Es ist eine Statistik, die die Herrschenden und ihre Souffleure vielleicht noch öfter triumphierend hervorziehen werden. So geschehen nun bei Markus Lanz im Gespräch mit dem AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla. Bewiesen werden soll, kurz gesagt, dass sich Zuwanderung eben doch lohnt. Dazu scheint sich die steigende Zahl der Beschäftigten in Deutschland zu eignen. So nahm die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im vergangenen Jahr um fast 264.000 zu. Und das, obwohl die deutschen Staatsangehörigen unter den Beschäftigten um 77.000 zurückging. Bedeutet das also: Deutschland auf Wachstumskurs wegen, ja dank der Zuwanderung?
Aber das ist noch nicht das ganze Argument. In einer Pressemitteilung hebt die Bundesagentur für Arbeit laut dem Spiegel hervor, dass das Plus fast nur auf die Zuwanderung aus Drittstaaten zurückzuführen sei, also aus Ländern jenseits der EU sowie der Schweiz, Norwegens, Islands und Liechtensteins. Denn das sind alles keine Drittstaaten, aus denen 257.000 zusätzliche Beschäftigte des letzten Jahres stammten. Hinzu kamen 84.000 EU-Bürger, die 2023 eine sozialversicherungspflichtige Stelle in Deutschland antraten.
Die EU-Bürger gleichen also den deutschen Rückgang sehr wohl aus. Und in diesem Sinne erwiderte auch Chrupalla seinem freundlichen Inquisitor Lanz zunächst auf dessen kleines Piesacken mit der vermeintlich „migrationsfreundlichen“ Zahl. Für Chrupalla war aus seiner politischen und wohl gesellschaftlichen Erfahrung klar, dass vor allem Europäer als Ersatz für wegfallende deutsche Arbeitnehmer in Frage kommen, einfach wegen der ähnlichen Bildungsniveaus.
Wahr ist allerdings, dass das „steile“ Wachstum der Beschäftigten um 264.000 vor allem auf Nicht-Europäer zurückgeht. So steil ist es übrigens nicht. Denn insgesamt arbeiten 45 Millionen Menschen in Deutschland, davon sind 35 Millionen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Für die kommenden Jahre wird ein Rückgang aller Beschäftigten um sieben Millionen vermutet, den die Politik mit ihren Migrations-Klimmzügen ausgleichen will. Das bedeutet noch nicht, dass sie auch das taugliche Mittel gefunden hätte.
Blickt man genauer hin, dann haben immerhin 53.000 Ukrainer im ersten bis zweiten Jahr ihres Aufenthalts eine versicherungspflichtige Arbeit gefunden. Überflüssig zu sagen, dass viel mehr Ukrainer – knapp über eine Million – seit Kriegsbeginn nach Deutschland gefunden haben. Die wirtschaftliche Integration lässt also bei den Kriegsflüchtlingen auf sich warten, was angesichts der Sprachhürden niemanden wundern kann.
Asylsystem: 45.000 kamen in Lohn, 350.000 kamen neu dazu
Um einiges schlechter sieht es allerdings mit der Integration von Syrern, Afghanen und den anderen Migranten aus den Top-8-Asylherkunftsländern aus. Tatsächlich traten nur 45.000 von ihnen im letzten Jahr einen sozialversicherungspflichtigen Job an – gegenüber 350.000 Neuzugängen laut der offiziellen Asylstatistik, Familiennachzug nicht mitgerechnet. Unter diesen Bedingungen wird man in Deutschland allerdings nie eine auch nur annähernde Vollbeschäftigung der Syrer, Afghanen usf. erreichen. Im letzten Jahr fanden gerade einmal ein Fünftel eines „normalen“ Asyljahrgangs (200.000) einen gut bezahlten Job mit vernünftiger Rentenanwartschaft.
