Ab Montag startet eine Aktionswoche, organisiert nicht nur vom Bauernverband, der selbst etwa 20 Demonstrationen angemeldet hat, sondern von vielen unterschiedlichen Gruppierungen aus einer Reihe von Wirtschaftsbereichen. Es gibt keine zentrale Demonstration in Berlin, sondern viele im gesamten Land. Am 15. soll dann in Berlin eine Großkundgebung veranstaltet werden.
In Berlin findet eine Demonstration mit Traktoren vor dem Brandenburger Tor statt. In Hamburg sollen mehrere tausend Landwirte mit ihren Traktoren ins Zentrum fahren, in Bremen ist eine Sternfahrt ins Stadtzentrum geplant. Ebenso in Braunschweig, Magdeburg, Saarbrücken, Leipzig. Rund um Ulm sollen Bundesstraßen und Autobahnzubringer zur A7 und A 8 blockiert werden. In Wiesbaden sind rund 800 Traktoren mit einer Fahrt durch die Innenstadt an der Hessischen Staatskanzlei vorbei vorgesehen. In München sollen unter anderem auf dem Odeonsplatz Proteste der Bauern stattfinden.
In Bad Laasphe bleiben die Raiffeisen Tankstelle Dautphe und Bad Laasphe geschlossen. Ebenso wird kein Heizöl ausgeliefert. Auf dieser Karte hier sind eine Reihe von Protestorten eingetragen.
Überall im Land werden Plakate und Halterungen gezimmert und Protestplakate bemalt. Bereits die Vorbereitungen zeigen Wirkung. Nach der Blockade von Schlüttsiel, bei der der derzeitige „Klima“-Minister Habeck zunächst nicht von seiner Fähre gekommen ist, ging in etwas verwunderlicher Lautstärke die breite Schimpfkanonade los: Mob, Pöbel bis hin zu „Nazi-Bauern“.
Das reichte bis zu sprachlichen Entgleisungen wie das Wort vom „Brunnenvergifter“ der FAZ, hinter der früher ein kluger Kopf steckte.
Der Bauernverband selbst distanzierte sich von der Blockade-Aktion in Schlüttsiel. Für ihn sei das kein legitimer Protest mehr. „Das Landvolk Niedersachsen lehnt jegliche Verletzung der Privatsphäre von Politikern und anderen öffentlichen Personen sowie gewaltsame Aktionen ausdrücklich ab“. Niedersachsens Landvolkpräsident Holger Hennies: „Wir haben unsere Mitglieder zum friedlichen Protest aufgerufen und fordern alle, die uns unterstützen, auf, sich an diese Grundregeln der Demokratie zu halten.“
Die heftigen Reaktionen zeigen etwas von Heulen und Zähneklappern auf der Regierungsbank. Der derzeitige Finanzminister Lindner (FDP) forderte beim Dreikönigstreffen im Stuttgarter Staatsopernhaus die Bauern auf: „Kehren Sie um, Sie haben sich verrannt!“ Weiter: „Man kann nicht auf der einen Seite von der gesenkten Stromsteuer profitieren wollen, man kann nicht zusätzliche Fördermittel für den Stallumbau fordern, und auf der anderen Seite auch an alten Subventionen festhalten. Wer neue Subventionen will, muss auch auf alte verzichten.“ Damit wollte er wohl andeuten, es gebe unter dem Strich nichts mehr aus der Kasse.
Mit dieser Polemik wollte Lindner die Bauernschaft als Subventionsempfänger darstellen, denen er gnädig einen Fuder Heu hinwirft. Die Subventionen allerdings sollen lediglich die gravierenden wirtschaftlichen Nachteile etwas ausgleichen, die die Landwirtschaftspolitik von EU und Ampel bringt. Strack-Zimmermann (FDP) trat nach: „Es kann nicht sein, dass eine Minderheit die Mehrheit tyrannisiert!“ Das spricht für extreme Anspannung und Nervosität zugleich.
