Tichys Einblick
Solidarität mit Stürzenberger

Attentat in Mannheim: „Deshalb brauchen viele Islamkritiker Polizeischutz“

Man könnte denken, dass etwas aufbricht in der Diskussion um Islamkritik in Deutschland. Ein terroristisches Messerattentat weist auf eine Realität hin: In Deutschland lebt man als Islamkritiker gefährlich.

picture alliance/dpa | Uwe Anspach

In Mannheim wurde der Islamkritiker Michael Stürzenberger, Bürgerbewegung Pax Europa (BPE), ehemals „Die Freiheit“, zuvor CSU, von einem jungen, bärtigen Mann mit einem aufwendig gestalteten Messer angegriffen. Kurz vor Beginn einer Veranstaltung auf dem Marktplatz in der Innenstadt – die ironischerweise eine Messerverbotszone ist – konnte das Geschehen fast vollständig im Video festgehalten werden. Etwas abseits eines kleinen Standes mit Informationsmaterial hieb der Täter auf Stürzenberger ein, der zurückwich, bevor beide zu Boden gingen. Der agile Täter hackt in diesem Moment immer wieder in die Richtung von Stürzenbergers Kopf, später sieht man eine Wunde am Oberschenkel des Opfers. Stürzenberger musste mit Verletzungen im Gesicht notoperiert werden, war aber nicht in Lebensgefahr.

Nun scheinen einige aufzuwachen. Sogar der innenpolitische Sprecher bei den Bundestags-Grünen, Konstantin von Notz, erkannte in der Bild „eine schreckliche und grauenhafte Tat“. Die Terrorgefahr „aus dem Bereich Islamismus“ sei nach wie vor hoch. Von Notz machte aber einen Unterschied: Dem verletzten Polizisten galt demnach „unsere“ (seine) „ganze Solidarität“. Dem anderen Verletzten wünschte von Notz eine gute Genesung. Vor allem macht er sich aber um die allgemeine Sicherheitslage während der kommenden Fußball-EM Sorgen und sichert Polizei und Nachrichtendiensten „in den nächsten Wochen und Monaten alle politische Unterstützung“ zu.

Für den Psychologen und Publizisten Ahmad Mansour ist die Tat „ganz klar Islamismus, also eine religiös motivierte Tat“. Von einem Einzeltäter will Mansour nicht sprechen, vielmehr stehe „eine ganze Industrie dahinter“. Viele Islamkritiker könnten eben deshalb nicht mehr ohne Polizeischutz aus dem Haus gehen. Das sind klare Worte, auch wenn sich Mansour auf X später von vielen „Inhalten von Herrn Stürzenberger“ distanzierte:„Das spielt aber keine Rolle, wenn es darum geht, Gewalt zu verurteilen, wenn ein Mensch derart hinterhältig angegriffen wird. In einer Demokratie sollten die gewaltbereiten Extremisten Angst haben und nicht ihre Kritiker.“

Es war nicht Stürzenbergers erste Begegnung mit der Gewalt

Auch in Stürzenbergers Fall war die Polizei am Ort, schritt aber knapp zu spät ein. Vor allem unterlief ihr ein folgenschwerer Fehler. Nachdem herbeieilende Helfer den Terroristen von seinem primären Ziel, Michael Stürzenberger, entfernen konnten, ergriff ein Polizist, der offenbar als erster den Ort erreichte, ausgerechnet einen der Ordner und fixierte ihn am Boden. Der Angreifer konnte so erneut zuschlagen und griff just diesen Polizisten am Hals an – zweimal, mit angeblich lebensbedrohlichen Folgen. Dann wurde er durch einen Schuss eines anderen Polizisten außer Gefecht gesetzt.

Stimmte da vielleicht das innere Bild von Täter und Opfer nicht mit der Wirklichkeit überein? Oder entspricht es dem Polizeiprotokoll, hier zunächst zivile Helfer zu isolieren? Es wäre ein sehr unkluges Protokoll. Insofern dürfte ein Fehler vorliegen.

