Der neue Bundestag konstituiert sich am kommenden Dienstag. Mit der neuen Regierung dauert es dagegen noch etwas länger. Erst einen Tag später, am 27. Oktober, beginnen die Koalitionsgespräche zwischen SPD, Grünen und FDP. Der Fahrplan: In der Nikolauswoche soll Olaf Scholz zum Bundeskanzler gewählt werden. Bis zum Dezember muss demnach ein Koalitionsvertrag stehen.
Bevor es zu den Hauptverhandlungen zwischen den Parteispitzen kommt, sollen die Fachpolitiker der jeweiligen Parteien in 22 Arbeitsgruppen über zukünftige Inhalte diskutieren. Daraus sollen bis zum 10. November die Ergebnispapiere hervorgehen. Sie bilden die Stütze des später ausformulierten Koalitionsvertrags. Nicht nur inhaltliche Fragen spielen in den Gesprächen eine Rolle – sondern auch Ministerposten.
Es wäre zu viel interpretiert, wollte man die Zusammensetzung der Gruppen und ihre Vorsitzenden bereits als Minister in spe interpretieren. Doch der Vorsitz in einer solchen Gruppe hat Symbolwert und bietet Orientierung. Dass etwa Hubertus Heil als Arbeitsminister dem Fachbereich „Arbeit“ vorsitzt, ist eine logische Wahl. Ähnliches gilt für Renate Künast, die als ehemalige Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (2001–2005) der Gruppe „Landwirtschaft und Ernährung“ vorsteht. Auch Wolfgang Kubicki ist als Arbeitsgruppenleiter für Innere Sicherheit, Justiz und Bürgerrechte keine Überraschung.
Andere Entscheidungen lassen aufhorchen. In jüngster Zeit hatte es Streit zwischen Grünen und Liberalen um das Finanzministerium gegeben. Robert Habeck und Christian Lindner beanspruchen es gleichermaßen. In einem salomonischen Urteil hat man die rheinland-pfälzische Finanzministerin Doris Ahnen berufen, um den Vorsitz im Bereich „Haushalt und Finanzen“ zu übernehmen. Offensichtlich vermeidet die SPD den Konflikt. Noch.
Andere Besetzungen lassen dagegen aufhorchen. Ausgerechnet der erklärte Autofeind und Tempobremser Anton Hofreiter soll den sowieso schon strittigen Bereich „Mobilität“ leiten. Auch die Arbeitsgruppe „Wirtschaft“, wie Finanzen eigentlich ein FDP-Thema, wird mit Cem Özdemir grün besetzt. Getoppt wird das nur vom SPD-Vorschlag bei der Arbeitsgruppe „Bauen und Wohnen“: Dort hat SPD-Vizeparteichef Kevin Kühnert Platz genommen. Ausgerechnet Enteignungs-Kevin.
Solche Besetzungen haben meist eine symbolische, denn politische Bedeutung. Doch sie haben zugleich eine Signalwirkung. Wenn ausgerechnet in den umstrittensten Gebieten Mobilität, Wirtschaft und Finanzen jeweils der linke Kandidat den Vorzug bekommt, dann kann man bereits erahnen, wohin die Reise geht.