Das war für die Mehrzahl deutscher Journalisten und Parteien eindeutig die falsche Demo. Ja, wenn die sich für die Anwerbung hunderttausender billiger Erntehelfer aus Afrika eingesetzt hätten, wenn sie laut und vernehmbar ihrem blutigen (Massentierhaltung) und schollenbezogenen (industrielle Anbaumethoden) Geschäft abgeschworen hätten, dann hätten sie sich einer wohlwollenden Berichterstattung sicher sein können. Aber mit schwerfälligen Abgasstinkern einfallen, den Verkehr behindern (für den Münchner Merkur „Traktor-Chaos und Unfälle“) und auch noch mit den ihnen angeblich von der Regierung angehängten Ketten zu rasseln, das war denn doch zu viel.
Schnell zur Tagesordnung übergehen
Von Otto und Ottilie Normalverbraucher mit und ohne Dr. können die Bauersleute leider nur wenig Unterstützung erwarten – ihnen ist der lautstarke und sicher auch (ge)ruchbare (Diesel-Traktoren) Protest der Bauern in deutschen Großstädten mehrheitlich verdächtig. Scheinbar zu kompliziert die Zusammenhänge zwischen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion, zu groß die Diskrepanz zwischen rotbäckigen, PS-starke Wägen steuernden Landeiern und den Schikanen, über die sie sich beschweren. „Bei uns kommt das Brot aus dem Aldi-Regal“ könnte man das wohl übersetzen. Einige Bauern beklagten sich darüber, oft pauschal als Tierquäler und Umweltvergifter verunglimpft zu werden – sogar ihre Kinder würden deshalb in Schulen gemobbt.
Die WELT bemüht sich immerhin, den „explosiven Stimmungsmix, der sich auf dem Lande wegen Existenzangst, immer neuer Regeln und Einschränkungen, Bürokratie und Respektlosigkeit als Bestandteilen zusammengebraut habe“, zu erläutern. Denn was da im Kleinen passiere, „spiegele eine Maßlosigkeit der Kritik, wie sie auch in anderen Bereichen üblich geworden sei … es entstehe „ein Zerrbild der Landwirte, die durchweg verantwortungsvoll mit Flächen und Tieren umgingen …“
Weniger Verständnis ernten die Proteste in anderen Medien, die sich offenbar dem Bauernstand lieber im Zusammenhang mit hochnotpeinlichen Gefühlsnotständen und händeringender Suche nach Beweibung widmen („Bauer sucht Frau“). Klamauk entlang der Linie, an der sich der übersättigte Städter vor seiner Glotze aus vermeintlich sicherer Entfernung ergötzt. Bei vor vollen Kühlschränken sitzendem Publikum kann man sich schenkelklopfenden Beifalles sicher sein, wenn es darum geht, denen eine einzuschenken, die irgendwo in den nebligen Hügeln den Dreck durchpflügen.
Laut der Morgenpost protestierten diese Bauern „immer wieder“, weil sie „sauer auf Klima-Aktivisten und die Hauptstädter seien, die ihre Probleme nicht ernst nähmen.“ Die an die Propagandafront abkommandierten Ministerinnen für Landwirtschaft und Umweltschutz (die sich für einige Zeitungen den Protestierenden „gestellt“ hätten) richteten mahnende Botschaften an die Aufständischen, die gerne zitiert werden: „Wer zu lange warte oder sich gegen Veränderungen und Anpassungen wehre, den würden die Notwendigkeiten umso heftiger ereilen.“ (Klöckner) und Svenja Schulze machte die Landwirte blumig zum Problem, als sie mahnte, dass diese doch eigentlich „Teil der Lösung sein sollten“.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter meinte, sich bei RTL wie folgt äußern zu müssen: „die Bauern verfolgten einen „falschen Ansatz“. „Das Artensterben oder die Verschmutzung des Grundwassers gehe nicht weg, indem man es ignoriere“. „Noch weniger Naturschutz machen, noch mehr Dünger ausbringen, das sei nicht die richtige Antwort.“
Holger Douglas hatte solche, von Sachkenntnis selten getrübten Äußerungen bei TE mit Bezug auf die Rede der bayerischen Landwirtschaftsministerin Kaniber klar eingeordnet: „Es ist lauten NGOs, radikalisierten Tierschützern und städtischen Grünen gelungen, mit inhaltsleeren, aber hoch emotionalen Kampfbegriffen wie Klimawandel, Insektenschutz, Überdüngung, Massentierhaltung all diejenigen auf einen Gegenpol zur Landwirtschaft zu bewegen, die davon genauso viel Ahnung haben wie die Kuh von der Botanik der Pflanzen, die sie frisst. Ein städtisches Publikum, das weder Weizen von Roggen noch Pflug von Egge unterscheiden kann, will Landwirten über Verordnungen ihre Betriebsweise vorschreiben.“
Bei der Tagesschau klingt die Berichterstattung zum Bauernprotest so, als würden sich die Protestierenden hauptsächlich über unzweifelhaft Gutes, also „… die starke Einschränkung des Einsatzes von Unkraut- und Schädlingsgiften zum Wohle der Insekten …“ und „geplante schärfere Auflagen zum … Umweltschutz …“ ärgern.
