Es reicht noch nicht. Die Infrastruktur Deutschlands, die Dichte an Kitas, Schulen, Hebammen und Ärzte ist einfach nicht ausreichend, und das nicht, weil das Land selbst so stark wüchse, sich vor Kinderreichtum nicht retten könnte. Vielmehr wird es von außen an jedem Tag von neuem strapaziert mit einem nicht ablassenden Migrationsdruck. Gemeint ist natürlich die Zuwanderungs-Ökonomie à la Katrin Göring-Eckardt, die nun seit Jahren währt und bei Markus Lanz wieder von grünen und grünnahen Kommunalpolitikern gefeiert werden konnte. Diese Ökonomie besagt, dass für fünf bis zehn Jahre investiert werden muss, bevor die Gesellschaft sich ihren Teil angeblich zurückholen kann. Man weiß aber auch, dass das in den meisten Fällen gar nicht gelingt.
Man weiß es in ökonomischen Kreisen und solchen, die sich ernsthaft mit Migrationsforschung auseinandersetzen, dass nicht-westliche Einwanderer den Staat und die Gesellschaft zu einem sehr großen Teil übers ganze Leben hin mehr kosten, als sie ihm nutzen. Und doch hängt in deutschen Talkshows eine unerschütterliche Kaste dem Glauben an, dass es nur an bürokratischen Hürden läge (nicht anerkannten Arbeitszeugnissen usw.), wenn Syrer und Zuwanderer andere Nationalitäten auch nach sechs Jahren noch ohne Arbeit sind. Niemand scheint in deutschen Rathäusern einmal die Studien zu lesen, wie es sie etwa von der Universität Amsterdam gibt. Aber auch in Staatskanzleien und Bundesministerien ist das nicht der Fall, in letzteren wohl am wenigsten.
In deutschen Städten und Landkreisen gehen nun wieder einmal die Unterbringungsmöglichkeiten aus. Im Berliner Bezirk Reinickendorf, in dem sich auch der ausrangierte Flughafen Tegel befindet, gilt der „interkulturelle Bevölkerungsmix“ als „feststellbar“ überlastet, wie das Bezirksamt dem Senat nun etwas angefressen mitteilte. Das ist sicher eine bürokratische Wendung, aber der Inhalt ist doch klar.
Das Land Berlin hatte über Nacht angekündigt, 16 neue Containerdörfer in (fast) ganz Berlin zu errichten. Die Hauptlast, so klagen die Ostbezirke, läge aber wieder einmal bei ihnen. Jede der Anlagen soll zwischen 150 und 620 Plätzen umfassen. Insgesamt sind 6.130 neue Asyl-Plätze geplant, die zu den bestehenden, aber sämtlich besetzten 40.000 Plätzen (inklusive Ankunftszentren) hinzukommen. Das Ganze nennt sich „Wohncontainer-Programm 2.0“ – weil es ja schon einmal vermehrt Wohncontainer (1.0) gab. Laut Helferkreisen ist zum Teil eine Nutzung bis zum Jahr 2030 angedacht.
Bezirksamt: „Feststellbare Überlastung im interkulturellen Bevölkerungsmix“
Die Reinickendorfer Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (CDU) beklagt, dass sie von den Plänen aus der Presse erfahren habe. Das sei nicht mehr kollegial, vielmehr „befremdlich und traurig“. Dem Berliner Senat unter Kai Wegner (auch CDU) scheint die Kommunikation mit den Bezirken mittlerweile egal. Man wusste vermutlich, dass man in diesen Fragen ohnehin nicht auf Zustimmung hoffen konnte, und am Ende entscheidet der Senat.
