Zu einem dreitägigen „Palästina Kongress“ hatten sich Israel-Hasser aus verschiedenen Ländern seit Freitagnachmittag in Berlin-Tempelhof versammelt: Sie wollten gegen Israels angeblichen „Völkermord“ im Gazastreifen anreden und sich dafür einsetzen, „die Apartheidsmauern“ einzureißen. Doch dazu kommt es nun nicht – die Polizei sprengte die Veranstaltung nach einer guten halben Stunde und erteilte ein Versammlungsverbot für das gesamte Wochenende.
Der Kongress hatte bereits im Vorfeld massive öffentliche Kritik ausgelöst: „Wer islamistische Propaganda und Hass gegen Jüdinnen und Juden verbreitet, muss wissen, dass das schnell und konsequent verfolgt wird“, hatte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) angekündigt. Sie drohte: „Wir brauchen ein sofortiges hartes Einschreiten, wenn solche Straftaten begangen werden.“
Anders als von Faeser insinuiert, sind die Ausrichter des Kongresses primär dem linksradikalen Spektrum zuzuordnen. Die Übergänge zum Islamismus sind in Narrativen und Netzwerken jedoch fließend. Mobilisiert hatten neben der Israel-Boykottbewegung BDS Gruppen wie die Israel-feindliche „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“, die „Arbeiter:innenmacht“, die „Revolutionäre Linke“ und „Diem 25“. Bei Letzterer handelt es sich um eine paneuropäische Bewegung, zu der auch der frühere Finanzminister Yanis Varoufakis gehört. Varoufakis war für ein Panel am Freitag als Redner eingeplant.
Gegen das israelische „Kolonialregime“ und die Bundesrepublik
Schon der Start des Kongresses verlief chaotisch. Der Beginn verzögerte sich um fast zwei Stunden. Die Veranstalter warfen der Polizei vor, die Teilnehmerzahl übermäßig reduziert zu haben. Die Staatsmacht wollte allein am Freitag mit 900 Polizeikräften vor Ort sein, darunter solche von außerhalb Berlins. Ein Redner, der die Veranstaltung mit einer goldenen „Palästina“-Kette um den Hals eröffnete, grüßte zu Beginn nicht nur die eigenen „Kameraden“, sondern auch aggressiv das „Kriminalamt“ im Saal. Er erklärte, die Macht des israelischen „Kolonialregimes“ und des „deutschen Staats“ brechen zu wollen.
Anschließend redete Hebh Jamal, die als palästinensische „Journalistin“ vorgestellt wurde. Jamal, eine Kopftuchträgerin, erklärte den Kongress zu einem „Akt des Widerstands“. Israel bezeichnete sie als „faschistische Siedlerkolonie seit seiner Gründung“. Mit dem „Genozid“ habe das Land nun „die finale Stufe des Faschismus“ erreicht. Deutschland wiederum habe sich in den „Propagandaflügel“ des israelischen Staates verwandelt. Die Bundesrepublik bezeichnete sie als „Polizeistaat“.
Nach Jamal wurde eine Video-Rede des Palästinensers Salman Abu Sitta eingespielt. Abu Sitta erklärte, dass es so etwas wie die aktuellen Vorgänge im Gazastreifen „in der Menschheitsgeschichte“ noch nicht gegeben habe. Dann zählte er mehrere historische Verbrechen auf, darunter „Nazi-Verbrechen im Zweiten Weltkrieg“: „Aber niemals zuvor haben wir alle diese Verbrechen zusammen gesehen im Fernsehen, täglich, auf unseren Bildschirmen.“
„Antisemitisch und gewaltverherrlichend“
Abu Sitta fuhr fort: „Niemals zuvor haben wir diese täglichen Szenen gesehen, ein Massaker nach dem anderen.“ Niemals zuvor habe man auch gesehen, dass Menschen absichtlich Essen und Wasser verweigert würden, dass Kinder „in den Tod gehungert“ und getötet würden, wenn sie nach Essen suchten. Während Abu Sitta diese Aufzählung noch weiterführte, schritt die Polizei im Saal ein und das Video der Rede brach ab. Zu diesem Zeitpunkt lief der Kongress seit einer guten halben Stunde.
Via X teilte sie anschließend mit, der zugeschaltete Redner habe ein „politisches Betätigungsverbot“ in Deutschland: „Es besteht die Gefahr, dass wiederholt ein Redner zugeschaltet wird, der sich schon in der Vergangenheit antisemitisch bzw. gewaltverherrlichend öffentlich geäußert hat.“ Deshalb sei die Versammlung beendet und auch für die zwei folgenden Tage ein Verbot ausgesprochen worden.
Politikerin aus Linken-Vorstand solidarisiert sich
Laut „Stern“ war für Salman Abu Sitta auch ein Einreiseverbot erlassen worden. Anfang Januar hatte er in einem englischsprachigen Artikel die „Courage“ der Terroristen gelobt, die am 7. Oktober für die Massaker nach Israel eindrangen. Über sich selbst schrieb er: „Ich hätte einer von ihnen sein können, wenn ich deutlich jünger gewesen wäre.“ Den Krieg im Gazastreifen bezeichnete er als einen „Genozid präzedenzlosen Ausmaßes“.
Trotzdem hatten sich im Vorfeld mehrere linksradikale Politiker mit dem Kongress solidarisch erklärt: Zu ihnen gehörten Christine Buchholz, die im Parteivorstand der Linken sitzt, und Irene Montero, bis 2023 spanische Ministerin für die Partei Podemos. Nach der Auflösungsanordnung durch die Polizei warf zudem der vormalige Linken-Bundestagsabgeordnete Nieme Movassat der Polizei vor, ihre Begründung scheine „äußerst konstruiert“. Yanis Varoufakis sprach bei X von „Faschismus“ in Deutschland.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner hingegen lobte das „entschlossene Einschreiten bei dieser Hass-Veranstaltung: Wir haben klar gemacht, welche Regeln in Berlin gelten. Wir haben klar gemacht, dass Israel-Hass in Berlin kein Platz hat. Wer sich nicht daran hält, wird die Konsequenzen spüren.“