In Deutschland lebende Asylbewerber reisen in großer Zahl zum Urlaub in ihre Herkunftsländer. Diese Nachricht ist nicht neu, sie kommt immer mal wieder hoch, nun schon im verflixten siebten Jahr. Wie viele Reisen es jährlich sind, lässt sich nicht sagen, zum einen weil die Asylbewerber ihre Heimatreisen mit allerlei Tricks verhehlen. Zum anderen haben sich aber auch deutsche Behörden und Ministerien nie darum bemüht, hier einen Über- oder Einblick zu bekommen.
Einen Hinweis könnte die Zahl der ausgestellten blauen Reisepässe für angebliche „Flüchtlinge“ geben. Zuwanderer mit Schutzstatus können mit diesem Ersatzpapier für ihren (mutmaßlich verlorenen) Originalpass aus dem Herkunftsland in alle Welt verreisen – nur nicht in ihr Herkunftsland, aus dem sie geflohen sind. Die Zahl dieser Ersatzpapiere hat sich seit 2015 vervielfacht und überschritt 2022 die Marke von 260.000 Pässen in einem Jahr. 2023 wurden noch einmal 216.524 blaue Pässe ausgestellt. Damit werden inzwischen ähnlich viele blaue Pässe im Jahr ausgestellt, wie Asylanträge gestellt werden. Das Motto dazu lautet: Wer hat noch nicht, wer will noch mal?
Nun ist einer angeblich „stinksauer“ wegen dieser Sache, und das ist ausgerechnet der von Frau Faeser berufene Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Joachim Stamp (FDP). Während er laut Bild „unermüdlich“ an Migrationsabkommen für mehr Abschiebungen malocht, um „mehr Ordnung in die Migration zu bringen“, machen andere alles wieder kaputt. So lässt sich dieser kleine innerkoalitionäre Wutausbruch zusammenfassen. Stamps Abkommen sollen Abschiebungen einfacher machen, gehen dafür aber manchmal auch den Weg der Einreisekontingente – es wird also illegale durch legale Zuwanderung ersetzt, oft aus den gleichen oder ähnlichen Ländern.
Der gelbe Löwe koaliert leider falsch
Auch gegenüber Bild zeigt Stamp sogleich mit einem perfiden rhetorischen Trick, dass er gar nichts am Status quo ändern will. Deutschland müsse „weltoffen bleiben“, sagt er da zur Einleitung seiner Gedanken, oder noch genauer zitiert: „Wir müssen weltoffen bleiben.“ Was das Wort in diesem Zusammenhang verloren hat, bleibt Stamps Geheimnis, denn die deutsche Asylaufnahme hat sicher etwas mit Offenheit und Arglosigkeit zu tun, aber mit Weltoffenheit doch eher nicht. So viele Länder sehen und handhaben das ganz anders und müssen sich nicht hinterwäldlerisch nennen lassen.
Was Stamp in der Sache fordert, könnte dabei wohl angehen: „Menschen, die bei uns Schutz beantragt haben, aber im Heimatland Urlaub machen“, sollen demnach „unmittelbar ihren Schutzstatus verlieren und nicht mehr in Deutschland bleiben können“. Gut gebrüllt, kleiner gelber Löwe, aber leider koalierst du dafür mit den Falschen.
Ist das also eine Koalition oder ein kollektiver Ausbruchsversuch? Stamp mag die Maßnahmen seiner Regierung und die der ihm direkt vorangesetzten Nancy Faeser ja mangelhaft oder ungenügend finden. Aber bevor sein Brüllen Wirkung hinterlässt, fallen in China sicher noch einige Reissäcke um.
Stamps Auf-den-Boden-Aufstampfen gehört insofern sicher in den weiteren Bereich des Sommertheaters. 2019 schrieb die Deutsche Welle, dass die Debatte über Flüchtlingsreisen in ihre Heimatländer jährlich wiederkehre – „meist im Sommer“. Ja, gerade solche Aufregerthemen werden genau über den Sommer bespielt, zumal ja im Herbst oft Wahlen anstehen. Schon 2019 gab es laut Bamf „weder Zahlen noch Schätzungen“, wie oft solche Reisen geschehen. Schon damals erklärte das Innenministerium lapidar: „Es wird immer mal wieder berichtet.“ Genauso hört sich das heute an. Das Thema existiert schlicht nicht für die jetzige Bundesregierung und das Innenministerium von Nancy Faeser (SPD). Ihr Amtsvorgänger Horst Seehofer (CSU) wies schon vor fünf Jahren auf die geltende Rechtslage hin. Aber zu deren Einhaltung konnte auch er keinen nachhaltigen Beitrag leisten.
