Tichys Einblick
Neuer alter Präsident des Bauernverbands

Bauernverbandspräsident Rukwied: unbeliebt und dennoch wiedergewählt

Bei einer Umfrage zeigten sich nur ganz wenige Landwirte mit dem Bauernverbandspräsidenten Joachim Rukwied zufrieden. Dennoch wurde er wiedergewählt. Es war ein Paradebeispiel fehlender Basisdemokratie. Der Niedergang der Landwirtschaft kann weitergehen.

imago images / photothek

»Schämet ihr euch gar nicht, so einen Teufel wie de Rukwied zem wähle«, schreit wütend ein Bauer in schwäbischem Dialekt den Delegierten zu, die in Erfurt in den Tagungssaal gehen. »Hat von euch noch einer einen Funken Anstand?« Die Umstehenden vor dem Eingang zur Erfurter Messehalle klatschen Beifall.

Kaum ein Bauer will ihn (»Henker des Deutschen Bauernverbandes«), dennoch wurde der bisherige Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, gestern in Erfurt mit 81,6 Prozent wiedergewählt. Bei einer Umfrage der Fachzeitschrift Moderner Landwirt stimmten nur 5.72 Prozent der Aussage »Ich bin mit dem Deutschen Bauernverband und Herrn Rukwied voll zufrieden« zu, dagegen 66.37 Prozent dem Satz »Der Deutsche Bauernverband braucht eine Umstrukturierung und einen neuen Vorsitzenden«. 22.06 Prozent sehen für den Deutschen Bauernverband übrigens keine Zukunft mehr.

Die Mitglieder waren nicht gefragt, der Bauerntag wurde sehr kurzfristig festgelegt. Statt eineinhalb Tagen dauerte der Bauerntag nur fünf Stunden, nur die Vorsitzenden der einzelnen Kreisverbände durften angeblich coronabedingt anreisen, nicht einmal mehr deren Stellvertreter.

Rukwied möchte »mehr Frauen« in den Verband bringen, wie er in seiner Grundsatzrede betonte. Die Düngeverordnung dürfe so nicht hingenommen werden, Pflanzen müssten so gedüngt werden, wie sie es nötig hätten. Allerdings will der Verband nicht klagen, wie das eine Reihe von Bauern vorhat. Der neue alte Präsident (CDU) »erwartet« von seiner Parteikollegin, der Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner, »Verbesserungsvorschläge«, anstatt selbst massive Korrekturen zu fordern.

Die Verordnung mit den umfassendsten staatlichen Einschnitten in die Landwirtschaft ist allerdings »durch«, auch in einem seltsamen handstreichartigen Vorgang durch den Bundesrat gedrückt worden.

Die neue Düngeverordnung schreibt den Bauern vor, dass sie von Jahr zu Jahr geringere Düngemengen ausbringen sollen. Falsche Nitratmessungen lieferten die Grundlage. Damit werden die Pflanzen unterernährt, das lässt die Erträge einbrechen. TE berichtete. Die Bauern werden zudem mit einer Überfülle an bürokratischen Auflagen eingedeckt.

Rukwied warf den Mitgliedern der neuen Bauernvereinigung »Land schafft Verbindung« vor, die Wut von den Höfen in die Städte getragen zu haben. Der »offizielle« Deutsche Bauernverband allerdings hielt Demonstrationen vor allem gegen die neue Düngeverordnung für zu riskant und hat sich nicht an den spektakulären Aktionen beteiligt (»Wir distanzieren uns von jeder Radikalisierung«).