Flüchtlingskoordinator Albrecht Broemme, ehemals Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbandes und jetzt quasi wieder Feuerwehrkraft, behauptet, er habe „alle Bezirke abgeklappert und in guter Atmosphäre Gespräche geführt“. Manches Mal ist eine solche Atmosphäre etwas einseitig. „Wir haben erklärt, was wir vorhaben“, setzt der entschiedene Mann hinzu, der auch etwas von einem „weitgehenden Konsens“ mit den Bezirken fabuliert. Den gibt es aber offenbar nicht. Denn die Bezirke haben häufig ganz anderes mit den Grundstücken vor als der Flüchtlingskoordinator. So wollte man in Reinickendorf einen Gewerbe- und Handelswerkhof am Borsigturm aufbauen. Mit Containern auf dem Asphalt funktioniert das schlecht, wie Demirbüken-Wegner angesäuert verrät.
Das Bezirksamt Reinickendorf spricht daneben von einer überlasteten sozialen Infrastruktur. So fehlen Kitaplätze und Jugendeinrichtungen und daneben gibt es eben jene „feststellbare Überlastung des interkulturellen Bevölkerungsmix“. Wenn eine Verwaltung diese Worte benutzt, dann ist es wirklich eng. Denn im Klartext bedeuten sie, dass man nun genug Zugereiste aus fernen Ländern im Stadtteil habe. Sind die neuen Containeranlagen aber einmal fertig, soll auch Reinickendorf an die tausend Plätze mehr haben.
Nur 3,7 Prozent der Berliner Plätze sind in Mitte
Im östlichen Bezirk Lichtenberg sollen vier neue Siedlungen mit 1.800 Plätzen entstehen. Auf einem der Standorte war bisher eine Schule geplant. Stattdessen sollen nun 510 Asylbewerber kommen, auf Plätzen ohne Zeitbegrenzung. Schon jetzt gibt es acht Unterkünfte in dem Bezirk.
Alle vier neuen Standorte seien ungeeignet, so Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU): „Ohne Schulen, Kitas, Hebammen, Ärzte und soziale, integrative Angebote kann das Zusammenleben nicht gelingen.“ Das fördere nur die „radikalen Kräfte“ und schade dem „sozialen Zusammenhalt“. Schaefer wünscht sich mehr Unterbringung in den bisher geschonten Bezirken und auf dem Tempelhofer Feld. Die mangelhafte Versorgung des Bezirks kritisiert auch der örtliche Vertreter des Bündnisses Sarah Wagenknecht (BSW). Norman Wolf sagt: „Der Zustand unserer Schulen ist desolat, und es gibt zu wenige Fachärzte.“
Und es ist wahr: Der Westen der Stadt kommt wieder einmal glimpflich davon. 260 Plätze in Dahlem (direkt auf dem Campus der FU), 330 Plätze im edlen, weiten Grunewald, gleich bei der alten Avus-Tribüne sind schon fast alles. Auch Spandau bekommt 500 Plätze und Neukölln 450, und dann gibt es die knapp tausend für Reinickendorf. Die Hälfte der Unterzubringenden teilen sich weiterhin auf Pankow, Tempelhof, Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg auf. Dagegen sind nur 3,7 Prozent der Berliner Flüchtlinge und Asylbewerber aktuell im chicen Mitte untergebracht, dort wo die Politik in Land und Bund gemacht wird.
Auch Tegel und Tempelhof werden weiter ausgebaut
Und auch das teils politisch, teils landschaftlich grüne Pankow wird weiter belastet, mit 1.400 neuen Plätzen, von denen vorher niemand etwas wusste. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) kündigt zudem an, dass es vermutlich gar nicht bei den 16 neuen Standorten bleiben wird: „Es wird sicherlich noch der ein oder andere Standort dazukommen.“
Es ist aber gar nicht so, dass die stillgelegten Flughäfen Tegel und Tempelhof nun entlastet würden, wie es teilweise als Begründung für die Neubauten anklingt. Im Gegenteil: Tegel soll kurzfristig um 1.000 Plätze ergänzt werden, auf dann 8.000 Plätze. Und sogar auf dem Tempelhofer Feld sollen Container aufgestellt werden, also direkt neben dem Flughafen und auf der heiligen Erde der Berliner, die sich bisher strikt geweigert haben, das Feld zu bebauen, jedenfalls nicht mit vorgeblichen Luxus-Appartements. Flüchtlingsbaracken gehen vielleicht eher. 1.000 Plätze sollen es hier bis 2028 wachsen.
