Am Dienstag fand auf Vorschlag der FDP im Bayerischen Landtag eine aktuelle Stunde zum Thema „Corona: Falsche Zahlen, beschädigtes Vertrauen – aufklären statt wegducken“ statt. Martin Hagen, Fraktionsvorsitzender der FDP-Landtagsfraktion, hatte die Plenumsdiskussion in die Wege geleitet, nachdem am vergangenen Wochenende publik geworden war, dass die unter anderem von Ministerpräsident Markus Söder verbreiteten Ungeimpften-Inzidenzen vom zuständigen Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) falsch erhoben worden waren, wodurch sie höher erschienen (TE berichtete). Das LGL hatte zu den Meldungen neu infizierter Ungeimpfter auch alle Fälle mit unbekanntem Impfstatus hinzugerechnet. Diese Erhebungsweise hatte zu grob verzerrten Zahlen geführt – wie das Amt gegenüber der Welt zeigte, war bei rund 70 Prozent der vermeintlichen gemeldeten Ungeimpften-Neuinfektionen der Impfstatus tatsächlich unbekannt gewesen.
Diese irreführende Zahlenerhebung des LGL sowie die Verbreitung durch Markus Söder und die Bayerische Staatskanzlei wollte die FDP am Dienstag im Bayerischen Landtag diskutieren. Von Interesse war dabei vor allem eine Äußerung von Markus Söder vom vergangenen Freitag: Bei einer Pressekonferenz hatte der bayerische Ministerpräsident die in Bayern neu beschlossenen 2G-Regelungen im Einzelhandel mit der deutlich höheren Inzidenz unter Ungeimpften begründet. Söder hatte von einer bayerischen Ungeimpften-Inzidenz von 1600 gesprochen, während die Inzidenz unter Geimpften nur bei 100 liege.
Matthias Fischbach, Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion, fragte Markus Söder – der selbst nicht erschienen war, aber durch den bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) vertreten wurde – im Plenum, ob ihm zum Zeitpunkt dieser Äußerungen bereits die verzerrende Erhebung des LGL bekannt gewesen sei. Fischbach: „Können Sie ausschließen, dass Sie über den deutlichen Anstieg der unbekannten Fälle und die Folgen für die Zahlen informiert waren, als Sie diese Zahlen am Freitag in der Pressekonferenz weiter aktiv zur Begründung Ihrer Corona-Politik verwendet haben?“ Der FDP-Landtagsabgeordnete Martin Hagen warf der Staatskanzlei vor, Geimpften „mit falschen Zahlen eine trügerische Sicherheit vermittelt“ zu haben. Das Infektionsrisiko Geimpfter sei „systematisch kleingerechnet“ worden.
Auf ihre Fragen bekam die FDP in der folgenden Plenarrunde keine Antwort. Stattdessen wurden die Liberalen in den Redebeiträgen von CSU, Freien Wählern und Grünen als Rechtspopulisten abgekanzelt. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) bezichtigte die FDP, sich „zum Sprachrohr“ der AfD zu machen. „Sie übernehmen heute die Position der AfD“, schimpfte Holetschek. Parteikollegin Dr. Beate Merk sprang ihm zur Seite und warf der FDP vor, „rechtspopulistisch“ zu operieren, und wünschte sich, dass die Liberalen sich „nach all dem, was Sie hier gebracht haben […] schämen“.
Markus Blume (CSU) beschuldigte die FDP, „Zweifel“ zu säen und damit das „System in Frage“ zu stellen. Blume: „Wollen Sie bezweifeln, dass Impfen vor Corona schützt? Wollen Sie bestreiten, dass die Verläufe bei Ungeimpften deutlich schlimmer sind und die Hospitalisierungsrate deutlich höher ist als bei Geimpften? Wollen Sie leugnen, dass die Intensivstationen voll sind?“ Die FDP betreibe, so Blume, „das Geschäft derjenigen, die hier ganz rechts außen sitzen“. Bernhard Seidenath (CSU) stellte die Liberalen in die Querdenker-Ecke und warf ihnen vor, mit dem Hinterfragen der Zahlen „das Spiel der Impfskeptiker oder sogar der Corona-Leugner“ zu spielen.
Die Freien Wähler, Koalitionspartner der CSU in der Bayerischen Regierung, wählten nicht mildere Worte. FW-Politker Dr. Fabian Mehring riet den Liberalen, „sich nicht den Applaus von den Falschen zu holen“. Und auch die Grünen in der Opposition beschuldigten die FDP, mit ihrer Themenwahl der AfD „eine Paradebühne“ geboten zu haben.
Einzig die SPD sprang der FDP zur Seite – Florian von Brunn, Fraktionsvorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, griff den Ministerpräsidenten direkt an: „Gerade jetzt, in einer sehr sensiblen Situation, in der es darum geht, Impfskeptiker und -zögerer zu überzeugen, arbeiten Herr Söder und sein Landesamt für Gesundheit auch noch mit fragwürdigen Zahlen. Das ist einfach unseriös.“ Von Brunn erklärte, dass das eigentliche Problem bei der falschen Zahlenerhebungen des LGL doch darin bestehe, dass die Gesundheitsämter den Impfstatus abfragen, dort aber Personal fehle. Markus Söder, so impliziert von Brunn in seinen Ausführungen, sei für die Personalausstattung verantwortlich gewesen. Brunn: „Wir haben immer wieder gefordert, die Gesundheitsämter ordentlich auszustatten.“ Der Ministerpräsident sei aber damit beschäftigt gewesen, „sich […] permanent selbst ins Rampenlicht zu stellen“.