Tichys Einblick
SPD im Umfragetief

Auch Kanzlerkandidat Scholz bringt keine Wende

Die SPD kann die von ihrem Kanzlerkandidaten Scholz verkündeten Wahlziele nur erreichen, wenn sie in großem Umfang Wähler, die zur Union und zur AfD abgewandert sind, wieder zurückgewinnt. Das scheint ihr aber, wie neueste Umfragen zeigen, nicht zu gelingen.

imago images / biky

Die SPD verharrt seit der letzten Bundestagswahl in einem Umfragetief von unter 20 Prozent. Nachdem sie die Erfahrung machen musste, dass ihr die Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zu ihrem neuen Vorsitzenden-Duo bei den Wählern so gut wie keine zusätzlichen Stimmen einbrachte, soll nun Kanzlerkandidat Olaf Scholz die erhoffte Wende bringen. Er will gemäß eigener Verlautbarungen die SPD in Umfragen auf bis zu 25 Prozent steigern und so die Partei endlich wieder ins Kanzleramt führen.

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Dies setzt allerdings voraus, dass der angekündigte Zuwachs in erster Linie zu Lasten der Union gehen müsste, die derzeit laut allen Umfragen mit mehr als doppelt so vielen Stimmen wie die SPD rechnen kann. Viele ehemalige SPD-Wähler, die die Union unter Merkel seit dem Jahr 2005 hinzugewonnen hat, müssten wieder zur SPD zurückkehren, um dem Ziel, mit der Union am Wahltag 2021 gleichzuziehen oder sie gar zu übertreffen, näherzukommen. Hinzu kommen die seit 2015 zur AfD abgewanderten ehemaligen SPD-Wähler, die maßgeblich mit dazu beigetragen haben, dass die SPD im Bund inzwischen unter die 20-Prozent-Marke gefallen ist. Auch sie müssten wieder die SPD wählen, um dies zu ändern.

Beides wäre jenseits aller inhaltlichen Fragen allenfalls denkbar, wenn die Wähler von Union und AfD sicher sein könnten, dass sie mit ihrem Wechsel zur SPD nicht zusätzlich den Grünen und der Linken ins Amt verhielfen. Genau eine solche Koalition streben Esken und Walter-Borjans aber erklärtermaßen an, während Scholz sich diesbezüglich bedeckter hält und wohl eher auf eine Koalition mit den Grünen und der FDP spekuliert. Diese dürfte zwar auf manchen Unions-Wähler weniger abschreckend wirken als die Aussicht, mit der Wahl der SPD nicht nur die Grünen, sondern auch die Linke in eine Regierung zu wählen; die zur AfD abgewanderten ehemaligen SPD-Wähler lehnen hingegen jegliche Koalition mit den Grünen ab, egal ob als dritter Partner die Linke oder die FDP mit im Boot wäre. Mit ihren Stimmen kann die SPD daher keinesfalls rechnen, solange sie eine Koalition mit den Grünen anstrebt.

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Die Chancen der SPD, in größerem Umfang Wähler der Union und der AfD (wieder) für sich zu gewinnen, sind vor diesem Hintergrund, vorsichtig ausgedrückt, recht bescheiden. Ohne einen solchen Hinzugewinn kann sie aber ihr bislang erklärtes Ziel, keine erneute Koalition mit der Union einzugehen und sie stattdessen aus dem Kanzleramt zu verdrängen, nicht erreichen. Nach den derzeitigen Umfragen liegt eine Koalition aus SPD und Grünen sowohl mit den Linken wie der FDP bei 40 bis 42 Prozent und damit weit entfernt von aller Aussicht auf eine rechnerische Mehrheit. Rund zehn Prozent Unions-Wähler müssten zu den Grünen, zur SPD, zur Linken und zur FDP abwandern, um dies zu ändern. Ein Szenario, dessen Eintritt allenfalls vorstellbar ist, wenn vor der Bundestagswahl das Thema Klimakrise wieder die Schlagzeilen bestimmen und die Grünen nach oben spülen sollte.

Solange indes die Corona-Krise fortdauert, ist jedoch eher damit zu rechnen, dass die mit ihr verbundenen Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft weiterhin das politische Klima prägen, das bislang vor allem der Union zugutekommt. Das kann sich zwar ändern, wenn die wirtschaftliche Krise sich so sehr verschärft, dass die Stimmung der Wähler sich gegen die Regierung wendet. Das würde aber nicht nur die Union, sondern auch die SPD treffen und wohl auch den Grünen nichts nützen. Deren Themen und Zustimmung in der Wählerschaft leben nicht zuletzt davon, dass die Wirtschaft prosperiert. Das wäre bis zur Bundestagswahl aber nur dann zu erwarten, wenn im kommenden Jahr wider Erwarten ein starker wirtschaftlicher Aufschwung einsetzt. Dass davon die SPD zulasten der Union profitieren würde, ist allerdings wenig wahrscheinlich. Das Wählerreservoir der Union bleibt für die SPD somit in allen denkbaren Konstellationen weitgehend verschlossen. Zuwächse muss sie daher wohl eher in den Revieren der Grünen und der Linken generieren.

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Rückkehrer oder Neu-Zuwächse aus deren Wählerschaften würden die SPD zwar wie von deren Führung gewünscht stärken, ihre Aussicht auf eine von ihr geführte Koalition ohne Union aber nicht verbessern, sondern nur die Gewichte im grün-roten Lager verschieben. Solche Zuwächse sind für die SPD einfacher zu generieren, da die fraglichen Wähler gemäß der Aussagen der Parteiführung sicher sein können, mit ihrem Kreuz bei der SPD nicht der Union indirekt ins Regierungsamt zu verhelfen. In der rot-grünen Wählerschaft geht es vorrangig um die Frage, ob man eher die Grünen oder die SPD zur stärksten Kraft im eigenen Lager machen möchte. Hier kann die SPD aufgrund der Corona-Krise ihre wirtschafts- und finanzpolitische Kompetenz gegen die in dieser Hinsicht sichtlich dilettierenden Grünen stärker in die Waagschale werfen. Von deren Vorsitzenden-Duo Annalena Baerbock und Robert Habeck wollen selbst manche grünen Wähler nicht durch wirtschaftlich schwere Zeiten geführt werden.

Sollte sich dadurch die Waage im grün-roten Lager so bis zur Bundestagswahl zugunsten der SPD neigen, würden sich ihre Chancen, anstelle der Grünen erneut als Juniorpartner der Union weiterregieren zu können, deutlich verbessern. Diese Option weist die Parteiführung derzeit wohlweislich weit von sich, würde sie damit doch die Chancen der SPD, mit Hilfe grün-roter Wähler wenigstens die 20-Prozent-Marke wieder zu überschreiten, gänzlich schmälern. Die derzeitigen Umfragen sprechen jedenfalls dafür, dass es Scholz allenfalls gelingen könnte, die Position der SPD innerhalb des grün-roten Lagers zu stärken. So kommen wenige Tage nach seiner Nominierung Kantar und INSA am 16./18. August zu einem Ergebnis von 18 Prozent für die SPD und 16 Prozent für die Grünen. Dieses Verhältnis verkehrte sich laut Forsa vom 22. August allerdings schon wieder in ein Ergebnis von 16 Prozent für die SPD und 19 Prozent für die Grünen. Das Rennen um Platz zwei hinter der Union ist somit gerade erst eröffnet. Diese liegt hingegen bei allen drei Instituten derzeit stabil bei 36 Prozent.

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