Tichys Einblick
Ricarda Lang, Kevin Kühnert und Co

Aufgegeben: Eine gescheiterte Politiker-Generation tritt ab

Es mehren sich die Fälle von Politikern, die weit vor ihrem Rentenalter den Job aufgeben. In dem Wissen, weich zu fallen. Und in dem Gefühl, nicht gescheitert, sondern zutiefst missverstanden zu sein.

IMAGO - Collage: TE

Der wird doch eh versorgt. So lautete eine der Reaktionen, die Leser am häufigsten zu den Berichten über Kevin Kühnert abgegeben haben. Als Generalsekretär der SPD hört er mit sofortiger Wirkung auf, als Bundestagsabgeordneter will er noch bis zur nächsten Wahl weitermachen. Um sich im „Kampf gegen Rechts“ zu engagieren – und um weiter 11.000 Euro Gehalt und 5000 Euro steuerfreie Unkostenpauschale vom Steuerzahler zu kassieren.

Ein 35-Jähriger bricht seine Berufslaubahn ab. Offiziell aus gesundheitlichen Gründen. Mitleid bekommt er aber nur aus den eigenen Reihen. Der wird doch eh versorgt, lautet stattdessen die Reaktion auf dieses Schicksal. Die aktuelle Politiker-Generation beschäftigt sich stark mit der Frage, warum sie so wenig angesehen ist: Sie verabschiedet Gesetze, die es unter Strafe stellt, sie mit Kritik zu belasten. Sie verabschieden Gesetze, die Regierungskritik zu „Hass und Hetze“ und ebenfalls strafbar macht und im Netz sofort gelöscht werden kann. Und sie suchen nach allen möglichen Ursachen für die fehlende Beliebtheit: Putin, das Internet, die AfD, „Hass und Hetze“, Putintrolle, rechte Medien, russischer Einfluss… Ihre Phantasie ist grenzenlos.

Fast grenzenlos. Eine Grenze hält diese Politiker-Generation penibel genau ein: Sie. Sie selbst. Sie sind auf gar keinen Fall, nie und nimmer nicht, daran Schuld, dass sie so schlecht angesehen sind. Etwa weil ein 35-Jähriger zwei Studiengänge nicht zu Ende bringt, trotzdem als Doppelverdiener einen hohen fünfstelligen Betrag im Monat verdient, aber dennoch alles hinwirft – und keiner Mitleid mit ihm hat. Weil alle wissen: Der wird eh versorgt. Und weil diese Kommentatoren damit recht behalten. Diese Politiker-Generation könnte auf diese Form der bedingungslosen Selbstversorgung verzichten, um ihren Ruf in der Bevölkerung zu reparieren. Doch eher sind sie bereit, Grundgesetz und Grundrechte zu pulverisieren, als selbst etwas für den eigenen Ruf zu tun.

Dass diese Politiker-Generation schlecht ausgebildet ist, setzt sich allmählich als breites Wissen durch. Wie wehleidig sie ist, kommt allmählich rüber. Denn immer mehr dieser Politiker brechen ihre Berufslaufbahn ab. Sie werfen die gut bezahlten Jobs hin, im sicheren Wissen, dass der Apparat sie wieder mit anderen, gut bezahlten Jobs versorgen wird. Sie reden anderen ein, vor allem aber sich selbst, sie würden gar nicht aufgeben oder es sich bequem machen. Sie verkaufen sich stattdessen als Opfer von „Hass und Hetze“, denen sie sich nicht mehr entgegenstemmen könnten. Da fühlt es sich gleich viel heroischer an, sich eh versorgen zu lassen.

Zu den Politikern, die jetzt aufhören und „Hass und Hetze“ die Schuld an ihrem Rückzug geben, gehört eine der vielen Vize-Präsidentinnen des Bundestags, Yvonne Magwas. Die 44-Jährige ist mit dem ehemaligen Ostbeauftragten, Marco Wanderwitz (CDU) zusammen. Der hat sein Amt in der Bundesregierung vor allem dazu benutzt, den Ostdeutschen Demokratiedefizite und Nähe zum Rechtsextremismus zu unterstellen. Und trotzdem stößt Magwas in ihrer Heimat nicht ausschließlich auf Gegenliebe? Shocking. Der Paragraph 188 des Strafgesetzbuches sollte nicht nur die Kritik an Politikern kriminalisieren – er sollte auch ein Mindestmaß an Liebe definieren, das Untertanen ihren Politikern entgegenbringen müssen.

