Vordergründig berichtet BILD von der Wiedereröffnung von Kinos in Saudi-Arabien nach 35 Jahren: „Anfang der 1980er-Jahre hatten die Kinos in Saudi-Arabien ihren Betrieb einstellen müssen. Grund war die Hinwendung zu einer restriktiven Auslegung des Islam in dem Königreich, die sich gegen Formen der öffentlichen Unterhaltung und der Begegnung von Männern und Frauen wandte.“
Natürlich kann niemand von uns wissen, was der saudische Kronprinz insgesamt vorhat. Bassam Tibi schreibt in der Basler Zeitung: „M.B.S. ist die internationale Abkürzung für den neuen, energetischen, auf orientalische Art und Weise an die Macht gekommenen Kronprinzen Muhammad bin Salman. Seit seinem Aufstieg zum Kronprinzen – durch Ablösung des bisherigen Thronfolgers Mohammed ibn Naif – ist eine bemerkenswerte Bewegung nicht nur in Saudiarabien zu verzeichnen, sondern in den ganzen Nahen Osten gekommen.“
Der Islamexperte legt dar, dass die deutschen Medien die Aktionen von M.B.S. als brutalen Machtkampf darstellen, während sie kein schlechtes Wort über den Iran verlieren. Dann verweist er auf die ganz andere Sicht in den USA, wo Thomas L. Friedman in der New York Times von seinem langen Besuch beim jungen Thronanwärter berichtet. Der 32-Jährige agiert auf der Grundlage von zweijährigen Ermittlungen zur Korruption in seinem Land, die sein Vater, der König, durchführen ließ und die mit 200 Namen schloss:
„Our country has suffered a lot from corruption from the 1980s until today. The calculation of our experts is that roughly 10 percent of all government spending was siphoned off by corruption each year, from the top levels to the bottom. Over the years the government launched more than one ‘war on corruption’ and they all failed. Why? Because they all started from the bottom up.“
Tibi erklärt in seinem tiefschürfenden Beitrag, warum er den saudischen Wahabismus dem iranischen Islamismus grundsätzlich für unterlegen hält. Gerade deshalb sieht Tibi in den Öffnungsversuchen des Kronprinzen den Versuch, Saudi-Arabien in diesem wenig aussichtsreichen Machtkampf zwischen Teheran und Riad eine Zukunft zu sichern. Für möglich hält er auch wegen der Global Player im Mittleren und Nahen Osten jede Überraschung. Am Ende, kann ich mir vorstellen, endet der Machtkampf in dieser Region mit dem Untergang beider autoritärer Systeme – in Teheran und in Riad. Damit nun wieder wäre ich am meisten zufrieden.