Burlesk wird es, wenn sich eine IG Metall in ihrer Rolle als Oberstreikbevollmächtigte angegriffen fühlt und sich gegen den Begriff „Generalstreik“ wendet. Den haben Bauern und Unternehmer nicht verwendet. Von einem Generalstreik, wie es regierungstreue Medien und Gewerkschafter polemisch formulieren, kann keine Rede sein. Noch nicht.
Doch eine solche massive Unruhe nicht nur einzelner Gruppen, sondern ganzer gesellschaftlicher Schichten gab es im Nachkriegsdeutschland noch nicht. Mittlerweile hat die Lage eine Dramatik erreicht, die sich dem engen Dunstkreis von Gewerkschaftern und ihren monotonen Forderungen nach mehr Lohn entzieht. Wie Hohn müssen in den Ohren der Landwirte die Forderungen der Lokführergewerkschaft nach einer 35-Stundenwoche und mehr Lohn klingen. „Wir kämpfen nicht für mehr Geld, sondern für unser aller täglich Brot!“ heißt es auf ihren Plakaten. Das Motto: „Die Ampel muss weg!“
Zu tiefgreifend ist das, was SPD, Grüne und FDP zumuten wollen. Jeden Tag werden zehn bis 20 landwirtschaftliche Betriebe gezwungen, ihre alten Höfe aufzugeben mit fatalen Folgen für Deutschland. Energiekosten schießen in die Höhe, für Pendler lohnen kaum noch die Fahrten zum Arbeitsplatz und Fuhrunternehmer lassen ihre Lastwagen besser im Hof stehen.
Keine Frage: Das Maß ist voll. Es sind nicht nur Bauern, überall melden sich Selbständige, Spediteure und Mittelständler. Höhere Maut und Luftsteuern belasten Fuhrunternehmer. So wollen auch Teile des „Mittelstandes“ auf die Straße gehen – in Deutschland ungewohnte Bilder.
Selbst der Präsident des Bauernverbandes, Joachim Rukwied, wurde am 18. Dezember bei der letzten großen Trekkerdemonstration in Berlin so deutlich, dass seine Kollegen schier erschraken: „Wenn diese Maßnahmen nicht gestrichen werden, und zwar ersatzlos gestrichen werden, dann kommen wir wieder – nicht nur nach Berlin. Dann werden wir ab 8. Januar überall präsent sein in einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat. Wir nehmen das nicht hin.“ Rukwied – selbst studierter Landwirt mit einem landwirtschaftlichen Betrieb – ist ansonsten ein eher vorsichtiger Mann, immer im Hintergrund. Er sitzt in vielen landwirtschaftlichen Gremien wie BayWa, Südzucker und verschiedenen Bauernverbänden, da ist Lautstärke häufig fehl am Platz.
Das bekommen Politfunktionäre schon seit einiger Zeit zu spüren. Zu sehen im vergangenen Jahr beispielsweise im bayerischen Wahlkampf: Wo auch immer beispielsweise die Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze in bayerischen Bierzelten auftrat – überall Wut auf die Politik der Grünen. Eine mit massivem Aufgebot angerückte Polizei musste wie in Tirschenreuth für die Sicherheit der Veranstaltung sorgen.
„Es darum zu sagen: Die Politik braucht die rote Karte“, sagt Landwirt Anthony Lee im Gespräch mit dem TE-Wecker, anzuhören am Sonntag bei TE. „Wir haben in den vergangenen vier Jahren versucht, auf dem demokratischsten Weg überhaupt, nämlich durch Gespräche, etwas zu verändern.“ Ohne Erfolg. „Politik muss entweder sich fundamental verändern oder abtreten. Etwas anderes gibt es nicht.« Lee: „Es geht friedlich ab, die Demonstrationen sind alle angemeldet. Wir werden Rettungswege freilassen.“
Doch vorbeugend will das CDU-regierte Sachsen schonmal das Demonstrationsrecht einschränken. Dort haben unter anderem der Landesbauernverband und „Land schafft Verbindung“ zu Protesten aufgerufen. Der Landkreis Zwickau und der Erzgebirgskreis wollen erhebliche Einschränkungen erlassen. So sollen Proteste und Blockaden sowie Spontanversammlungen teilweise verboten werden. Angeblich, um Wege für Rettungsgassen und Winterdienste freizuhalten.