Wie im TE Wecker heute morgen bereits gemeldet, hatte die Polizei am Dienstagabend sogar von ihrer Schusswaffen Gebrauch gemacht. Polizisten gaben Warnschüsse in die Luft ab und schossen offenbar auch gezielt auf einen Traktor.
Die Landwirte hatten bei Heerenveen in der Provinz Friesland eine Autobahnauffahrt blockiert. Auf Videos, die durch soziale Medien gehen, ist zu sehen, wie ein Bauer auf einer Landstraße um eine Kurve wegfahren wollte, als Polizeibeamte ihre Pistolen zogen und auf die Traktoren feuerten. Mindestens ein Traktor wurde getroffen. Durch die sozialen Medien ging ein Bild, das den Treffer zeigt.
Die Polizei sprach von einer bedrohlichen Situation. Doch auf den Videos scheint zu sehen zu sein, dass der Traktorfahrer nicht auf die Polizisten zu hielt, sondern wegfahren wollte.
In dem Traktor sass der 16-jähriger Jouke Hospes. Er wurde festgenommen und in Leeuwarden inhaftiert.
Auf seinem Facebook-Account berichtet Jouke, dass er mit seinem Traktor und Anhänger aus der Reihe der Traktoren hinauslenken und nach Hause fahren wollte. Sie hatten zuvor mit ihren Traktoren im Industriegebiet von Heerenveen eine Pause gemacht. Er habe nach anderen Fahrzeugen Ausschau gehalten, als er plötzlich einen Knall gehört habe. »Ich fahre immer noch ruhig, plötzlich PANG im rechten Ohr, ich glaube, was wird mit mir passieren?« Er sei in Panik davon gefahren und habe kurz darauf gestoppt. Beim Rundgang um seinen Traktor habe er das Einschussloch in einer der dünnen Streben gesehen. Darauf verhaftete ihn die Polizei. Wäre die Kugel nur ein paar Zentimeter seitlich geflogen, hätte sie ihn in der Kabine treffen können.
Jedenfalls habe ihn die Polizei wegen versuchten Mordes verdächtigt und in Handschellen zur Dienststelle gefahren.
Er bedankte sich sehr herzlich für die viele Unterstützung, die er erfahren hatte. In seiner Zelle habe er nichts mitbekommen können, was in den Niederlanden passiert, wurde abends um halb zehn freigelassen.
Hunderte protestierten in der Stadt für seine Freilassung. Auf weiteren Videos sind mehrere Szenen zu sehen, in denen Polizisten mit gezogener Schusswaffe einen Autofahrer und einen anderen Traktorfahrer bedrohen. Ein Video zeigt, wie in Friesland Polizei auf Traktoren schießt.
Ein deutscher Polizist erklärte im Gespräch mit TE, wenn er einen Traktor auf ihn bedrohlich zu rollen sehe, werde er zur Seite springen. Wenn noch genügend Zeit zur Verfügung stünde, die Pistole zu ziehen und offenbar zweimal auf den Träger zu schießen, so bestehe keine unmittelbare Gefahr für den Polizisten. Es sehe nur dann anders aus, wenn er aufgrund einer unmittelbaren Gefährdung für einen Dritten geschossen habe. Dies aber ist auf den Videos nicht zu erkennen.
Das Haus eines der Polizisten, die an der Festnahme des 16-jährigen Bauernsohns Jouke in Heerenveen beteiligt waren, wurde von Gegnern der Stickstoffpolitik belagert, so die Polizeigewerkschaft ACP. Unter anderem wurde in seinem Garten ein Feuer gelegt, sagte der Vorsitzende Wim Groeneweg. Das, was hier geschehe, sei beispiellos, so Groeneweg.
Die Namen der beteiligten Polizisten kursieren im Internet. Dem Polizisten, der geschossen hat, luden wütende Bauern von einem langen Anhänger Silageballen in den kleinen Vorgarten vor seiner Haustür ab. Jeder einzelne von ihnen wiegt bis zu 700 Kilogramm.
In Bleiswijk bei Den Haag hat die Polizei am Mittwoch weitere Landwirte verhaftet, es sollen dem Vernehmen nach 19 sein. Sie hatten Lager von Lebensmittelketten blockiert. Die Polizei liessen die Traktoren abtransportieren.
In Groningen fuhren hunderte Schlepper vor den Flughafen und blockierten ihn. Zu sehen ist auf Videos, wie vor dem Flughafen Groningen offenbar Polizeiagenten in Zivil Demonstranten gezielt greifen und wegzerren.
Innenministerin in Holland ist seit Januar Dilan Yeşilgöz-Zegerius (VVD). Via Twitter meinte sie, die Situation könne nicht eingeschätzt werden, weil online nur ein Teil der Bilder gesehen werden könne. Von ihr wurden Sätze bekannt, Traktoren zu beschlagnahmen, die die Autobahnen blockieren, dafür könnte die Armee eingesetzt werden.
Anlass der Proteste ist die Stickstoffpolitik der niederländischen Regierung: Viele Landwirte stehen vor der Wahl, entweder ihren Betrieb freiwillig für eine Entschädigung aufzugeben und sich zu verbürgen, dass sie nie wieder einen landwirtschaftlichen Betrieb aufnehmen. Oder der Staat nimmt dem Bauern den Hof weg. Stickstoff hat es sogar in die Amtsbezeichnung der Ministerin Christianne van der Wal geschafft (»Minister voor Natuur en Stikstof«).