Die Asylzuwanderung ist – und das kann niemanden mit Augen im Kopf verwundern – ein Perpetuum mobile, das den Deutschen eine ewigwährende und immer größer werdende Bürgergeld-Parallelgesellschaft beschert. Wenn jedes Jahr 45.000 in versicherungspflichtige Jobs kommen, dann gibt es nach zehn Jahren, dann hätte Deutschland fast eine halbe Million Arbeitskräfte gewonnen, aber zugleich 1,5 Millionen Kostgänger, also Bürgergeldbezieher oder sonstwie Unterbeschäftigte!
Inzwischen leben allein über eine Million Syrer in Deutschland. Rund die Hälfte von ihnen sucht laut Unions-Politiker Mathias Middelberg eine Stelle. Hinzu kommen bald 500.000 Afghanen (auch dank der Direktflüge aus Islamabad, welche die Bundesregierung veranstaltet), über 300.000 Iraker usw. Was sind da 45.000 versicherungspflichtige Arbeitnehmer? Der Ökonom Raffelhüschen hat es vorzeiten (schon 2016) gesagt: Dieses Modell der Zuwanderung wird sich niemals für Deutschland rechnen.
Zahlen vom letzten Frühjahr zeigen: Fast die Hälfte (damals 45 Prozent) der Asylzuwanderer von 2015 arbeiten noch immer nicht, überhaupt nicht. Von denen, die arbeiten, tun es – wieder laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit – nur 60 Prozent als „Fachkräfte“, die mit etwas Glück auch sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Das wäre genau ein Drittel aller Asylzuwanderer von 2015. Auch acht Jahre nach der Ankunft im gelobten Land lassen die von den Leitmedien und grünen und roten Politikern viel gepriesenen Versprechungen weiterhin auf sich warten.
Aber zurück zum Wachstumskurs der Bundesrepublik: Ähnlich viele Neuzugänge am Premium-Arbeitsmarkt wie aus den Top-Asylländern stammten mit 43.000 Beschäftigten aus den Westbalkanstaaten. Alle übrigen Drittstaaten, darunter die Türkei oder Indien, stellten 116.000 neue versicherungspflichtige Beschäftigte. Das ist die größte ausgewiesene Gruppe. Chrupalla hat sich, auf Lanzens Nachfrage, nicht gegen die Einwanderung aus außereuropäischen Staaten gestellt. Das entspricht ja auch dem AfD-Programm, das ein Punktesystem hochhält, auch wenn einige in der Partei noch weniger, vielleicht erst einmal gar keine Zuwanderung wollen. Eine Art Moratorium wegen zeitweiliger Überlastung, wie es ja auch in Frankreich von konservativen Politikern (Michel Barnier) ins Gespräch gebracht wurde.
Eine Statistik, die nicht beweist, was Lanz beweisen möchte
Auffallend ist, dass Markus Lanz mit der von ihm gezückten Statistik eigentlich nichts bewiesen hat, was strittig zwischen ihm und seinem Gast von der AfD gewesen wäre. Die echten Arbeitsmarktzugänge aus Asylbewerbern – mit vielleicht einer Chance, sich etwas oberhalb der Mindestrente zu verdienen – bleiben verschwindend gering im Vergleich mit den Einwanderungs- und Asylzahlen insgesamt. Das System erweist sich dank der Bundesagentur-Zahlen als gewaltiges Schneeballsystem.
Die ausgeschiedenen deutschen Beschäftigten ließen sich im vergangenen Jahr rein aus den Reihen der EU-Einwanderer ausgleichen. Dass Deutschland hingegen die Zunahme um weitere 187.000 Stellen brauchte, kann nicht nachgewiesen werden. Man könnte diese Stellen vielleicht ohne weiteres im allerdings wachsenden Asylindustrie-Komplex unterbringen. Denn auch der schluckt eine erkleckliche Anzahl von Beschäftigten, verbraucht Lehrerstellen und erschafft Sozialpädagogenstellen, die es ohne ihn gar nicht gäbe. Das ist freilich kein wirtschaftlicher Gewinn fürs Land. Es sind Investitionen, die sich im Falle der Asyleinwanderung vermutlich nicht rechnen, niemals amortisieren werden.
