Tichys Einblick
Saubere Zähne nur noch für saubere Wähler?

Behördenplan: Wer nicht wählt, wird bei Kassenleistungen bestraft

Das Bundesamt für Soziale Sicherung will die Wahlbeteiligung bei der Berechnung von Krankenkassenbeiträgen einfließen lassen. Das bedeutet: entweder höhere Beiträge oder Streichung von Leistungen. Nichtwähler werden damit indirekt sanktioniert.

IMAGO / Horst Galuschka

Klingt dystopisch, ist aber wahr: Das Bundesamt für Soziale Sicherung will offenbar die Berechnung von Krankenkassenbeiträgen von der Wahlbeteiligung abhängig machen. Darüber berichtet die Bild-Zeitung. Die Idee geht aus einem 150-Seiten-Papier hervor, das dem Blatt vorliegt. Es bestehe ein „statistisch signifikanter Zusammenhang“ zwischen der Wahlbeteiligung und der finanziellen Über- und Unterdeckung auf Kreisebene, so das Bundesamt.

Die Bonner Behörde, die dem Bundesgesundheitsministerium unterstellt ist, verwaltet den sogenannten „Gesundheitsfonds“, in den Krankenkassenbeiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie Bundesmittel einfließen. Ein Risikostrukturausgleich (RSA) sorgt dafür, dass Versicherungen mit vielen älteren oder vorerkrankten Kassenmitgliedern nicht benachteiligt werden. Gemäß Behördenplänen soll beim RSA künftig auch die Wahlbeteiligung berücksichtigt werden.

Der Entwurf soll am 30. September verabschiedet werden. Inwiefern der reformierte RSA einfließt, ist noch unklar. Regionen mit niedriger Wahlbeteiligung stünden als Verlierer der Reform dar – allen voran Bundesländer wie Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern oder Bremen. Dementsprechend kritisch äußerte sich die Sprecherin der AOK Sachsen-Anhalt, Anna-Kristina Mahler. Sie bezeichnete die Wahlbeteiligung als „sachfremdes Kriterium“. Nach der Reform könnte allein die AOK Sachsen-Anhalt rund 24 Millionen Euro verlieren.

Der Plan stieß dabei parteiübergreifend im Landtag Sachsen-Anhalts auf Kritik. Die Grünen ordneten die Pläne als „geradezu absurd“ ein, die CDU benannte sie als „mehr als unverständlich“. Die AfD sprach von einer „an den Haaren herbeigezogenen“ Maßnahme. Gegenüber der Bild-Zeitung sagte der CDU-Landtagsabgeordnete Tobias Krull, dass man entweder die Beiträge erhöhen müsste, oder „sie sparen bei freiwilligen Leistungen wie Zahnreinigung oder Rückenschule“. Saubere Zähne also nur für saubere Wähler?

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