Hamburg: Zeltstädte und Zwangsanmietung
Nicht anders ist die Lage im norddeutschen Tor zur Welt. Wenn sogar T-Online kritisch von so einem Geschehen berichtet, dann wird es offenbar brenzlig. In Hamburg sind die bestehenden 48.337 öffentlichen Plätze der Stadt zu 98 Prozent belegt. 870 Plätze in Hotels sind derzeit angemietet, ohne Sicherheit, dass das ewig so weiterläuft. Nun öffnen sich zwei Wege für die Senatsverwaltung. Zum einen will man Zelte in Parks aufschlagen. 25 winterfeste Exemplare für jeweils zehn Personen sollen den Anfang machen. Als Standorte ist an Parks und Festplätze gedacht. Wo fände sich auch sonst noch Platz?
Aber das ist nicht alles. Denn bald kommt offenbar auch die Zwangsanmietung von leerstehenden Privat-Immobilien, also Bedarfsanforderung gegen Entschädigungsmiete. Das will der Senat angeblich „vorübergehend“ und „ausnahmsweise“ ermöglichen. Es muss als Grundrechtseinschränkung allerdings von der Bürgerschaft beschlossen werden.
Auch der Berliner Flüchtlingskoordinator Broemme findet es „weder gesellschaftlich noch politisch zu rechtfertigen, (…) bestimmte Gebäude leer stehen zu lassen“. In Berlin richten sich die Begehrlichkeiten vorerst noch auf Immobilien in Bezirkshand. Da ist man in Hamburg schon einen Schritt weiter.
Bei Lanz: Das Drama von Warngau und Aachen
Bei Lanz saß am Dienstag die Oberbürgermeisterin von Aachen, Sibylle Keupen (parteilos, grünennah) und wollte alles Menschenerdenkliche für die weitere Einfuhr und „Integration“ von Migranten tun. Die Bringschuld der deutschen Gesellschaft ließ sie sich auf gar keinen Fall ausreden. Aachen braucht jährlich zwei neue Kitas, um den gestiegenen Bedarf zu decken. Die Stadt hat zu wenige Fachkräfte, zu wenige Gebäude, muss den Sicherheitsstandard in den Kitas hochhalten (auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern). Keupen glaubt aber immer noch, dass sie alle diese Probleme durch die (ungeregelte) Zuwanderung lösen könne. Auch die Sozialwohnungen werden weniger und folglich von beiden Enden knapper, bei Nachfrage wie Angebot. Wie soll das gut gehen?
Für die Lanz-Runde vom Dienstag, ebenso die vom Mittwoch, bleibt eines das Wichtigste: dass Deutschland sich den Migranten zuwendet und sie als Menschen aufnimmt. Im Landkreis Miesbach will der CSU-Landrat Olaf von Löwis (CSU ) nach zwei Jahren endlich die eigenen Turnhallen, eine davon am Tegernsee, frei bekommen. Die einzige Lösung, die man fand, war ein Containerdorf bei dem kleinen Ort Warngau. Einwohnerzahl: 3.800. Dort will man nun etwa zwei Turnhallen-Inhalte abladen, also 500 Migranten, auf halbem Wege nach Holzkirchen. Der einzige Glücksfall an der Lage ist, dass das Gelände dem Landkreis selbst gehört, wenn es auch an eine Müllverwertungsanlage grenzt. Und das ist schon etwas armselig als Willkommensgruß, man muss es zugeben.
Doch wo immer man die „Gäste“ hin verlagert, entstehen streitige Diskussionen. Die Turnhallengemeinden wollten sie mit Sicherheit ebenso wenig, wie sie nun Warngau will. Sie sollen immer woanders sein. Daher fanden Bürgerversammlungen statt, doch da war die Stimmung altbekannt. Im württembergischen Killer-Burladingen war es ähnlich gewesen, ebenso in Arnsberg auf eine nordwestdeutsche Art. In einer Frage drückte sich besonders viel Unmut aus, und die Antwort ließ den Landrat erst in eine Art heiligen Zorn verfallen, dann erzittern. Es ging um den Freigang der Bewohner der geplanten Anlage.
