Am 14. März 2023 hatte die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) vor der Bundespresse den alljährlich anstehenden Bericht ihres Amtes vorgestellt. TE berichtete noch am gleichen Tag darüber.
Nun präsentierte Eva Högl den seit Bestehen der Bundeswehr insgesamt 64. Bericht dieser Art dem – allerdings wieder einmal sehr schwach besetzten – Plenum des Bundestages. Zehn Minuten waren ihr dafür eingeräumt, für einen Bericht, der insgesamt 172 Seiten lang ist. Högl nutzte diese Zeit, um vor allem auf Finanzierungs- und Rüstungsfragen einzugehen. So sagte sie unter anderem: Das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr sei nicht ausreichend, um die volle Einsatzbereitschaft der Streitkräfte herzustellen. Sie bezifferte – „nach Einschätzung militärischer Experten“ – den Bedarf auf 300 Milliarden Euro. Auch verwies sie darauf, dass von den derzeit erreichten 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bis zum Zwei-Prozent-Ziel der Nato noch einiges fehle. Högl mahnte vor allem eine deutlich schnellere Beschaffung von militärischer Ausrüstung an. Zwar sei mit den Beschlüssen zur Beschaffung des F-35-Jets als Nachfolger für den Tornado, eines neuen Schweren Transporthubschraubers, bewaffneter Drohnen, neuer Sturmgewehre oder neuer digitaler Funkgeräte der richtige Weg beschritten worden. Bei den Soldaten sei im Jahr 2022 aber „noch kein Cent aus dem Sondervermögen angekommen“. Um die anvisierte Sollstärke von 203.000 Soldaten bis 2031 zu erreichen, müsse die Bundeswehr nach Einschätzung Högls ihre bisherigen Anstrengungen bei der Personalgewinnung „massiv verstärken“. So habe sich etwa das Bewerberaufkommen gar um rund elf Prozent verringert.
Dahinplätschernde Aussprache
Der Högl-Rede schloss sich eine 80-Minuten-Aussprache an, in der neben Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD; 10 Minuten) insgesamt 13 Fraktionssprecher für zwei bis acht Minuten zum Zug kamen: 3 von der CDU/CSU, 3 (!) von der kleinsten „Ampel“-Fraktion FDP, 2 von der SPD (Pistorius nicht mitgerechnet), 2 von den Grünen, 1 von der Linken, 1 von der AfD und 1 Fraktionsloser. Von zwei Interpellationen des stets übermotivierten SPD-MdB Johannes Arlt abgesehen. Alle freilich machten pflichtschuldig ihre Verneigung vor Eva Högl und dankten mehr oder weniger wortreich.
Wir räumen ein, dass wir uns nicht alle 14 Reden der Aussprache angetan haben. Vier haben wir uns vorgenommen.
Verteidigungsminister Pistorius betonte die Ernsthaftigkeit, mit der das Thema Bundeswehr jetzt diskutiert werde, und dass er mit Eva Högl in der Einschätzung der Lage und der Herausforderungen einig sei. Alles müsse besser, schnell, kraftvoller angepackt werden. Pistorius kritisiert explizit nicht die Soldaten, sondern die Strukturen. Letztere wolle er anpacken – im Interesse der Landesverteidigung und auch der Hilfe für die Ukraine.
Kerstin Vieregge (CDU/CSU) spart ebenfalls nicht mit Lob für Eva Högl und nannte deren Bericht einen Warnschuss. Hart ins Gericht ging sie mit der Bundesregierung insgesamt, die das erste Jahr nach der so genannten Zeitenwende verschlafen habe. Vieregge kritisierte, dass der reguläre Etat der Bundeswehr für fünf Jahre gar von 50,4 auf 50,1 Milliarden abgesenkt und eingefroren worden sei, und sie schloss sich der Einschätzung an, dass die Bundeswehr nicht 100, sondern 300 Milliarden zusätzlich brauche.
Etwas Lebhaftigkeit kam mit und nach der 4-Minuten-Rede des AfD-Abgeordneten Hannes Gnauck auf. Er reklamierte für seine Fraktion, dass all das, was die „Ampel“ jetzt plane, von der AfD schon vor mehreren Jahren verlangt worden sei. Er meinte auch, dass die deutschen Waffenlieferungen der Ukraine weniger helfen, als sie der Bundeswehr schaden. Den „Grünen“ als vormaliger Friedenspartei attestierte er am Beispiel Ukraine einen peinlichen Ersatzpatriotismus – einen Patriotismus, den sie für Deutschland nicht übrighätten. Dass die AfD, die ja hochkarätige Ex-Offiziere in ihren Reihen hat, mit Gnauck jemanden ans Rednerpult schickte, der in seiner Bundeswehrzeit als Oberfeldwebel wegen Extremismusverdachts freigestellt wurde, gab anderen Fraktionen Anlass, Gnaucks Aussagen wegzuwischen.
Alles in allem: Der Högl-Bericht hat es in sich. Er ist wohl ehrlicher als manch bislang aus dem Bendlerblock gekommenes Lagebild. Dass die Ränge im Plenum und die Regierungsbänke bei der Aussprache zu diesem Bericht äußerst schwach besetzt waren, zeigt indes, dass die Bundeswehr eben doch – wie eh und je – ein lästiges Thema zu sein scheint.