Die „Verkehrswende“ haben sich die Grünen in der Hauptstadt schon seit langem auf die Fahne geschrieben. Eine Stadt für Fahrräder und Lastenfahrräder soll Berlin werden, eine klimagerechte und möglichst autofreie Stadt. Eine Stadt, in der Parkplätze umgewidmet werden in angenehme Aufenthaltsräume für Fußgänger – als Ersatz für die angeblich so spärlich vorhandenen Parks. Kurzum, es geht den Grünen darum, Mobilität ideologisch „gerecht zu gestalten“, mithin also um „Flächengerechtigkeit“.
Zu dieser „Flächengerechtigkeit“ gehören Vorschläge wie die Anhebung der Gebühr für Anwohnerparkplätze von aktuell höchstens 20 auf 360 Euro im Jahr und die Halbierung der vorhandenen Parkplätze bis etwa 2033. Als ersten Schritt soll es für die Monate Mai bis September 2023 autofreie „Sommerstraßen“ geben. Als Vorbild soll die bayerische Landeshauptstadt München dienen, wo Grüne und Rosa Liste sowie SPD und Volt eine Koalition bilden und bereits seit 2019 „Sommerstraßen“ ausweisen.
In der Hauptstadt herrscht (Wiederholungs-)Wahlkampf fürs Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlung am 12.Februar 2023 – und da ist man sich für nichts zu schade. Im Stadtteil Charlottenburg sollen in der Kantstraße weit über 400 Parkplätze wegfallen. Die derzeitige Kant-Straßen-Situation ist gefährlich und rechtswidrig. Die Feuerwehr kommt wegen des Radwegs nicht an die Wohnungen ab dem 3. OG aufwärts. Es sei „… mit einem Entfall im Abschnitt zwischen Joachimsthaler Straße und Wilmersdorfer Straße von ca. 427 Stellplätzen und zwischen Wilmersdorfer Straße und Dernburgstraße von ca. 40 bis 50 Stellplätzen zu rechnen“.
Seit Jahren wird über die Sperrung der Friedrichstraße in Berlin-Mitte gestritten. Ein Abschnitt zwischen der Französischen Straße und der Leipziger Straße wurde für den Kraftfahrzeugverkehr gesperrt. Es ging um 450 Meter freie Fahrt für Radfahrer und mehr „Aufenthaltsqualität“ für Fußgänger. Nach langem Streit gab das Verwaltungsgericht Ende Oktober 2022 der Klage einer Geschäftsinhaberin recht. Eine derartige Straßensperrung durch den Senat sei nur aus Gründen der Sicherheit möglich, diese Voraussetzung läge aber nicht vor.
Die Aktion sei „nicht im Senat abgestimmt“, so Giffey. „Ich halte diesen Alleingang auch nicht für durchdacht.“ Sie stehe weiterhin „für eine Gesamtlösung für die Mitte der Stadt, die mit den Gewerbetreibenden in der Friedrichstraße und in den umliegenden Straßen erarbeitet und abgestimmt wird und für die ausreichend Gelder eingestellt werden, damit eine echte, attraktive Flaniermeile Wirklichkeit werden kann. Das sehe ich hier nicht“.
Giffey weiter: „Erst sperren, dann planen, ist keine gute Lösung. Das wird der Hauptstadt nicht gerecht. Ich verstehe, dass Bettina Jarasch ihr Klientel im Blick hat. Als Regierende Bürgermeisterin sehe ich aber, dass es mehr braucht, um die Mitte Berlins für die Berlinerinnen und Berliner und Gäste aus aller Welt attraktiv zu machen.“
Doch nun steht eine Mega-Klage gegen die autofreie Friedrichstraße bevor. Die Anwohner haben Zettel in ihren Briefkästen: „Die Fußgängerzone ist autofrei.“ Kein Fahren oder Halten erlaubt. Heißt: Auch 80 Parkplätze auf dem Abschnitt zwischen Französischer und Leipziger Straße sind ab kommender Woche futsch, berichtet die BZ. Die Folge: empörte Proteste gegen den Blitz-Coup. Ein Handelsverband für die Geschäftsleute und Dehoga für die Gastronomie schmieden jetzt mit dem Bündnis der Anrainer eine Allianz gegen Verkehrssenatorin Bettina Jarasch. Anwalt Marcel Templin bereitet die Mega-Klage vor. Er war es, der schon im Oktober die erste Klage einer Weinhändlerin vor dem Verwaltungsgericht zum Erfolg führte.
Was plant Verkehrssenatorin Jarasch eigentlich konkret auf den gesperrten 500 Metern?, fragt die BZ. Vorerst nichts Neues im Osten! Die Sitzmöbel aus der ersten Sperrphase werden wieder ausgemottet und um ein paar neue ergänzt (Kosten: 800.000 Euro). Ein Provisorium. Open-Air-Gastronomie ist erwünscht, Feste auch.
Die größere Veränderung kommt erst, wenn nach einem Wettbewerb Vorschläge von Architekten auf dem Tisch liegen. Für die Umsetzung sind im Haushalt 2026/27 (!) dafür drei Millionen Euro eingeplant.