Tichys Einblick
Scholz: Habe den Antrag nicht gestellt

Baerbock widerspricht Scholz: Es bleibt bei 2 Mio. Euro/Jahr für NGOs

Kommt jetzt die deutsche Migrationswende? Nein. Aber die Ampelposition zu den Offene-Grenzen-NGOs im Mittelmeer wackelt. Im Etatentwurf für 2024 fehlte zunächst jeder Hinweis auf Zahlungen an die Mittelmeer-NGOs. Dann kam das Dementi des Baerbock-Hauses.


IMAGO / NurPhoto

Für die Zeit nach den beiden Landtagswahlen vom Sonntag wird schon heiter spekuliert, Olaf Scholz könnte eine größere Kabinettsumbildung anstoßen. Nancy Faeser scheitert zunehmend an der Maximierung der Asylzuwanderung bei gleichzeitig ausreichender Akzeptanz in der Bevölkerung. Die Innenministerin ist für den SPD-Kanzler ineffizient geworden. Deswegen könnte sie nach einem schwachen Hessen-Ergebnis ausgetauscht werden. Ähnliches gilt für den Gesundheitsminister, dessen Corona-Panik nicht mehr verfängt, während er das Funktionieren des Gesundheitswesens nicht sicherstellen kann. Auch ein Irrlicht wie Entwicklungsministerin Svenja Schulze ist ohne Frage verzichtbar. Von Arbeitsminister Hubertus Heil hat man lange nichts und zuvor nicht viel Sinnvolles gehört.

Die Veränderungen – vielleicht auch bei den Ministern der FDP und der Grünen – könnten kommen, wenn die Ampelparteien in Hessen und Bayern eindeutig abgestraft, also nicht gewählt werden. Außerdem könnte ein neues Kabinett dem Kanzler auch inhaltlich ratsam scheinen. Denn zumindest in der Migrationspolitik sieht es so aus, also könnte diese Regierung schlicht nicht mehr so weiter machen, wie sie angefangen hat. Auch das entwertet maximal die Position Faesers, die immer zunächst im Stellunghalten bestanden hatte, nicht im ergebnisoffenen Suchen nach Lösungen.

Scholz könnte wissen, dass die Lösungen andere wären. Dies legte jetzt Giorgia Meloni nahe, die sich am Rande des EU-Gipfels in Granada mit dem Kanzler unterhalten hat. Laut der italienischen Presse sagte Meloni im Anschluss, sie habe den Eindruck gewonnen, dass „der Bundeskanzler weiß, dass die von Italien vorgeschlagene Strategie die einzig wirksame ist.“ So habe Scholz seine Unterstützung für die italienischen Bemühungen in Tunesien ausgedrückt, die vielleicht eine noch schlimmere Überfüllung Lampedusas verhindert haben. Scholz wisse, dass „diese Arbeit zu ernsthaften Ergebnissen führen kann“, so Meloni. Außerdem wünschen sich auch andere EU-Länder ähnliche Bemühungen in den anderen Ländern Nordafrikas „und darüber hinaus“.

Meloni: Liste sicherer Herkunftsländer nötig

Meloni glaubt, dass es als nächstes eine einheitliche Liste sicherer Herkunfts- und vielleicht auch Transitländer für die gesamte EU braucht, weil es sonst leicht zu „Problemen bei der Zusammenarbeit der Union mit diesen Ländern“ kommen könne. Das ist immerhin ein Projekt, über das sich zu reden lohnt. Sollte eine Einigung in dieser einfachen Frage nicht möglich sein, müsste man ernsthaft an der Zukunftsfähigkeit der Union zweifeln. Aber nach dem Gefühl der Ministerpräsidentin ist die Migrationsfrage nun zu einer Priorität der Europäischen Union geworden.

Eine der wichtigsten Neuigkeiten aus dem Zweiergespräch kann man allerdings nicht in der italienischen Presse lesen. Wie Bild berichtet, hätte Olaf Scholz das eigene Scheitern so sehr eingesehen, dass er zugesagt hat, vom nächsten Jahr an keine Steuergelder mehr an sogenannte Nichtregierungsorganisationen (NGO) zu überweisen, die im zentralen Mittelmeer rund um Italien agieren. Im Etatentwurf des Auswärtigen Amtes fehlt angeblich ein entsprechender Vermerk, und dabei soll es sich laut Haushältern nicht um ein Versehen handeln. Damit würde die Fördersumme von acht Millionen (vier Jahre) auf zwei Millionen Euro (für ein Jahr) schrumpfen. Davon sind schon gut 1,5 Millionen Euro an NGOs vergeben, nämlich 790.000 Euro an eine deutsche Tochter der deutsch-französischen Nichtregierungsorganisation „SOS Méditerranée“ (den in Berlin residierenden Verein „SOS Humanity“ mit einem Schiff, das gerade in Sizilien liegt), 400.000 Euro an die Communità di Sant’Egidio in Rom, die Migranten aus Afrika und Asien beherbergt aber auch mit Visa versorgt, und 365.000 Euro an den Regensburger Verein „Sea-Eye“ mit einem Schiff, das derzeit in Spanien vor Anker liegt.

