Tichys Einblick
Kommunikationsprofessor Michael Meyen

Verfahren gegen kritischen Professor: will Bayerns Regierung ein Exempel statuieren?

Gegen den Kommunikationsprofessor Michael Meyen läuft ein Disziplinarverfahren. Bis jetzt gibt es keine Erkenntnisse. Die Vorwürfe sind dünn. Trotzdem wird weiter ermittelt.

Bild: Privat - Imago - Collage: TE

Das Ermittlungsverfahren gegen den Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen, Professor an der Universität München, schleppt sich dahin, ohne dass es bisher konkrete Ergebnisse zutage förderte. Gegen den Wissenschaftler starteten die Süddeutsche Zeitung, ZEIT und Bayerischer Rundfunk eine Kampagne wegen dessen Kritik an staatlichen Corona-Maßnahmen, besonders aber an der selektiven Art und Weise, wie viele Medien während der Corona-Zeit berichteten.

Die AfD-Fraktion im bayerischen Landtag fragte nun nach dem Stand des Verfahrens. Auf die Anfrage des Abgeordneten Gerd Mannes antwortete Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) ausweichend – wobei sich auch eine gewisse Nervosität zeigt. Die Frage, wer das Verfahren eigentlich beauftragt habe, erwiderte Blume folgendermaßen:
„Disziplinarverfahren werden nicht ‚beauftragt‘. Gemäß Artikel 19 Abs. 1 des Bayerischen Dienstgesetzes ist ein Disziplinarverfahren einzuleiten, sofern ‚zureichende tatsächliche Anhaltspunkte‘ vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Ein Ermessen besteht insoweit nicht. Die Landesanwaltschaft Bayern – Disziplinarbehörde – wurde von der Ludwig- Maximilians-Universität München über den Verdacht auf das Vorliegen eines Dienstvergehens informiert und um Prüfung der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gebeten.“

Nach Informationen von TE gibt es allerdings bis jetzt nur drei – sehr schwache – Vorwürfe gegen Meyen, die allesamt nichts mit seiner unmittelbaren Lehrtätigkeit zu tun haben. Zum einen geht es um eine Kleinspende zugunsten einer sehr weit linken, aber legalen Organisation aus dem Jahr 2019. Außerdem wirft ihm die Landesanwaltschaft vor, zweimal von der Zeitschrift „Demokratischer Widerstand“, die sich vor allem kritisch mit der Corona-Politik auseinandersetzt, als Herausgeber genannt worden zu sein. Meyen erklärt auf Nachfrage, für die Zeitschrift zwar geschrieben, von seiner Herausgeberposition aber nichts gewusst zu haben. Das scheint plausibel – die Zeitschrift nannte bisher auch den Philosoph Giorgio Agamben als Herausgeber, dann den Musiker Roger Waters. Weder der eine noch der andere wusste davon. Der Frage, ob die Vorwürfe gegen Meyen sich in irgendeiner Weise auf dessen Tätigkeit als Professor beziehen, weicht Blume aus: „Zu einem laufenden Verfahren“, so der Minister, könne er keine Auskunft geben.

Der AfD-Abgeordnete wollte außerdem wissen, ob und welchen politischen Einfluss es auf die Einleitung des Verfahrens gegeben habe. „Das Präsidium der Universität“, heißt es in dem Antwortschreiben, habe das Ministerium telefonisch über „die Übergabe des Vorgangs an die Landesanwaltschaft informiert“. Wenn die Hochschule tatsächlich ganz selbständig darüber entschieden hätte, trotz denkbar wackliger Vorwürfe das erste Verfahren gegen einen verbeamteten Professor seit Jahren loszutreten, wäre es zumindest ungewöhnlich, davon umgehend gegenüber dem Ministerium eine telefonische Mitteilung zu machen. Der Vorgang wirkt eher wie eine Vollzugsmeldung.

Ziemlich angefasst reagierte Blume auf die Fragen: „Wie beurteilt die Staatsregierung aus heutiger Sicht die von Prof. Meyen bereits 2020 erstmals geäußerte und später wiederholte Kritik an den staatlichen Coronamaßnahmen und der Medienberichterstattung über Corona? Ist die Staatsregierung der Ansicht, dass Prof. Meyen mit seiner Kritik an den staatlichen Coronamaßnahmen die ‚Treue zur Verfassung‘ (Aussage Staatsminister Markus Blume) gebrochen hat?“
„Die suggestive Formulierung unterstellt in ihrem Kontext eine spezifische Wertung der Aussage ‚die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung‘, die die Staatsregierung zurückweist und mit Blick auf das laufende Verfahren nicht weiter bewertet“, so Blume.

Nach der Disziplinarordnung müssen Disziplinarverfahren „zügig“ geführt werden. Im Fall Meyen drängt sich der Eindruck auf, dass die Staatsregierung das Prozedere in die Länge ziehen will. Offenbar soll ein Exempel statuiert werden, auch dann, wenn es am Ende nicht für einen Hinauswurf reicht.

Meyen sagte gegenüber TE, es gebe keine Äußerung und kein Verhalten von ihm, das im Widerspruch zur Bayerischen Landesverfassung stehe.

Meyen ist nicht der einzige Wissenschaftler, der die Landesregierung offenbar verärgerte. Schon 2021 feuerte die Regierung den TU-Professor Christoph Lütke aus dem Ethikrat. Der Leiter des Instituts für Ethik und Künstliche Intelligenz hatte mehrere Corona-Maßnahmen Bayerns öffentlich kritisiert.

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