Dieses Urteil kann die Windkraft stoppen: Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass der Abstand eines Windrades zur nächsten Siedlung mindestens das Zehnfache seiner Höhe betragen muss. In Bayern haben Windkraftgegner unter dem kryptischen Slogan „10-H“ dafür gekämpft. Diese Regelung hatte der Bayerische Landtag Ende 2014 eingeführt. Die zerstörte Landschaft von Schleswig-Holstein wirkte wohl doch zu abschreckend.
Land stoppt Bundes-Monster-Anlagen
SPD, Grüne und Windkraftlobby klagten in trauter Eintracht dagegen: Die Abstandsregelung verletze die Bayerische Verfassung, weil sie die vom Bund 1997 eingeführte Privilegierung von Windenergieanlagen aushöhle.
Jetzt wies das Verfassungsgericht die Klagen ab: Die 10-H-Regelung verstoße nicht gegen die Verfassung. Die Privilegierung werde zwar erheblich eingeschränkt, aber nicht beseitigt. Abzustellen sei nicht auf die bestmögliche Ausnutzung der technischen Möglichkeiten, argumentieren die Richter. Windräder könnten auch niedriger gebaut werden. Dass sie dadurch weniger rentabel seien, sei verfassungsrechtlich nicht relevant.
Moderne Windanlagen mit einer Höhe von 200 Metern müssen also mindestens zwei Kilometer von den nächsten Wohngebäuden entfernt sein. Für das einigermaßen dicht besiedelte Bayern bedeutet dies, dass nur rund 1,7 Prozent der Landesfläche für die neuen Monsteranlagen, die höher als der Kölner Dom sind, zur Verfügung stehen. Laut Staatsregierung könnten etwa 200 Windräder gebaut werden.
Energiewende am Ende?
Alarmiert ist das Umweltbundesamt. Bundesweit dürften laut Amt, das eigentlich die Umwelt schützen soll, 97 Prozent der Fläche Deutschlands nicht mehr mit den hohen Windrädern zugekleistert werden. Das Amt hat denn auch andere Bundesländer „gewarnt“, dass damit die „Energiewende“ am Ende sei.
Auch in Hessen hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof eine Klage gegen die Begrenzung der Bebauung abgelehnt. In Nordrhein-Westfalen dagegen hat der windkraftergebene Landtag eine 10-H-Regelung abgewiesen.
Der renommierte Verfassungsrechtler und juristische Windkraftexperte Prof. Michael Elicker schätzt das Münchner Urteil als „Signal in andere Richtung ein“.
Die Länder seien nicht dazu da, Windkraftanlagen durchzusetzen. „Das immer wieder zu hörende Argument, der Windenergie muss Raum gegeben werden, stimmt so nicht. Mir scheint zwar unausgesprochen aber doch die Auffassung der Richter dahinter zu stehen, dass Windkraft verzichtbar ist.“
Das Urteil zeigt für ihn auch: „Gerichte können sich also doch gegen inkompetente Politiker durchsetzen.“
Die juristischen Windmühlen mahlen langsam, aber scheinbar immer deutlicher. Dabei geraten auch andere Blickwinkel auf die Windkraft ins Spiel:
Drei Familien aus Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, neben deren Häusern große Windparks aus dem Boden gestampft wurden, haben vor kurzem die erste Verfassungsbeschwerde gegen die Windkraft eingereicht – unterstützt von Prof. Michael Elicker und Prof. Rudolf Wendt.
Die beiden Verfassungsrechtler der Universität des Saarlandes wollen „das verfassungsmäßige Recht des Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit gegenüber einem Staat geltend machen, der dieses Recht nicht genügend berücksichtigt.“
Gefährliche Schallwellen
Denn Windenergieanlagen sind nicht nur laut, sondern strahlen auch Schall im sogenannten Infraschallbereich aus. Der liegt mit Frequenzen von 1 bis 20 Hertz unterhalb der Schwelle des menschlichen Hörsinnes und geht vor allem auch durch Gebäudewände. Diese Schallwellen sind gesundheitsschädlich.
