Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages informierte Abgeordnete im Bundestag gerade darüber, dass die Antifa finanziell aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben“ des Familienministeriums unterstützt wird. Und der Dienst stellte weiter die Frage, ob diese Linksextremen auch der Bildung einer kriminellen Organisation verdächtig sind und ob die Antifa überhaupt „extremistisch“ genannt werden könne.
Der Deutsche Bundestag leistet sich Wissenschaftliche Dienste mit Mitarbeitern in kleiner Kompaniestärke, die vom Personalreferat eingestellt wurden.
Unabhängig oder besonders abhängig?
Idee dieses Dienstes war es einmal, den Bundestagsabgeordneten eine wissenschaftliche Rechercheabteilung anzubieten, die sie unabhängiger macht vom Wissensvorsprung der einzelnen Ministerien. Die wissenschaftlichen Dienste sind in 10 Fachbereiche unterteilt von WD-1 (Geschichte, Zeitgeschichte und Politik) bis WD-11 (Europa).
Nun könnte man annehmen, so ein Dienst, der unabhängig von den Ministerien für Abgeordnete (und Gremien) des Bundestages Wissen sammelt, könnte für einiges an Aufregung sorgen. Jedenfalls dann, wenn er zu gegenteiligen Einschätzungen kommt als die Ministerien. Erstaunlicherweise erblicken solche Kontroversen selten das Licht der Öffentlichkeit. Und das, obwohl es erst ein paar Jahre her ist, dass höchstrichterlich bestimmt wurde, dass die Ergebnisse dieser Dienste öffentlich zu machen sind. Tatsächlich erhalten die Dienste mehr als 4.000 Anfragen der Abgeordneten pro Jahr.
Da wird dann schon mal „Die Suche nach außerirdischem Leben und die Umsetzung der VN-Resolution A/33/426 zur Beobachtung unidentifizierbarer Flugobjekte und extraterrestrischen Lebensformen (WD8-3000-1004/2009).“ Oder – kein Witz – die Dienste erforschen den Umgang der Europäische Union „mit dem Thema „unidentifizierbare fliegende Objekte“ (WD11-148/09).“
Was aktuell vom Wissenschaftlichen Dienst ermittelt wurde, ist nur ganz am Rande extraterrestrisch, viel mehr birgt theoretisch innenpolitischen Sprengstoff, wenn Ende April eine Arbeit abgeschlossen wurde unter Aktenzeichen WD 7 – 3000 – 069/18 und dem etwas sperrigen Titel: „Linksextremismus in Gestalt der so genannten „Antifa“ – Organisationsbezogene strafrechtliche Implikationen“.
Geld vom Staat für Schlägertruppen
Dort wird nun darauf hingewiesen, dass offenbar verschiedene „Antifa“-Gruppen im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ aus dem Familienministerium gefördert wurden. Das ist ja schon einmal eine wichtige Erkenntnis – wir finanzieren mit unseren Steuergeldern Schlägertruppen, die etwa anläßlich des G20-Gipfels in Hamburg eine Schneise der Verwüstung durch die Stadt schlugen und alles daran gesetzt haben, um möglicherweise Polizisten zu töten. Im Vorfeld beispielsweise schrieb die Antifa Freiburg (1):
Erneut hat es im Vorfeld des G20 in Hamburg (2) ein Mobilisierungfeuerchen (3) gegeben: diesmal traf es das Jobcenter in der Bremer Neustadt. Nach vielfältigen linksradikalen Brandanschlägen auf Bullen, Banken, Bonzen und Militär in den vergangenen Monaten bekannte sich zum Feuer des Tages der Kleingartenverein Kurze Lunte e.V. (4). Folgt dem G20 Protest bei linksunten (5), bestreikt den Alltag (6) – Alle nach Hamburg! (7)
Das war wie gesagt im Vorfeld. Was dann geschah hat an Gewalt selbst das an linke Gewalt mittlerweile gewöhnte Deutschland erschüttert. Das wäre ja ein Grund, dem nachzugehen. Aber nicht für den wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages.