Michael Stürzenberger hatte es schon einmal einem Gesprächspartner angeboten, wie ein Video zeigt. Seit Jahren zieht er nun durch die Lande und findet sich häufig im Gespräch mit jungen Muslimen wieder, die ihm die Realität einer islamischen Machtübernahme gerne erklärt haben. In einem Video versichert ihm ein junger Muslim mit schwarzem Bart, dass er den Blogger und Aktivisten verfolgen und finden werde, um ihn mit einem Messer anzugreifen, sehr wahrscheinlich in mörderischer Absicht. Stürzenberger hielt da in christusgleicher Manier den Hals hin und bat ihn, gleich hier zuzuschlagen. Bei dem jungen Mann aber waren es im Licht der Kamera nur Worte. Daneben wurde Stürzenberger immer wieder physisch angegriffen, ob aus der Ferne (per Wurfgeschoss) oder im Nahkampf, wie das informative Video zeigt. Und man hat den Eindruck, dass den Angreifern nicht viel mehr droht als eine Versetzung im Raum um wenige Meter.

„Stich ins Herz der Demokratie“

Für Boris Palmer, den parteilosen Oberbürgermeister von Tübingen, sind „Angriffe auf Andersdenkende und die Polizei … ein Stich ins Herz der Demokratie“. Man denkt an die zunehmenden Angriffe auf Wahlkämpfer, egal welcher Partei, wobei nicht alle Parteien gleichermaßen betroffen sind. Traditionsdampfer wie die SPD leiden sicher weniger als Neugründungen wie die AfD. Die Genossen schrien aber lauter, als sie angegriffen wurden und gebärden sich seitdem als Opfer. Dabei sind sie es, die oft genug andere Parteien ausgegrenzt und damit implizit zum Abschuss freigegeben haben.

Doch dieser Angriff ist nicht nur eine Aggression im Wahlkampf, nicht nur ein Luftablassen, weil ein Politiker sich ins „falsche Revier“ gewagt hat. Es ist die pure und unmissverständliche, mörderische Gewalt, die einen zuvor immer wieder herauspräparierten Gegner betrifft, der radikalen Muslimen offenbar ein Dorn im Auge ist.

Rainer Wendt sieht „zwei Extremisten“

Allerdings sehen die Sache auch gar nicht alle wie Palmer. Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) und Mitglied von CDU und CSU, meinte im Fernsehen von Welt, dass hier „zwei Extremisten“ aufeinandergetroffen seien. Was Stürzenbergers offizielle Einstufung als „Extremist“ angeht, ist die aber seit 2023 nicht mehr so klar. Aktuell erscheint weder er noch die Bürgerbewegung Pax Europa (BPE), für die er auftritt, im bayerischen Verfassungsschutzbericht. Vorher hatte der bayerische Verfassungsschutz in Stürzenbergers Fall, der einst in der CSU München war, von „verfassungsschutzrelevanter Islamfeindlichkeit“ gesprochen, die sich „auch außerhalb des Rechtsextremismus“ als „neue, eigenständige Extremismusform“ etabliert habe. Das tut der Landesverfassungsschutz seit 2023 nicht mehr. Nur ein alter Internet-Eintrag ist geblieben.

Aber auch wenn „radikale Islamkritik“, wie es manchmal schon heißt, wirklich eine verfassungsgefährdende Haltung wäre – was man sehr bezweifeln darf –, zeigt der Mordversuch an Stürzenberger wie die Rollen in diesem Spiel verteilt sind. Die islamkritische Bewegung BPE betont in einem ihrer Transparente, dass Islamkritik die eigentliche Verfassungstreue sei. Vielleicht sieht man das inzwischen auch an offizieller Stelle so.

Wenige Tage erst ist es her, dass in Berlin am Alexanderplatz zur „Vernichtung aller Ungerechten“ aufgerufen wurde, jener Akteure nämlich, die Israel „bei diesem Völkermord“ unterstützen. Auf der BPE-Veranstaltung war laut Bild neben der Deutschland- auch eine Israel-Flagge aufgestellt.

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