Wobei FDP, SPD und Grüne in dieser Wahlperiode schon das Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet haben. Das sorgt dafür, dass jeder mit einem halben Bein in der Strafverfolgung steht, der die Biografie von Tessa Ganserer erzählt. Ganserer startete auf den Hinterbänken des bayerischen Landtags mit dem Aufgabenbereich: „Fragen des Öffentlichen Dienstes“. Damals hatte ens noch das Geschlecht, dessen Name nicht genannt werden darf.
Dann entdeckte Ganserer, dass sie kein Ihr wisst schon was ist, sondern eine Frau. Ein fürchterlicher innerer Konflikt. Ein harter Kampf mit einer feindlichen Öffentlichkeit. Aber auch ein Listenplatz, der für Frauen reserviert ist. Nun können Pensionsansprüche, 11.000 Euro Gehalt und 5000 Euro steuerfreie Unkostenpauschale nicht den seelischen Aufruhr lindern, der entsteht, wenn ens das Dunkle Geschlecht verlässt. Doch für Ganserer war es ein Versuch wert. Jetzt weicht ens aber „Hass und Hetze“, tritt nicht wieder für den Bundestag an und wartet darauf, eh versorgt zu werden.

„Hass und Hetze“ weicht Ganserer aus. Nun ist auch die böse Überlegung möglich, dass die Grünen künftig weniger Plätze im Bundestag einnehmen werden. Wegen der schlechteren Ergebnisse und wegen einer Reform, die Plätze im Parlament generell limitiert. Ganserer hätte also vermutlich eh keine Chance mehr, in den Bundestag einziehen zu können. Aber das zu behaupten könnte eine Majästätsbeleidigung nach Paragraph 188 sein. Wer von der grünen FDP regiert wird, kann wirklich kaum noch frei über ens Bundestagsabgeordnetes berichten.
Ricarda Lang ist mit 30 Jahren die Jüngste, die jetzt ein Amt aufgegeben hat. Wikipedia feiert sie als „Erstes offen bisexuelles Mitglied des Bundestags“. Nun dürfte dieses Attribut wenig helfen, wenn Lang auf dem Bau anfangen will, in der Pflege oder in der IT-Branche. Als Erste offen bisexuell gewesen zu sein, gilt nur im Politik-Geschäft als Ausbildungsmerkmal – das sogar ein abgebrochenes Studium in den Schatten stellt.

Lang hat aber von allen jetzt Zurückgetretenen die besten Chancen, in der Politik zu bleiben. Jetzt hat sie erstmal Robert Habeck Platz gemacht. Sie hat die Schuld für bisherige Versäumnisse auf sich genommen und dem „Wirtschaftsminister“ die Bühne überlassen. Scheitert der nächstes Jahr als Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl, wäre Lang mit einem Schlag rehabilitiert und könnte mit 31 Jahren nahtlos weitermachen. Ganz ohne zwischenzeitlich versorgt werden zu müssen.

Die Eingangsfrage beantwortet sich indes von selbst: Warum lassen sich ausscheidende Politiker so gut versorgen, obwohl das dem Ruf ihres Berufsstandes weiter schadet? Weil sie darauf angewiesen sind. Eine schlecht ausgebildete Generation, die gut ausgebildeten Bürgern bis in deren Haus und Privatleben hineinregiert. Eine Generation, die ratlos davor steht, dass Ärzte, Anwälte oder Architekten nicht auf Lebensrichtlinien von Studienabbrechern warten. Dass gut ausgebildete Bürger sogar verärgert reagieren, wenn ihnen die Abbrecher ihre Weisheiten trotzdem aufdrängen wollen.

Diese Generation von Politikern ist darauf angewiesen, ein Leben lang Politik zu machen. Sie ist aber nicht bereit, diese Aufgabe durchzuhalten. Weil ihre Unfähigkeit auf keine Gegenliebe stößt, verabschieden sie Gesetze, die Kritik kriminalisiert. Doch sie stehen immer noch ratlos davor, unfähig und trotzdem übergriffig zu sein, jede Kritik beleidigt abweisen und trotzdem dafür nicht gefeiert zu werden. Daher flüchten sie jetzt, unzufrieden und beleidigt mit einer Welt voller Putintrolle, Hass und Hetze und rechter Propaganda. Wie unerträglich wäre es, dabei nicht wenigstens eh gut versorgt zu sein.

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