Der Verband unternimmt verzweifelte Versuche, die Radikalisierung der vor dem Aus stehenden Bauern abzuwehren und die Parteikollegin Klöckner vor allzu großem Ungemach zu schützen. Die verspricht in ihrer Rede, zu der sie mit Videokonferenz zugeschaltet ist, mehr Geld für die Nutztierhaltung. Ohne Beifall verhallen ihre Leerformeln von einem fairen und gleichen Wettbewerb aller EU-Mitgliedsstaaten. Sie wolle sich beim kommenden EU-Agrarrat in der kommenden Woche für eine Reform der gemeinsamen Agrarpolitik einsetzen. Doch die Landwirte wollen nicht mehr Geld, sondern mehr Unabhängigkeit und Eigenverantwortung, weniger Bürokratie und Gängelei.

Vor allem Großbauern ohne Tierhaltung, die auf guten Böden von ihren Hoferträgen gut leben können, unterstützen Rukwied, bei der Mehrzahl der anderen Bauern ist er unten durch. Die Bauern haben die Nase voll von den leeren anmaßenden Sprüchen Klöckners (»Ich mute den Landwirten viel zu, aber ich begleite sie«).
Viele Bauern wissen nicht mehr weiter und geben ihre Höfe auf. Die Lage ist so dramatisch, dass die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Otte-Kinast in Tränen ausbrach, als sie im Landtag von Hannover über die Situation der Landwirte sprach. Otte-Kinast: »Mich erreichen Telefonate von weinenden Männern und Frauen, die nicht mehr ein und aus wissen … Sie sagen, ich töte meine Schweine und werde mich umbringen.« Die Abgeordneten aller Fraktionen spendeten lang anhaltenden Beifall auf die emotionale Rede, handelten aber nicht.

Sie riet den Landwirten, die Ferkelproduktion zu drosseln. Allerdings ist das ein längerfristigeres Vorhaben, bei dem viele Schritte nahtlos ineinandergreifen und ziemlich präzise aufeinander abgestimmt sind. Die Schweine, die jetzt zur Schlachtung anstehen, wurden vor etwa einem Jahr »gezeugt«.
Präsident Rukwied bezeichnete die Lage in der Schweinehaltung als größte Krise seit Jahrzehnten. Die Preise seien im freien Fall.

Schweinhalter müssen mit der drohenden afrikanischen Schweinepest leben, einer für Schweine sehr gefährlichen Tierseuche, die sich von Osten ausbreitet und bei der der staatliche Apparat durch vollkommenes Versagen glänzte.

Der wichtige Schlachthof in Sögel sollte ursprünglich komplett geschlossen werden, nachdem wieder der PCR-Test dubiose Fallzahlen ergeben hatte. Erlaubt sind derzeit 5000 Schlachtungen pro Tag, von etwa 17 000 möglichen. Die restlichen Schweine können nicht mehr geschlachtet werden, füllen die Ställe und sollen sogar durch halb Europa teilweise nach Spanien transportiert werden. Trotz angeblich viel dramatischerer Coronalage als hierzulande arbeiten dort die Schlachthöfe.

Das erinnert an die zweifelhafte Schließung des Tönnies-Schlachthofes in Rheda-Wiedenbrück. Jene PCR-Tests zeigten an, dass Teile des Corona-Virus gefunden wurden. Doch hinterher stellte es sich heraus: Kein Mitarbeiter war tatsächlich erkrankt.

In Zeiten, in denen Parlamente immer weniger zu sagen haben und entscheiden, werden Kommissionen aus dem Boden gestampft. Eine Ethikkommission kam seinerzeit zu dem Ergebnis, dass Kernkraft amoralisch sei, eine andere, dass Kohlenutzung abzuschaffen sei und jetzt kommt eine Zukunftskommission Landwirtschaft. An ihrer Spitze ein emeritierter Mittelalterforscher, Professor Dr. Peter Strohschneider, spezialisiert auf germanistische Mediävistik.

Mit Dirk Andresen soll ein Sprecher von »Land schafft Verbindung« vertreten sein. Doch der hat sich selbst desavouiert, als er verkündete, in den Bundestag zu streben. Der LsV hat sich von ihm getrennt. Überdies verlor er die Abstimmung, als es um das CDU-Mandat in seinem Wahlkreis ging.

