Die Frankfurter Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen Peter Feldmann, den Oberbürgermeister der Stadt, erhoben. Der Vorwurf: Vorteilnahme im Amt. Dies meldete der Hessische Rundfunk am Montagabend mit Bezug auf „Justizkreise“. Bevor es zu einem öffentlichen Strafprozess kommen kann, muss das Gericht die Anklage jedoch noch zulassen. In Paragraf 331 des Strafgesetzbuches heißt es: „Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Feldmann selbst will noch nichts von einer Anklage wissen: „Da weiß die Presse wohl mehr als ich“, zitiert ihn die FAZ. Die Anklage stehe auf „tönernen Füßen“, so Feldmann: „Falls es stimmt, erkläre ich hiermit Folgendes: Endlich – ein Verfahren gibt mir die Möglichkeit, mit den maßlosen Verdächtigungen aufzuräumen.“
Im Zentrum der Anklage steht die Ehefrau des Bürgermeisters.
Zübdeye Feldmann: Blitzkarriere für die Oberbürgermeistergattin
Enthüllungen um Zübeyde Feldmann waren der Anlass, der den Frankfurter AWO-Skandal aus der Regionalpresse heraus und auf nationale Ebene hievte. Karrierestufen in Beamtenapparaten sind ebenso vorhersehbar wie planbar – und die AWO ist ein nicht-staatlicher de-facto-Beamtenapparat, zahlt nach Tarifvertrag des öffentlichen Diensts. Das galt aber nicht für Zübeyde Feldmann: Die Quereinsteigerin rückte innerhalb kürzester Zeit in eine Gehaltsstufe vor, die sonst erst nach 17 Jahren Arbeit erreicht wird.
Von dem überhöhten Gehalt will Peter Feldmann nichts gewusst haben. Auch, dass die Kita-Leiterin einen Dienstwagen (Ford Focus) erhielt, schien ihn nicht stutzig zu machen, als er mit dem Auto mit dem Kennzeichen F-AW – AW wie in Arbeiterwohlfahrt – in die Arbeit fuhr.
Der Skandal zusammengefasst in drei Artikeln:
OB Feldmann: Den großflächigen Betrug ermöglichte erst er
Peter Feldmann ist eine der Schlüsselfiguren im AWO-Skandal. Diverse Geschäftsführer und Vorstände hatten Millionenschäden verursacht, indem sie Gelder für Kitas und Altersheime mit plumpen aber effektiven Tricks in die eigene Tasche leiteten. Das wurde möglich, weil das Ehepaar Jürgen und Hannelore Richter in Frankfurt und Wiesbaden jeweils Geschäftsführer- und Vorstandsposten übernommen hatte und sich gegenseitig kontrollierte. Die anderen Kontrollorgane der AWO wurden ebenfalls korrumpiert: mit Dienstwagen, Reisen, Aufwandsentschädigungen.
Doch die AWO ist kein einfaches Unternehmen: Ihre Aktivitäten werden maßgeblich aus der Staatskasse bezahlt. Peter Feldmann sorgte, noch als Stadtverordneter, dafür, dass die Verwaltungskosten der AWO, die mit der Stadt abgerechnet werden, nur noch pauschal und nicht einzeln aufgeschlüsselt abgerechnet werden. Wundert es da, dass Feldmann vor seiner Tätigkeit als OB bei der AWO beschäftigt war, in einer Position, die vor seinem Antritt nicht existierte und danach nicht wieder nachbesetzt wurde? Die „Stabsstelle für Belegungsmanagement“ war möglicherweise kaum mehr als eine Versorgungsstelle.
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Der Müller geht nur schleppenden Fußes zur Arbeit
Die Staatsanwaltschaft hat nun Klage eingereicht, dabei ging der AWO-Skandal bereits 2019 durch die Presse. Schon vorher waren dieselben Informationen der Staatsanwaltschaft anonym zugespielt worden. In Frankfurt mahlen die Mühlen der Gerechtigkeit eben langsam; der Müller geht nur schleppenden Fußes an die Arbeiterwohlfahrt. Es dauerte bis in den Sommer 2020, bis es zu Durchsuchungen kam. Die Finanzämter sind normalerweise nicht für ihre Großzügigkeit bekannt. Das die Finanzämter Frankfurt und Wiesbaden nicht gemerkt haben wollen, dass beispielsweise AWO-Vorstände eine monatliche Kostenpauschale von 4.500 € für die dienstliche Nutzung des eigenen Jaguars erhielten, macht mehr als stutzig.
Besonders dann, wenn schon ein dienstlicher Kleinwagen existiert, in dem sich Jürgen Richter dann von seiner persönlichen Referentin bei Terminen vorfahren ließ. Der Jaguar wäre dann doch nicht angemessen gewesen.
Die AWO selbst hat Aufklärung versprochen. Im August 2021 forderte die AWO Frankfurt von der AWO Wiesbaden 3,2 Millionen Euro zurück, die durch Spenden- und Arbeitsüberlassungstricksereien von einer AWO in die andere geleitet wurden – und dort versickerten. Der Schaden, der Stadt und Land dabei entstanden ist, ist noch nicht beziffert, TE-Recherchen kamen aber in der Vergangenheit zu dem Schluss, dass es sich dabei auch um sechs- bis siebenstellige Beträge handeln müsste. Die engen Verflechtungen zwischen AWO und SPD, die bis in die Bundespolitik hinaufreichen, könnten dabei hilfreich gewesen sein.
Doch das sind nur die Vorwürfe, die der Staatsanwaltschaft schon im Dezember 2019 zugespielt wurden. Seitdem sind noch weitere, immer bizarrere Fälle ans Licht gekommen, nicht selten durch Artikel von Volker Siefert im Hessischen Rundfunk, der kontinuierlich den AWO-Skandal beleuchtet – und der nun auch die Anklageerhebung meldete.
Die Skandale reichen von Teemaschinen für 1.200 €, die in privaten Vorstandsküchen landeten, zur Verurteilung des Ex-Geschäftsführers Jürgen Richter zu einer Strafe von 120 Tagessätzen zu 80 € (macht 9.600 €), weil er einen unrechtmäßigen Doktortitel führte.