Der Übergang hin zu einem Einwanderungsrecht im eigentlichen Sinne, mit dem Einwanderer nach ihren Qualitäten und Qualifikationen ausgesucht würden, liegt noch allenfalls in den Windeln – die FDP gibt gerne mit der Einführung eines Punktesystems an. Noch stellt aber die Asylzuwanderung einen zu großen Anteil an der Gesamtzuwanderung und bindet so zahllose Ressourcen. Diese Art Immigration ist das Gegenteil einer wirtschaftlich vorteilhaften Einwanderung und zudem bekanntlich illegal, rechtswidrig – übrigens auch „europarechtswidrig“, wie zuletzt der Burgenländer Hans Peter Doskozil in Erinnerung rief.
Nur interessiert das schon lange keinen mehr in dieser EU, vor allem nicht die Hauptzielländer Deutschland und Österreich. Das ist dann vielleicht doch ein Grund, um einen mehr oder weniger harten Dexit – oder eine grundlegende Reform der EU – für denkbar und vorteilhaft zu halten. Auch für diese Wortmeldung von Alice Weidel musste Chrupalla sich ja verteidigen, obwohl es gar nicht seine Worte waren und er von Lanz als Gemäßigter in seiner Partei gelobt wurde.
Von gelebter und ungelebter Integration
Insgesamt war in der neuesten Talk-Ausgabe diese gewisse Geduld an Lanz auffällig, der doch tatsächlich einen halben Fürsprecher der AfD eingeladen hatte und daneben den dänischstämmigen Wirtschaftsminister Schleswig-Holsteins, der ebenfalls auf Gift und Galle weitgehend verzichtete. Daneben die obligatorische aufgeregte AfD-Denunziantin aus dem politmedialen Komplex, die immer wieder dieselben alten Anekdoten aufbrät. Und Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen gefällt sich zweimal im ruchlosesten Optimismus: Politiker träten nicht an, weil sie ein Land „hassen“, sondern weil sie das Beste für es tun wollen. Außerdem würden auch Unternehmen niemals Subventionen einstreichen und sich dann vom Acker machen, auch sie investierten nur dort, wo sie auch dauerhaft bleiben wollen. Eine Traumwelt ohne Heuschrecken. Madsen könnte noch etwas Realitätssinn vertragen, zu seinem treuherzigen Aus- und Anblick hinzu.
Laut Lanz ist mit der Zahl der Beschäftigten im letzten Jahr auch der deutsche Wohlstand gestiegen, was Chrupalla sofort bezweifelt. Unrichtig ist Lanz’ folgende Aussage, man komme allein mit den EU-Einwandern „nicht klar“. Man wäre auch so klar gekommen, konnte deutsche Verluste mehr als ausgleichen. Für Chrupalla ist jeder willkommen, der gut ausgebildet ist und die Sprache beherrscht und zum BIP beiträgt. Das sieht Chrupalla als „gelebte Integration“ an.
Doch auch hier ist der Widerspruch der Woken nicht weit, die sagen, es gehe auch ohne Sprachkenntnisse. Claus Madsen von der CDU übernimmt diesen Part. Und das mag im Fall eines findigen Dänen gut funktioniert haben. Die Statistik der Arbeitsagentur zeigt, dass es in sehr vielen anderen Fällen deutlich schwerer fällt, ohne grundlegende Sprachkenntnisse auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Mit Chrupalla wäre das dann „nicht gelebte Integration“, und das ist vielleicht gar kein schlechter Begriff für eine Sache, über die man ruhig noch etwas nachdenken darf, so allgemein im Lande. Die Stichworte sind Ruhrgebiet, Neukölln oder auch Hamburg-Billstedt.