Elicker: „Wir kennen mittlerweile einen Dosis-Wirkungszusammenhang zwischen einer Exposition im Bereich von Windanlagen und den entsprechenden gesundheitlichen Schädigungen. Deswegen können wir dieses staatliche Versäumnis nicht so einfach ignorieren.“
Das Bundes-Immissionsschutzrecht selbst verlangt einen ausreichenden Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen. Diesen Auftrag haben, so der Vorwurf, die staatlichen Organe nicht entsprechend dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik umgesetzt.
So gibt es bereits Beobachtungen über Missbildungen bei Tieren, die eindeutig auf die Auswirkung der Windkraftanlagen zurückzuführen seien. Professor Elicker:
„Das ist ein Punkt, den ich besonders verstörend finde. Wir müssen davon ausgehen, dass natürlich diese Einwirkungen nicht nur auf Tiere beschränkt sind.
Es ist zum Beispiel nicht mehr möglich, in einer Konzentrationszone von Windkrafträdern zum Beispiel an Nord- oder Ostsee einen überlebensfähigen Nachwuchs von Tieren aufzuziehen. Da muss ich sagen, da hört bei mir jedes Verständnis auf. Denn das wird sich genauso auf menschliche Embryonen auswirken.“
Das zweite schwere Geschütz fährt Verfassungsrechtler Elicker mit einer Bürgerinitiative im Saarland auf. Auch das hat erhebliche bundesweite Sprengkraft. Denn ähnlich wie in diesem Fall verlaufen viele andere Verfahren, wenn Gemeinden mit Projektierern von Windanlagen verhandeln.
So hat die „Bürgerinitiative gegen Windkraft in Lautenbach“ im Saarland Strafanzeige gegen den Bürgermeister der Stadt Ottweiler gestellt. Grund: Vorteilsannahme bzw. Bestechlichkeit.
Es wurden Verträge zwischen der Stadt Ottweiler und den Windenergieunternehmen ABO Wind AG und MWP Mosolf Wind Power geschlossen, die – so die Bürgerinitiative – verwaltungsrechtliche Vorgaben verletzen. So seien „hoheitliche Handlungen gegen Entgelt verkauft worden, ein Ding der Unmöglichkeit.“
Windige Korruption
Heute muss, um den Vorwurf der Bestechlichkeit zu begründen, ein Bürgermeister nichts mehr in die eigene Tasche stecken. Elicker: „Das ist nichts, was wir unterstellen. Das spielt aber heute auch keine Rolle mehr. Sondern es geht darum, dass die Sauberkeit und die Lauterkeit der öffentlichen Verwaltung bei den Korruptionstatbeständen der Paragraphen 331 ff. des Strafgesetzbuches nicht beeinträchtigt wird.“
Der Bürgermeister habe zum Beispiel Abreden getroffen, die der Stadt Ottweiler bestimmte Vorteile verschaffen. „Die sind nicht regelgerecht erlangt worden und begründen daher eine sogenannte Unrechtsvereinbarung im Sinne des Strafgesetzbuches.“
„Dann haben wir Verträge, die so lange vor der Verabschiedung des Flächennutzungsplans mit irgendwelchen Projektierern im Voraus beschlossen wurden, dass sie nach aller Wahrscheinlichkeit das beeinflussten, was im Stadtrat später beschlossen wurde.“
Auch bundesweit werden „Unrechtsverträge“ bedeutender, Verträge, die zu Unrecht abgeschlossen wurden – meist von Städten und Gemeinden mit Wind-Unternehmen. Die betreffen häufig Nutzungsrechte für Grundstücke, städtebauliche Verträge oder beispielsweise Rodungsarbeiten ohne eine notwendige vorherige Waldumwandlungsnehmigung. Vorgaben über Mindestabstände zu geschützten Arten werden missachtet.
Immer häufiger zu beobachtende Praxis: Die klammen Kommunen versprechen Windkraftunternehmen mit Dollarzeichen in den Augen gern etwas, was von vornherein eigentlich rechtswidrig ist. Die Windunternehmen wiederum verdienen am Bau der Anlagen und gehen entsprechend aggressiv vor.