Tatsächlich kein einziger Landwirt sitzt im »Zukunftsrat«, den das Land Mecklenburg-Vorpommern gerade eingerichtet hat. Dort gehört der Agrarbereich zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen, was das Land nicht daran hindert, den zu zerstören. Dafür sitzt eine Vertreterin von »Fridays for Future« drin.

Noch nie hat eines der leistungsfähigsten Agrarsysteme der Welt Menschen so günstig mit guten Lebensmitteln versorgt wie heute. Und das in ausreichenden Mengen, ein Ergebnis: Seit 70 Jahren haben Menschen keine Hungersnöte mehr erlitten. Weltweit übrigens sind Hungersnöte zurückgegangen. Dies trotz sehr unterschiedlicher Produktionsbedingungen auf dem Acker. Es ist alles andere als leicht, sehr unterschiedlichen Böden bei verschiedenen Witterungsverhältnissen in jedem Jahr ertragreiche Ernten abzutrotzen und die Nutzpflanzen gegen zahlreiche Fraßfeinde auf dem Acker zu schützen. Die werden überdies durch eine ganze Anzahl an Pflanzenkrankheiten bedroht.

So etwa derzeit Zuckerrüben, bei denen ein Virus die Blätter vergilben und die Photosynthesefähigkeit einbrechen lässt. Folge: dramatische Ernteeinbußen. Zuckerfabriken müssen schließen, Zucker kommt künftig aus Brasilien. Dies nur, weil die EU die Behandlung des Saatgutes verboten hat, mit denen die Rüben geschützt wurden.

Die Landwirtschaft befindet sich auf dem Rückzug und bewirtschaftet immer weniger Flächen; seit 1990 sank pro Einwohner die verfügbare landwirtschaftliche Fläche um mehr als die Hälfte. 2019 wurden laut Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt so wenig Pflanzenschutzmittel wie seit 1995 nicht ausgebracht und 25 Prozent weniger Stickstoffdünger seit 1990 eingesetzt. Seit 1980 gibt es 28 Prozent weniger Schweine und 45 Prozent weniger Rinder.

Nicht umsonst wirbt Russlands Präsident Putin um deutsche Landwirte, die mit ihrem Know how die darbende russische Landwirtschaft aufbauen sollen. Die leidet immer noch darunter, dass seit Stalins Kahlschlag Fachleute fehlen. Der ließ die Kulaken, die bäuerliche Elite, umbringen und damit diejenigen, die wussten, wie Böden zu bearbeiten waren und wie Nutztiere gehalten werden müssen. Das Land verkam, Hungersnöte zogen immer wieder übers Land.

So viel steht fest: Die Lage in der Landwirtschaft ist mehr als angespannt. Vor kurzem wurde eine Treckerdemo in Niedersachsen (»Tankt die Trecker«) kurz vor dem Start gerade noch einmal abgesagt. Das dürfte ein weiteres Mal nicht mehr gelingen. Zu viele Bauern haben Versprechungen geglaubt, immer wieder bei neuen Anforderungen und Richtlinien in »Tierwohl« investiert und müssen nun zusehen, dass alles nichts genutzt hat.

Die Politik hofierte die Bauern, als sie noch zahlreich und damit potentiell wahlentscheidend waren. Die Zeiten sind vorbei, heute ist der Bundesregierung gleichgültig, was mit dem Rest geschieht. Sie sind Spielmasse für grünen Unsinn, während den Städtern eingebleut wird, wie schädlich Landwirtschaft ist. Es gibt nur noch knapp 270 000 Betriebe, die mittleren und kleinen bäuerlichen Familienbetriebe werden zum Aufgeben gezwungen, wenige große Erzeugerbetriebe übernehmen. Kolchosen bieten wenigstens noch ein warmes Plätzchen für Politkommissare, die sonst nichts können als nur darauf aufzupassen, dass in den Betrieben kein falsches Wort mehr fällt.


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