Tichys Einblick
Ich Völkerrechtlerin, du Schweinebauer

Annalena Baerbock erklärte sich selbst zur „Völkerrechtsexpertin“

Stillschweigend korrigiert Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock ihre peinliche Lebenslauf-Kosmetik. Wichtige Fragen bleiben bis jetzt unbeantwortet – etwa nach ihrer Abschlussarbeit.

Screenprint: via Youtube

Es ist eine kurze Videosequenz, von der die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock mittlerweile wünschen dürfte, sie ließe sich aus dem Netz entfernen. In einem Sofa-Gespräch mit ihrem Co-Parteivorsitzenden Robert Habeck erläutert sie dort im NDR den Unterschied zwischen ihrer Bildungskarriere und der ihres Parteifreundes: „Von Hause aus kommt er“, sie zeigt auf Habeck, „aus Hühner, Schweine, ich weiß nicht, was haste, Kühle melken. Ich komme eher aus dem Völkerrecht. Ich komme aus ganz anderen Welten im Zweifel.“ Zusammengefasst: Ich Juristin mit Spezialisierung Völkerrecht, du: Schweinebauer. Habeck ist promovierter Philologe. Kurz danach nennt sich Baerbock selbst „Völkerrechtsexpertin“.

Genau das tilgte ihre Partei jetzt stillschweigend aus ihrem offiziellen Lebenslauf – weil sich auf Nachfragen mehrerer Medien, auch TE, massive Ungereimtheiten in ihrer Bildungsbiografie herausstellten.

In ihrer neuen Lebenslauf-Version fehlt neuerdings der Hinweis auf einen Master-Abschluss in „Völkerrecht“ an der London School of Economics (LSE). Stattdessen steht dort: „Public International Law. Abschluss: Master of Laws (LL.M“).

Auch den Hinweis, sie habe vorher an der Universität Hamburg öffentliches Recht studiert, ließ Baerbock tilgen.

Der Unterschied zwischen einem Abschluss in internationalem öffentlichem Recht und „Völkerrechtlerin“ ist ein großer: Ein Völkerrechtler ist nach gängiger Definition ein Jurist mit einer Spezialisierung im Völkerrecht. Baerbock verfügt allerdings nicht nur über keinen juristischen, sondern über gar keinen Hochschulabschluss außer dem nach einem 12-Monats-Kurs erworbenen Master in internationalem Recht an der LSE. Auf Nachfrage musste ihr Sprecher Andreas Kappler einräumen, dass sie in Hamburg nur ein Vordiplom in Politikwissenschaften erwarb, die Universität dann aber ohne Diplom verließ.

Ein Vordiplom bescheinigt nur die Eignung für ein Hauptstudium, einen Abschluss stellt es nicht dar. Baerbock hatte genau dazu lange auf mehreren offiziellen Webseiten behauptet, sie habe in Hamburg einen Bachelor in Politikwissenschaften erworben. Allerdings führte die Universität Hamburg den Bachelor-Studiengang in Politikwissenschaften erst zum Wintersemester 2005/06 ein. Zu dem Zeitpunkt hatte Baerbock, die sich im Jahr 2000 eingeschrieben hatte, die Hochschule schon wieder verlassen.

Nicht nur mit dem angeblichen Bachelor und der Selbstbezeichnung „Völkerrechtlerin“ schönte die Kanzlerkandidatin ihre Bildungsbiografie kräftig. In einem Interview mit dem Blogger Tilo Jung behauptete sie 2018, sie hätte in Hamburg „Jura im Nebenfach“ studiert – was nicht der Fall war.

Offen bleibt bis jetzt die Frage, unter welchen Umständen Baerbock 2004 ohne Hochschulabschluss den einjährigen postgradualen Master-Studiengang an der LSE beginnen konnte. Zumindest nach den jetzigen Regeln des Law Department fordert die LSE für einen postgradualen Studiengang der Rechtswissenschaften entweder ein juristisches Diplom – oder das Diplom in einem anderen passenden Studienfach und einen juristischen Bachelor-Abschluss (LL.B). Grünen-Sprecher Andreas Kappler erklärte, 2004 sei die Zulassung zum postgradualen Studium an der LSE für ausländische Studenten auch mit einem Vordiplom möglich gewesen. TE fragte auch bei der Presseabteilung der LSE selbst nach. Ein Mitarbeiter antwortete mit der Empfehlung, die Frage direkt an das Law Department der Hochschule zu stellen. Das tat TE – bekam aber bislang keine Antwort.

Unbeantwortet – sowohl von Baerbock als auch von der LSE – blieb bis jetzt auch die Frage nach der Master-Abschlussarbeit der Politikerin in London. TE hatte nach dem Thema gefragt – und danach, wo die Arbeit hinterlegt ist. Weder die Grünen-Vorsitzende noch die London School of Economics reagierten darauf. Sollte nach dem 12-Monats-Masterkurs in internationalem Recht an der privaten Hochschule tatsächlich noch nicht einmal eine schriftliche Abschlussprüfung obligatorisch sein, dann wäre der Abschluss kaum mit einem regulären Diplom oder gar einem Staatsexamen vergleichbar.

Ungeklärt ist außerdem, wie Baerbock 2009 die Zulassung zur Promotion in Völkerrecht an der FU Berlin bekam, die sie allerdings nie abschloss. Nach der Promotionsordnung wäre ein juristischer Abschluss die Voraussetzung für die Zulassung zu diesem Promotionsverfahren gewesen.

Über das Aufhübschen des eigenen Lebenslaufs berichteten Medien in Österreich bisher kritischer als die meisten deutschen Blätter.

Der Express sprach von „Schummeln“,

der Standard immerhin von „Verwirrung“.

In Deutschland erregte sich der Tagesspiegel stattdessen über „Falschmeldungen“ über Baerbock – so, als stammten die falschen Angaben nicht von Baerbock selbst – und über „rechte Medien“. Die FAZ versicherte ihren Lesern schon im Vorspann, in Baerbocks universitärer Karriere sei „alles mit rechten Dingen“ zugegangen.

Die massiven Täuschungen der Öffentlichkeit durch Baerbock und die stillschweigende Korrektur durch die Partei machte das Blatt nicht zum Thema. Eine eigene Nachfrage an der LSE erwähnte das Blatt nicht.

Anzeige
Die mobile Version verlassen