Wer Geld vom Staat erhält, kann nicht böse sein
Aber davon lesen wir nichts, nur Rechtfertigungsgerede. Interessant ist hier der mehr als wohlwollende Schluss, den der wissenschaftliche Dienst daraus zieht: Wenn die Regierung solche Gruppen finanziert, dann könnte das doch möglicherweise auch verdeutlichen, „dass im Rahmen des Antifa-Spektrums offenbar auch Gruppierungen bestehen, die aus staatlicher Sicht nicht einem kriminellen Betätigungsfeld zugerechnet werden.“ Ja, muss nicht, könnte aber doch. Bestechend die Logik des, und jetzt muss es sein: „sogenannten Wissenschaftlichen Dienstes“: Wer vom Staat Geld kriegt, kann gar nicht kriminell sein, sonst hätte er es ja nicht gekriegt. Mit der Unabhängigkeit eines Parlamentsdienstes ist es wohl nicht so weit her. Statt die Abgeordneten zu informieren, wird ein Ministerium mit einem Persilschein ausgestattet. Die Zeiten, in denen das Parlament die Regierung kontrollierte, sind wohl vorbei: Jetzt wird vernebelt, was der Regierung unangenehme Fragen stellen könnte.
Der Dienst zitiert weiter „Medienberichte“, wonach es in den USA anders gehandhabt wird: Der US-Bundesstaat New Jersey beispielsweise, soll die dortige Antifa als terroristische Vereinigung eingestuft haben. Aber warum in die Ferne schweifen?
Es gibt keine linke Gewalt?
Wieder zurück in deutschen Gefilden beschäftigt sich der Dienst mit der Frage der Äquidistanz (also mit einheitlichen Maßstäbe und Handlungsprämissen) zwischen Rechts- und Linksextremismus und kommt zum Schluss: Tatsächlich, es gibt unterschiedlichen Maßstäbe, und die werden breit zitiert: „Die aufgezeigte größere Distanzierung zum rechtsextremen Spektrum ist trotz noch vorhandener Defizite jedoch nachvollziehbar und gerechtfertigt, da es sich beim Rechts- und Linksextremismus um sehr unterschiedliche Phänomene handelt, die man zwar vergleichen, aber nicht gleichsetzen kann.“ Nun ja, das sagt man immer, wenn ein Vergleich gefährlich wird. Links ist nicht Rechts, und wenn Rechte Menschen angreifen, ist es nicht vergleichbar damit, wenn Linke Menschen niederschlagen? Wieso sollte das nicht vergleichbar sein? Gibt es zwei Sorten Recht, eines für Rechte, und eines für Linke, die mit anderer Elle gemessen werden? Es ist blamabel, was da zusammengeschrieben wird: Ein Dienst des Deutschen Bundestags verabschiedet sich davon, vergleichbare Sachverhalte demselben Recht zu unterwerfen. Und noch peinlicher wird es, wie das gerechtfertigt wird.
Bundestags-Dienst rechtfertigt linke Gewalt
Die dokumentierte Ungleichbehandlung sei auch dadurch erklärbar, dass es „im rechtsextremistischen Bereich einen eigenen ausdifferenzierten Strafrechtskatalog“ gäbe, lehnt sich die Studie dann aus dem anderen Fenster. Genannt wird der Volksverhetzungsparagraf, der eben nicht auf Linksextremismus anwendbar wäre, ebenso, wie es bei Rechtsextremen den strafrelevanten Bereich der „Symbole, Zeichen, Losungen, Parolen, Liedtexte, Melodien, Aussagen“ aus dem Nationalsozialistischen Kontext gäbe. Beim Linksextremismus wäre die Zielrichtung des Verfassungsschutzes lediglich „Beobachtung, Aufklärung und Information.“
Das stimmt. Die Menschenfeindlichkeit der radikalen Linke wird nicht annähernd so entschieden verfolgt. Wo der Dienst Recht hat, hat er Recht.
Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages zitiert hierzu wenigstens explizit und umfangreich den deutschen Politikwissenschaftler und Extremismusforscher Rudolf van Hüllen:
„Verständlich, dass die linksextreme Klientel inzwischen die Chance erspürt hat, im Windschatten des terroristischen Rechtsextremismus die lästigen rechtsstaatlichen Sicherheitsbehörden auszupunkten. Über Linksextremismus nämlich darf auch in den Sicherheitsbehörden kaum noch geredet werden. Personal wird abgezogen, vorhandene Erkenntnisse werden stillschweigend gelöscht. Vergeblich weisen die Interessenvertretungen der Polizei auf die eskalierende linke Gewalt gegen die Beamten hin. Entsprechend selbstbewusst ist die militante Szene geworden.“
Wieder also: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Und notfalls definiere ich die Statistik so hin, dass es passt. Wenn – wie vermutlich in Hamburg – Linke Pflastersteine auf Polizisten werfen oder sie mit Stahlkugeln beschießen, könnte man den Wissenschaftlichen Dienst ja auch bitten, dies den verletzten Polizisten zu erklären, dass ihre Schmerzen keine sind.
Ebenfalls zu Wort kommt ein weiterer Extremismusforscher, der befindet: „Gemessen an der Zahl der unterstützten Projekte liegt der Fokus des Familienministeriums ganz klar auf der Prävention von Rechtsextremismus. Hier müsste also deutlich mehr geschehen. (…) Über ihr anhaltendes Engagement, Rechtsextremismus entschlossen zu bekämpfen, darf die Gesellschaft den ebenso demokratiegefährdenden Extremismus von links nicht aus den Augen verlieren.“
Fassen wir zusammen: Für typisch „rechte“Straftaten gibt es also einen Strafrechtskatalog, für „linke“ Straftaten nicht und deshalb gibt es per Definition keine linke Straftat?
Fazit: Peinlich
Das Fazit des Wissenschaftlichen Dienstes, das ja über die Zitate hinausgehen sollte, ist dann leider gar keines: Hier wurden lediglich im Copy & Paste Verfahren die fehlende Einordnungsmöglichkeit der Antifa als kriminelle Organisation wiederholt, mit der merkwürdigen Begründung, das läge eben daran, dass diese Extremisten „eher locker strukturierte, ephemere autonome Strömungen“ wären.
Mit anderen Worten: Die Antifa ist irgendwie zu anarchistisch und nicht hierarchisch genug aufgestellt, um sie bedenkenlos „kriminell organisiert“ nennen zu können. Nun reicht heute für eine spontane Zusammenkunft mit kriminellem Ziel eine digitale Vernetzung über welchen modernen Messenger auch immer. Die Ermittlungen rund um die linksextremistischen Krawalle zum G-20 in Hamburg beispielsweise hielten für die Ermittlungsbehörden und Sokos vor allem eine Erkenntnis parat: Exzellente Organisation und Struktur bis hin zu Depots für schwarze Bekleidung und Molotow-Coktails, Flashmob-artige Versammlungen wie aus dem Nichts, die sich ebenso schnell wieder spurlos auflösten, als die Autos brannten: Und die Täter vernetzt bis ins europäische Ausland. Dort versucht jetzt die Hamburger Polizei Täter zu fassen – die sich in Strukturen bewegen, die aus Berlin zumindest teilweise finanziert werden?
Unser Fazit also: Dieser Wissenschaftliche Dienst mag zwar festgestellt haben, dass die Antifa vom Familienministerium finanziell unterstützt wird. Das war allerdings schon vorher bekannt. Aber was das bedeutet, was für Schlüsse daraus zu ziehen wären: Irgendwelche weiterreichenden investigativen Elemente fehlen völlig. Man hat sich einfach nicht die Mühe gemacht. Und/oder nicht gewollt und/oder nicht getraut.
Tatsächlich könnte hier jede Vorstadtredaktion mit deutlich weniger Mitarbeitern in kürzerer Zeit bessere Arbeit leisten, als nur ein paar deutsche und wenige amerikanische Links zu lesen und ein paar Sätze zu kopieren und lose zusammenzuheften.
Aber Steuergelder sind wohl dafür da, verschwendet zu werden. Besser wäre es, der Wissenschaftliche Dienst würde sich wieder mit UFOs beschäftigen, das ist unverfänglicher.
Quellen:
(1) http:////autonome-antifa.org/?breve6194
(2) https://autonome-antifa.org/?mot2486
(3) https://linksunten.indymedia.org/en/node/209143
(4) https://linksunten.indymedia.org/de/node/209673
(5) https://linksunten.indymedia.org/g2017
(6) https://linksunten.indymedia.org/de/node/209101
(7) https://linksunten.indymedia.org/de/node/207412/