und Widerstand gegen Polizeibeamte kam. An umliegenden Häusern der Wagenburg werden die Anwohner mit „Get ready“ und „Wenn Räumung dann Krawalle“-Grafittis vor der „Tag X-Demo“ gewarnt, während im Internet Trailer von Sprayern und plakatierenden Linken zur Vorbereitung und Teilnahme am großen Tag aufrufen.
Sollte die Räumung wirklich stattfinden, will man sich „vor Gericht, am Wagen und auf der Straße wehren“ – so eine Sprecherin der „Bewohner“. Die Anwälte der Autonomen wollen die Ausführung des Räumungs-Urteil des Landgerichts Berlin mittels Eilverfahren stoppen. Laut Urteil muss das 2600 Quadratmeter große Grundstück frei gemacht werden – der Eigentümer hat eine Baugenehmigung und möchte noch in diesem Jahr mit der Bebauung der Fläche beginnen. Betroffen ist allerdings nur die Wagenburg und nicht das zugehörige besetzte Haus, in dem sich ein Konzertraum, ein alternatives Kino und eine Sporthalle befinden. Die Autonomen wollen aber keines von beiden aufgeben – unter dem Motto „Köpi und Köpiplatz vereint“. Sie rechnen sich im Berufungsverfahren Chancen aus, da eine Unterschrift der Eigentümerin angeblich gefälscht seien könnte. Sollte das nicht klappen, wird die Köpi-Wagenburg verteidigt. Die Vorbereitungen haben bereits begonnen: Der Zaun des Grundstücks wurde auf vier Meter erhöht und zum Teil mit Blechen und Platten verstärkt. Um das Bauwagencamp verläuft an einigen Stellen Stacheldraht, der mit Metallverstrebungen befestigt wurde.
Die Sicherheitsvorkehrungen an dem Gelände, die brennenden Autos und die Erfahrungen aus den vergangenen Monaten lassen nichts gutes für den eigentlichen Tag der Räumung hoffen. Es steht zu befürchten, dass es erneut massive Ausschreitungen, brennende Barrikaden, Straßenschlachten, Steinhagel und etliche verletzte Polizeibeamte geben wird.
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