Beim Tagesspiegel meint man, die dramatische Lage erneut betonen zu müssen, vor deren Hintergrund die unbeliebten Einschränkungen für die Landwirte ergriffen werden müssten, denn „seit 1881 sei die mittlere Lufttemperatur um 1,5 Grad gestiegen … für die Umweltministerin sei es „nicht auszudenken, wenn sich dies in dieser Geschwindigkeit fortsetzen würde…Starkregen und extreme Hitzeperioden würden immer häufiger, dadurch stiege die Zahl der Hitzetoten spürbar.“ Und Umweltbundesamtspräsidentin Maria Krautzberger durfte nachlegen: „Das sei die größte Naturkatastrophe in Deutschland, die man in den letzten 50 Jahren gehabt hätte.“
Focus Online schildert, wie man der Bundesumweltministerin in Berlin den „Rücken zugedreht“, ihren Rücktritt gefordert und sie „gnadenlos“ ausgebuht habe. Obwohl sie darauf verwiesen habe, dass doch „jeder und jede Deutsche 114 Euro pro Jahr für die gemeinsame Agrarpolitik der EU zahlen würden, worüber die Landwirtschaft subventioniert werde.“
Für den MDR ist klar, dass Frau Schulze diese Buh-Rufe von denen, die ihrem „Ärger hätten Luft machen wollen“ just dann geerntet habe, als „sie für klare Regeln zum Schutz von Grundwasser und Insekten geworben habe“. Undankbares Landvolk, auf das nun, so Renate Künast, „nach jahrelanger Untätigkeit beim Umwelt- und Tierschutz Regeln wie eine Tsunami-Welle zukäme.“
Und der SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch habe laut MDR gesagt, dass das EU-Subventionssystem nun „von Masse auf Klasse umgestellt“ werden müsse. In Klartext: der gerne zitierte Gürtel muss auch bei den Bauern nun enger geschnallt werden.
Für die Deutsche Welle waren die Proteste hauptsächlich „bunt, laut und verzweifelt“ und die Bauern darum besorgt, unter dem „Druck der purzelnden Preise …“ noch „…von ihrer Arbeit leben zu können“.
Diese Berichterstattung reiht sich nahtlos ein in den Grundtenor: Da kommen ein paar Landeier mit ihren Treckern „frustriert oder in Wut“ (DW), angezockelt, um der Politik „auf den Pelz zu rücken“. Ohne große Not, um ein bisschen Stimmung (DW) – „Am Wegrand stehen Kisten voller Äpfel, auf einem Unimog bollert ein Grill. Junge Burschen stehen auf den Fahrerhäusern ihrer Trecker und plaudern.“ – zu machen und sich gegenseitig Mut anzudemonstrieren. Wirkliche Sorgen haben sie keine.
Der SWR kommentiert: Zwar mögen „..die Kunden naiv und Umweltschützer hier und da übermotiviert sein…“ aber die hätten „das Recht andere Schwerpunkte zu setzen, als das einem bäuerlicher Unternehmer gefallen möge…das müsse man aushandeln…. Tausende von Traktoren schafften zwar Aufmerksamkeit, aber seien noch keine Argumente.“
Wenigstens gibt der Sender zu, dass es „ehrlicherweise, ohne Verlogenheiten“, so lauten müsse:
„Wir möchten Milch von glücklichen Kühen. Weiden sollen sie auf Blumenwiesen, begleitet von Bienensummen. Saftige Erdbeeren bitte den ganzen Sommer lang. Das Gemüse üppig, alle Produkte regional und natürlich günstig.“
Und äußert Verständnis: das sei für die kopfschüttelnden Hersteller, die Bauern, wohl „schwer zu erfüllen“.
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