Elicker weist darauf hin, dass der Gesetzgeber bereits 1997 die Korruptionstatbestände erheblich geändert und verschärft hat. Schon Dinge, die geeignet sind, den Anschein von Unsauberkeit in der öffentlichen Verwaltung zu erzeugen, können strafrechtlich verfolgt werden. Das soll insbesondere das Vertrauen der Bürger in die Lauterkeit der öffentlichen Verwaltung stärken. Sei aber, meint Elicker, noch nicht bis in die letzten Gemeindeverwaltungen vorgedrungen, gelte aber dennoch. „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.“
Tatsächlich mehren sich im Bereich der Windkraftnutzung und Gemeinden die Fälle, bei denen die Staatsanwaltschaft einschreitet. Elicker: „Wir hatten gerade in diesem Bereich der Windkraftanlagen schon vor über zehn Jahren eine sehr ausgeprägte Strafverfolgung gegenüber Bürgermeistern insbesondere im Bereich von Niedersachsen. Etliche Strafverfahren endeten in Verurteilungen.“
Jetzt weitet sich das Problem mit zunehmendem Aufbau von Windanlagen auch auf das Binnenland und auf die Mittelgebirge aus. „Irgendwelche Landesfürsten oder Kommunalpolitiker versuchen, mit Windkraftwerken Geld zu verdienen.“
Zu groß sind die Verlockungen, mit Windparks scheinbar mühelos Geld in die Kassen zu bekommen. Dabei übersehen sie häufig so lästige Detailfragen wie die nach der Wirtschaftlichkeit der Anlagen. Das führt zu einer nächsten Prozesswelle vor Gerichten. Die hohen Erträge, die die Projektierer versprochen haben, erfüllen sich später in aller Regel nicht. Die Frage ist dann, wer die Verluste meist in Millionenhöhe trägt. Fein raus sind die Projektierer und Erbauer der Windanlagen; die haben ihr Geld erhalten. In die Röhre schauen meist die Bürger und die Kommunen.
Detailliert weist Prof. Elicker auf die weiteren schwerwiegenden juristischen Folgen hin:
„Ich gehe davon aus, dass einige Windkraftunternehmen falsche Ertragswerte in den Raum gestellt haben, und deswegen meiner Ansicht nach ein Betrug vorliegt. Das Schlimme ist, man muss diesen Betrug als einen fortgesetzten Betrug ansehen. Denn diese Dinge hat es vorher schon gegeben.“
Elicker juristisch:
„Man muss diesen Betrug auch als einen Betrug ansehen, der von vielen gemeinsam begangen worden ist. Denn es geht hier um eine Organisation, die diese Dinge tätigt. Das bedeutet: Wir haben hier einen gewerbs- und bandenmäßigen Betrug vorliegen, der letztendlich zu einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren führt und mit einer Mindeststrafe mit einem Jahr.
Wir haben es hier in der Tat mit einem genuinen Verbrechen im Sinne des Gesetzes zu tun. Das ist ein bisschen das, was ich meine, wenn ich sage, die Verbrechen der Saubermänner.“
Rückabwicklung des Kaufs?
Spannend deshalb der Blick nach Ludwigshafen. Dort klagt die Pfalzwind GmbH gegen das umstrittene Windparkunternehmen JUWI auf Rückabwicklung des Kaufvertrages. JUWI hatte zu viel Wind gemacht. „Pfalzwind“, ein Gemeinschaftsunternehmen der beiden städtischen Gesellschaften Pfalzwerke Ludwigshafen und der Mainzer Rio Energie, will tiefrote Zahlen eines Windparkes nicht mehr tragen und die Anlagen an JUWI zurückgeben.
Die Stimmung unter den öffentlichen und privaten Initiatoren dürfte mittlerweile getrübt sein: Sinnigerweise wurde „Pfalzwind“ ursprünglich von den städtischen Pfalzwerken und dem privaten Windunternehmen JUWI gegründet. Dann gründeten die Mainzer Stadtwerke mit JUWI noch die Tochter „Rio Energie“. JUWI wiederum zog sich dann von „Rio Energie“ zurück. Vielleicht dämmerte den Experten schon etwas.
Ein Prozess mit bundesweiten Folgen.