Tichys Einblick
Demonstration der Landwirte

Die Bauern haben von der Ampel „die Schnauze voll“

Deutlich mehr als tausend Teilnehmer kamen zur Demonstration der Landwirte in Berlin. Hunderte von Traktoren bestimmten das Bild. Anlass war die neue Besteuerung auf Agrardiesel und landwirtschaftliche Fahrzeuge durch die Ampel.

Tichys Einblick / Mario Thurnes

Im Morgengrauen klingt die Berliner Luisenstraße ein wenig nach Hamburger Hafen: Aus der langsam schwindenden Dunkelheit heraus sind die verschiedenen Hupen der Traktoren zu hören. Manche ähneln Nebelhörnern, andere Sirenen, wie sie auf dem Rummelplatz zum Einsatz kommen. Die Luisenstraße führt direkt an der Charité vorbei und in 50 Meter Luftlinie an Hauptbahnhof, Kanzleramt und Brandenburger Tor.

Dorthin sind die Traktoren unterwegs. Noch in der Nacht meldet der Verkehrsfunk von einer Art Sternfahrt, in der sie aus ganz Deutschland in die Hauptstadt unterwegs sind. Auf der Straße des 17. Juni sind Traktoren mit Nummernschildern aus Bayern zu sehen, aus Niedersachen, Sachsen-Anhalt – vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule reiht sich eine Maschine an die nächste.

Der Platz des 18. März ist überfüllt. Mit so vielen Teilnehmern scheint der Deutsche Bauernverband nicht gerechnet zu haben. Die Wellenbrecher sind in einem zu engen Halbkreis um das Brandenburger Tor aufgestellt. So platzt die Kundgebung buchstäblich aus dem Rahmen, stehen die Teilnehmer bis zum Tiergarten. Auch die Tonanlage kann kaum mithalten. Zu groß ist der Krach, den die weit über tausend Demonstranten machen. Zu deutlich lassen sie ihre Wut raus über die Ampelkoalition, die deutsche Bauern nun mit der Besteuerung von Agrardiesel und landwirtschaftlichen Fahrzeugen belastet.

Die Banner, die an den Traktoren angebracht sind oder die Teilnehmer in die Höhe halten, sprechen für sich: „Agrardiesel streichen? Nicht mit uns!“, „Politik mit Weitblick? Fehlanzeige“, „Ampelbescherung? Zwei stinkende Eier!“, „Wir haben die Schnauze voll“, oder schließlich „Zu viel ist zu viel!“ – das Motto der Demonstration in Berlin.

Cem Özdemir (Grüne) stellt sich den Demonstranten. Der Landwirtschaftsminister dringt mit seinen Worten nicht durch. Zu unbeliebt sind die zusätzlichen Belastungen für die Landwirte. Zu zwiespältig war sein Verhalten im Vorfeld – als Özdemir die zusätzliche Besteuerung der Bauern beförderte oder zumindest hinnahm und danach davon nichts gewusst haben wollte. Aber jetzt zeigt er Mut und stellt sich den Landwirten. Doch die pfeifen ihn derart stark aus, dass Özdemir diesen Spagat nicht erklären kann. Joachim Rukwied, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, gibt ihm mit auf den Weg, dass die Bauern die Belastungen nicht hinnehmen würden. Nehme die Ampel sie nicht zurück, werde Özdemir Proteste erfahren, wie sie das Land noch nicht erlebt habe.

Anscheinend haben die Landwirte einen Nerv getroffen. Auf der Bühne sprechen ihnen Vertreter anderer Berufsstände die Solidarität aus und kritisieren die Finanzpolitik der Ampel, die trotz Rekordeinnahmen an Steuern planlos agiere und mit dem Haushalt überfordert sei. Ein Berliner Bürger sagt, er demonstriere mit, weil die neuen Steuern für Landwirte, die Erhöhung der CO2-Steuer um 33 Prozent und die Erhöhung der LKW-Maut dazu beitrügen, dass die Preise für Lebensmittel noch rasanter steigen würden als ohnehin schon.

Reinhard Jung von den „Freien Bauern“ hofft, dass die Mobilisierung nicht zu Enttäuschung führe. Zu oft schon hätten die Landwirte erlebt, dass sie ihre Not der Politik geschildert hätten – und dann nichts passiert sei. Die Belastungen durch die zusätzlichen Steuern seien das eine. Das andere sei, dass die Ampel auch in den Bereichen nichts für die Landwirte gemacht habe, in denen sie das versprochen habe. Jung nennt als Beispiele die Herkunftsbezeichnung oder die Lieferbeziehungen. Dort könnten SPD, FDP und Grüne die Bauern gegen die Monopolisten stärken – tun es aber nicht.

Die Freien Bauern sprechen im Zusammenhang mit der zusätzlichen Besteuerung von einer „Demütigung unseres Berufsstandes“. Ihr Sprecher Alfons Wolff sagt: „Wie auch immer man die Vorschläge (des Finanzministers) Lindners zum Agrardiesel und zur Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge bezeichnen mag, unterm Strich handelt es sich um eine Steuererhöhung von über 900 Millionen Euro zulasten einer einzigen Berufsgruppe.“ Mit der Fahrzeugsteuer schade die Politik vor allem den kleinen und mittleren Betrieben, deren wirtschaftliche Schlagkraft durch eine hohe Motorisierung zustande komme.

Die Landwirte hatten auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) zur Demonstration eingeladen. Doch anders als Özdemir ist Lindner offensichtlich der „German Mut“ ausgegangen. Am Freitag fehlte Lindner schon im Bundestag bei der Abstimmung zum Haushalt. Er war krank. So krank, dass er freitags nicht im Bundestag sein, aber samstags Interviews geben konnte. Die schnellste Heilung seit Lazarus. Für Lindner gilt das Motto: Lieber nur mit gut dressierten Journalisten sprechen, als sich Kritik an der eigenen Politik zu stellen.

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