Tichys Einblick
Französische Viehzüchter in Existenznot

Anhaltende Bauernproteste in Frankreich und Deutschland

Frankreichs Bauern protestieren noch deutlich rabiater als ihre Kollegen in Deutschland. Sie fordern faire Preise und kritisieren die künftige gemeinsame europäische Agrarpolitik GAP. Auch in Deutschland gehen die Proteste weiter.

Farmers block the center of Lyon, central France, with their tractors, Thursday, March 25, 2021

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Laurent Cipriani

Auch in Frankreich protestieren wieder wütende Bauern und lieferten hierbei heftige Bilder. Sie demonstrierten in Städten, fuhren mit Hupen, Fanfaren und Plakaten durch die Straßen und verwandelten Städte in landwirtschaftliche Anwesen, wie Augenzeugen berichteten. Bauern sind bekanntlich gut geübt darin, mit ihren Traktoren Mist auf Straßen und Plätze zu kippen. Tausende von Traktoren rollen in langen Kolonnen durch die Straßen.

Der französische Bauernverband FRSEA und die »Jungen Landwirte« (JA) hatten am Donnerstag zu Demonstrationen unter anderem in Lyon aufgerufen. Fast 200 Traktoren rollten nach Angaben von La France Agricole aus den angrenzenden Departments in die Stadt, weitere Bauen reisten mit Bussen an. Sie fordern faire Preise und wendet sich gegen die künftige gemeinsame europäische Agrarpolitik GAP.

In Clermont-Ferrand rollten mehr als 5000 Bauern mit 700 Traktoren aus den 27 Departments des Zentralmassivs in die Innenstadt. Sie sehen die Landwirtschaft in den Bergen bedroht, in denen außer Viehzucht kaum eine andere landwirtschaftliche Produktion möglich ist. Unter anderem sollen die Beihilfen um 30 bis 50 Prozent gekürzt werden und die Anzahl der Tiere, für die es Beihilfen gibt, soll vermindert werden. Joel Piganiol, Präsident der FDSEA von Cantal: »Und das Tüpfelchen auf dem I ist, dass das Ministerium vorschlägt, die Hälfte der gekoppelten Beihilfen im nationalen Strategieplan auf Pflanzenproteine umzulenken. Das Maß ist voll! Das Überleben des bäuerlichen Berufsstandes und unserer Territorien steht auf dem Spiel!«

Für Patrick Bénézit, Präsident der FRSEA du Massif Central und Copamac-Sidam, »haben die ministeriellen Ankündigungen Fassungslosigkeit, Unverständnis und Wut hervorgerufen! Eine durchschnittliche Reduzierung der gekoppelten Beihilfen um 40 Prozent würde die Tierhalter mit einem bereits sehr niedrigen Einkommen von weniger als 8.000 Euro pro Jahr im Jahr 2020 in einigen Systemen völlig gefährden. Diese Ankündigung ist verheerend für die Viehzüchter im Großraum des Zentralmassivs.«

»Frankreich – willst Du noch Deine Bauern?« fragen sich schließlich französische Bauern und zählen auf Aufklebern Bauern zu den »gefährdeten Arten«.

Der Präsident der Bauerngewerkschaft FDSEA, Damien Greffin, warnt in einem offenen Brief an Präsident Macron und den neuen Landwirtschaftsminister Julien Denormandie vor einer beunruhigenden Lage vor der nächsten GAP-Reform.

Auch in Berlin rollten in dieser Woche wieder Traktoren durch das Regierungsviertel, hatten allerdings gegen den Nachrichtenkarneval um die neuesten Lockdown-Wendungen kaum Chancen auf Aufmerksamkeit. Seit Januar protestieren sie immer heftiger gegen eine Berliner Agrarpolitik, die über die Köpfe der Bauern hinweg die Landwirtschaft vernichten will. Ihre Erträge sinken bereits aufgrund ständig neuer Verordnungen und machen mehr Agrarimporte notwendig.

»Bauern werden ruiniert, Essen importiert« heißt es auf ihren Plakaten und: »Ideologie macht nicht satt«.

Während der Bauernproteste in Europa hat am Freitag die Agrarministerkonferenz Eckpunkte einer nationalen Umsetzung der EU-Agrarreform festgelegt, die noch vor den Bundestagswahlen beschlossen werden soll. Die Agrarminister der Bundesländer wollen, dass künftig 25 Prozent der Direktzahlungen an deutsche Landwirte an sogenannte Umweltauflagen geknüpft werden. Im Gegensatz zum EU-Agrarminister übrigens, die nur 20 Prozent sogenannte »Eco Schemes« will. Ab 2023 sollen zehn Prozent der Direktzahlungen für nachhaltige Landwirtschaft und Ökolandbau fließen.

Die Folge der Beschlüsse der Agrarministerkonferenz: Die Erntemengen in Deutschland werden vermindert, mehr Lebensmittel müssen importiert werden.
In der neuen »grünen« Agrarpolitik klingelt es nur noch so von Begriffen wie Brachflächen, Blühstreifen, Altgrasstreifen, mehr Dauergrünland, Moorschutz.

Es sollen weniger Flächen bewirtschaftet werden, mehr Grünflächen und Randstreifen auf Ackerland angelegt werden. Die Produktivität wird gekappt, damit die Erntemengen verringert und letztlich die Preise erhöht. Praktisch bedeutet das, dass immer mehr kleine landwirtschaftliche Betriebe unter die Räder kommen. Sie haben dieselben horrenden Kosten für Bürokratie und immer neuen Auflagen und Kontrollen zu bezahlen, wie die großen, können dies aber kaum noch erwirtschaften.

Ebenso benachteiligt werden Betriebe, die auf weniger Fläche aufgrund von hohem fachlichen Können und Einsatz moderner Technik relativ viel produzieren. Sie werden für ihre Fähigkeiten, eine hohe Leistung pro Hektar erzielen zu können, bestraft. Aber genau das ist wohl auch das Ziel jener grünen NGOs, die in Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt die Landwirtschaftsministerin vor sich her treiben und die kostengünstige Produktion von Lebensmitteln in Deutschland riskieren.

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