Was hat Scholz Meloni versprochen?

Das grüne Spiel mit den NGOs soll also nicht in die Verlängerung gehen, wenn der Bild-Bericht stimmen würde. Scholz soll in Granada hervorgehoben haben, dass er „den Antrag nicht gestellt“ habe und dass das auch seine Meinung zu dem Thema sei, dass er den Antrag nicht gestellt habe, was wirklich sehr nach Scholz klingt. Hat er damit eine inhaltliche Festlegung mal wieder erfolgreich vermieden? Es schaut so aus.

Trotzdem war das schon der zweite und dritte Stoß vor den Bug, den Olaf Scholz seiner grünen Außenministerin verpasst hat. Erst musste sie ihren negativen Widerstand gegen die EU-Krisenverordnung einstellen. Nun muss sie anscheinend die „positive“ Finanzierung von NGOs im Mittelmeer einstellen. Das aber käme einer Enthauptung Baerbocks gleich, und so war Widerstand zu erwarten. Wenn die Ministerin schon im EU-Nahbereich in solcher Weise beschädigt wird, sich im Grunde durch törichte Positionen selbst beschädigt hat, wie sollte sie im großen Spiel der Weltmächte tragbar bleiben? Vielleicht muss Scholz nicht nur sein Kabinett umbilden, sondern auch noch seinen Koalitionspartner austauschen, um nach den Wahlen vom Wochenende auf irgendeinen grünen Zweig zu kommen.

Aber das Baerbock-Ministerium hat nun prompt kontra gegeben und behauptet, dass es eben doch nur ein leidiger Fehler gewesen war, die Summen für die Jahre 2024 bis 2026 nicht ausgewiesen zu haben, ein „technisches Versehen“. Die Projekte „an Land und See“ würden weiter fortgeführt. Unklar ist aber: Was hat Scholz nun eigentlich Meloni in Granada versprochen? Wird die Weigerung aus dem Auswärtigen Amt zu einem neuen Eklat mit Italien führen? Fraktionschefin Britta Haßelmann sekundierte der Außenministerin: „Es ist gut, dass das Parlament eine Unterstützung in Höhe von jeweils zwei Millionen Euro pro Jahr bis 2026 beschlossen hat, gemeinsam als Ampel und mit Union und Linke Wir sind uns sicher, dass das gilt.“ Die Deutschen stehen zu ihrem Moralehrenwort, komme, was da wolle.

Es bleibt bei der Einmischung in italienische Angelegenheiten und Zweckentfremdung deutscher Steuergelder

Die SPD-Spitzenkandidatin bei den Wahlen zum EU-Parlament, die blasse Katarina Barley, fand nun, dass wer Kritik an der zivilen „Seenotrettung“ übt, seine „moralischen Standards“ überprüfen müsse. Offenbar hat die Öffentliche Stelle für Moralgewinnung in dieser Sache einen bindenden Beschluss vorgelegt und Frau Barley mit der Umsetzung betraut. Anders kann man sich diese Erklärung nicht mehr erklären. Die Nachrichtenagentur dts kommentierte trocken: „Zuvor hatte … Elon Musk die staatliche Unterstützung für private Seenotretter kritisiert – und einen Wahlaufruf für die AfD geteilt.“

Allerdings sah es nie wirklich so aus, also wolle die Bundes-Ampel die restlichen 6,5 Millionen Euro einsparen und wieder den deutschen Bürgern zur Verfügung stellen. Die Gelder sollten, so berichtete es die Bild noch gestern, dennoch in die „Asylindustrie“ Italiens fließen. Es bliebe auch in diesem Fall bei der deutschen Einmischung in die italienische Innenpolitik und bei der Nudelung des Aufnahme- und Willkommensprogramms für neue Asylbewerber.

Das wäre aber ebenso wenig vom Verfassungsauftrag gedeckt wie die Zuschüsse für die Schlepper-Helfer. Denn die deutschen Steuerzahler haben keine Verantwortung zur Finanzierung italienischer Aufnahmeeinrichtungen. Deutschland ist noch immer der Asylmagnet Europas, wie auch die Zahlen der gestellten und angenommenen Asylanträge 2022 zeigen. Während in Deutschland schätzungsweise mehr als die Hälfte der 244.000 gestellten Asylanträge positiv beschieden werden, sind es in Frankreich nur ein Viertel von insgesamt 156.000 Anträgen, in Spanien und Italien ein Drittel von 118.000 bzw. 85.000 Anträgen, während Österreich sogar nur etwa 6,5 Prozent seiner Asylanträge anzuerkennen scheint.

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