Knaus mit „cheap talk“ bei Lanz
Landrat von Löwis – so lässt er bei Lanz durchblicken – will heute nur noch die Sorgen des halben Saals ernst nehmen, denn die anderen seien vorher in irgendwelchen „Foren“ gegen ihn aufgehetzt worden. Von Löwis betont, dass die Befürchtungen der Bürger, was Kriminalität und Bedrohung angeht, ja nicht „eintreten müssen“. Die Zukunft ist also offen für viele deutsche Kommunalpolitiker, auch wenn die Erfahrungswerte etwas ganz anderes sagen.
Eine weitere Szene sorgte aber auch für einen Schauer und vielleicht etwas Zittern: „Und die Busse kommen, und die 50 Personen steigen aus, und der Busfahrer fährt wieder weg.“ So schildert der Landrat von Miesbach sein Dilemma. Ein halbes Dutzend Brandbriefe hat er inzwischen „nach oben“ geschrieben, dass es nicht mehr gehe, aber immer die Antwort bekommen, dass er weiter zur Aufnahme verpflichtet sei.
Da kam gewissermaßen ein halb gewendeter Gerald Knaus, Chef-Nachdenker in Sachen illegaler Migration, recht, um sein persönliches Ultra-Hart-Programm für die Abschreckung der illegalen Migration nochmals vorzustellen. Knaus erkennt die Gefährlichkeit der Route an und will daher die Boote im Mittelmeer definitiv stoppen, indem die EU-Länder eine kleine Zahl von Antragstellern – die die ganz ohne Chance und ohne Familienanhang in Europa sind – in ein einsames afrikanisches Land schicken.
Dann, so Knaus, könnten Abkommen mit Pakistan oder Bangladesch dafür sorgen, dass jene „Arbeitskräfte“, die Europa derzeit über illegale Routen erreichen, legal herkommen. Und damit hält er das größere Problem schon für fast gelöst. Also eine Kombination aus Englands Ruanda-Politik und der vielfachen Akzeptanz von Wander- und Gastarbeitern. Aber es sind eben auch Zukunftsvisionen, die nicht unmittelbar wirken werden, weil die Voraussetzungen (etwa für das Ruanda-Modell) nicht gegeben seien. Also wieder nur „cheap talk“ bei Lanz, und so wird es vermutlich weitergehen mit diesem Themenschwerpunkt Kommunen in der Asylkrise 2.0.
Küstrin-Kietz erwartet, das Zentrum der Ausgestoßenen zu werden
Man weiß also nicht recht, welchen deutschen Ort es gerade am schlimmsten trifft – organisatorisch oder intellektuell. Auf der Küstriner Halbinsel in Märkisch-Oderland soll ein Ausreisezentrum auf einer Oder-Insel errichtet werden. Das ist insofern plausibel, als die Halbinsel ohnehin direkt an der polnischen Grenze liegt. Doch die Anwohner in Küstrin-Kietz sind alles andere als begeistert und kamen daher nun ziemlich wutentbrannt in der „Abendschau“ des RBB Brandenburg (ab Minute 11:30) vor – auf einer Gemeindevertretersitzung, die zur Einwohnerversammlung mutiert war. Auf die Halbinsel im Oderbruch sollen ausschließlich abgelehnte Asylbewerber, und die hätten schließlich nichts mehr zu verlieren, so die anwesenden Bürger, die sich vor allem um ihre Sicherheit sorgen.
Dazu muss gesagt werden, dass dieses Ausreisezentrum eine logische Folge aus der damals populären Forderung Brandenburger Landkreise ist, die Asylbewerber ohne Bleibeperspektive erst gar nicht in die Kommunen zu schicken. Die Unruhe in Küstrin-Kietz zeigt, dass ein weiteres Zentrum auch keine Antwort ist.