Dennoch waren schon diese Berichte in weiten Teilen der Medien ein Teilerfolg. Seit 2017 hatte TE neben wenigen anderen berichtet, wie „Flüchtlinge immer öfter“ in ihre Herkunftsländer reisen. Schon seit 2014 ging das Treiben etwa in Baden-Württemberg so in hunderten Fällen, wie der Mannheimer Morgen wusste, egal ob nun mit einem blauen Pass für Asylbewerber, ob mit dem versteckten Originalpass aus dem Herkunftsland oder mit losen Blättern als Visum, die Reisebüros in Deutschland den Migranten gerne besorgen.
Welt veröffentlichte dazu einen vergleichsweise zahmen Beitrag, in dem viel von „sensibilisierten“ Behörden die Rede war. Botschaft: Das wird schon wieder, wir haben Spur aufgenommen. Doch das war nicht so.
Teggatz: Ein neuer Pass vom Heimatkonsulat reicht schon aus
Angeblich gab es „Kommunikationswege“ noch und nöcher zwischen den verschiedenen Behörden, den Ausländerämtern, der Bundesagentur für Arbeit, der Bundespolizei, dem Innenministerium. Aber auch noch so gut ausgebaute Straßen müssen ja nicht befahren werden. So war die Bundespolizei schon vor Jahren rege bei den Mitteilungen, aber die Folgen blieben meist aus.
Heiko Teggatz, dem Vorsitzenden der Bundespolizeigewerkschaft bei der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), hält gegenüber TE fest, dass ein Asylverfahren natürlich endet, wenn „sich der Antragsteller wieder in die Obhut seines Heimatstaates begibt“. Das sei dann der Fall, wenn er „nachweislich in das Land zurückgekehrt ist“, aus dem er einst geflüchtet war. Ja, schon ein Gang zu Botschaft oder Konsulat, um sich einen neuen Pass ausstellen zu lassen, reicht aus.
Ebenso müsse der erlangte Flüchtlingsstatus nach geltendem Recht wieder aberkannt werden, wenn „sich ein anerkannter Flüchtling wieder in die Obhut seines Heimatstaates begibt“. So weit, so klar, so ist die Gesetzeslage, auf die auch Seehofer sich berief, als er 2019 eine Bild-Schlagzeile produzierte, die im Nichts versank. Für Teggatz liegt „das Problem … wieder einmal bei der Nicht-Anwendung bestehender Gesetze“. Die „verschiedenen Zuständigkeiten der Behörden im Bund, den Ländern und den Kommunen“ kämen dann dazu. Man könnte auch Behörden-Wirrwarr dazu sagen. Eine Duldung erlischt übrigens schon mit jeder Ausreise aus Deutschland. Das betrifft auch rund 200.000 Asylbewerber, die derzeit trotz abgelehntem Schutzantrag noch in Deutschland leben.
Bei Anwendung der Gesetze ergäbe sich die spontane Rückführung
Kurz gesagt: Würde man die Gesetze strikt auslegen, dann würde sich die Frage von übermäßiger Zuwanderung und Rückführung in vielen Fällen von alleine lösen. Reist ein Asylbewerber zurück in sein Heimatland, und die deutschen Behörden bekommen davon Wind, dann kann er auch gleich dort bleiben. Der Aufenthaltsstatus müsste in Abwesenheit entzogen werden. Der Urlaub würde zur Rückwanderung.
Teggatz erinnert zudem an den Entwurf zu einem Bundespolizeigesetz, das 2021 im Bundesrat scheiterte. Der Grund: Eine grün-schwarze und eine schwarz-grüne Koalition in zwei Bundesländern stimmte im Bundesrat dagegen. Auch die CDU in Hessen und Baden-Württemberg stimmte also gegen das Gesetz ihrer Bundespartei, weil sie schon damals mit den Grünen koalierte.
Das Gesetz, wäre es beschlossen worden, hätte der Bundespolizei erweiterte Aufgaben bei der Durchführung von Abschiebungen gegeben. Die Bundespolizei wäre wieder umfassend zum Grenzschutz geworden und damit „von Anfang bis Ende“ zuständig für Abschiebungen, die sie heute nur in Abstimmung mit den Ländern durchführen kann. Dass die Grünen ein solches Gesetz damals nicht wollten, versteht man. Aber es war und ist die CDU, die ihnen den Weg zur Macht geebnet und sie damit zur Sperrminorität im Bundesrat gemacht hat.