Thomas Haldenwang ist für Nancy Faeser (SPD) aus vielen Gründen ein wertvoller Mitarbeiter. Der wichtigste Grund ist seine Parteizugehörigkeit. Der Präsident des „Verfassungsschutz“ ist Christdemokrat. Ein Mann Angela Merkels. In ihm lebt eine übergroße Koalition fort von Ampel und CDU-CSU. Wenn Haldenwang und Faeser auf dem Podium sitzen und der Presse erklären, dass sie in den „Kampf gegen Rechts“ ziehen, auch gegen erlaubte Aussagen – ja sogar gegen Gedanken – dann zieht Haldenwang die Union in diesen Kampf mit hinein. Wie stark die Partei unter ihrem vermeintlichen Erneuerer Friedrich Merz durch Haldenwang im „Kampf gegen Rechts“ verhaftet ist, zeigt sich daran, dass Merz Sprecherin Isabelle Fischer Fragen zu Faesers und Haldenwangs Konzept erst ignoriert und dann nicht selbst beantwortet.
Es hat sich ein Parteienkartell aus Linke, SPD, Grüne, FDP und CDU-CSU gebildet. Die Pandemie hat diese Zusammenarbeit verstärkt, aber sie war vorher schon da: Als Merkel mit der vorbehaltlosen Öffnung der Grenzen grün-linke Politik betrieb und ihr die anderen Parteien beisprangen. Seitdem gilt jede Kritik an dieser Öffnung, ja schon jede Beschreibung negativer Folgen als Tabu. Jeder, der das Tabu bricht, wird aus dem Kartell ausgeschlossen. Dessen Zugriff beschränkt sich nicht nur auf Regierungen und Verwaltungen. Der Arm des Kartells reicht in die öffentlich-rechtlichen Medien, gesetzliche Krankenkassen, andere staatsnahe Einrichtungen und sogar in angeblich „unabhängige“ private Medien, die immer stärker direkt oder indirekt von staatlichem Geld abhängen.
Dieses informelle Parteienkartell vertritt eine einheitliche politische Linie. Mal mehr, mal weniger: Es ist für Deindustrialisierung zugunsten des Klimaschutzes. Es ist für die Unterstützung der Ukraine bis hin zur Absicht, den Krieg nach Russland tragen zu wollen (Roderich Kiesewetter, CDU). Es ist für einen verschwenderischen Staat, der sich halt noch weiter verschulden soll, wenn ihm selbst die Rekordeinnahmen aus Steuern nicht mehr reichen.
Obendrein ist es für einen Staat, der immer stärker die Wirtschaft regelt. Und es ist für einen Staat, der seine Bürger überwacht. Die christdemokratische Spitzenkandidaten Ursula von der Leyen hat in ihren verschiedenen Funktionen wie niemand sonst eine Bespitzelung unbescholtener Bürger vorangetrieben, die absurderweise über das hinausgeht, was die deutschen Kartellparteien echten Verbrechern wie den flüchtigen RAF-Terroristen zukommen lässt.
Diese Politik stößt auf immer mehr Misstrauen: Eine Umfrage von RTL hat ergeben, dass eine Mehrheit von 56 Prozent der Bürger, keiner deutschen Partei zutraut, die aktuellen Probleme zu lösen. Die New York Times hat nicht nur festgestellt, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) weltweit der unbeliebteste aller demokratischen Regierungschef ist. Sondern auch, dass eine Mehrheit der jeweiligen Bevölkerung die Regierungschefs der großen demokratischen Nationen ablehnt. Als eine Erklärung bot die New York Times an, dass in Staaten wie den USA oder Deutschland die Menschen des alten politischen Angebotes müde seien. Auffällig ist, dass das eben besonders in den USA und Deutschland gilt. Also in Staaten, in denen sich das Parteiensystem die Macht weit über die politischen Stellen hinaus gesichert hat.
Diese Ermüdung führt dazu, dass sich neue Parteien gründen, was wir in den ersten beiden Teilen dieser Serie beschrieben haben. Wie reagieren nun die Kartellparteien darauf, dass immer mehr Menschen ihr Politikangebot ablehnen? Die zwei kleinsten zeigen Absatzbewegungen. Bei den Linken ist es eine natürliche Bewegung: Sie verschwinden. In seiner Umfrage hat RTL die Linken bereits zu den „Sonstigen“ sortiert und ausgemustert.
Dort ist die FDP nicht. Noch nicht. Aber der Trend geht in die Richtung. Präventiv versucht sich die FDP vom Kartell abzusetzen. Dessen Politik ist von grüner Ideologie dominiert. Der Vorsitzende der FDP Christian Lindner und sein Generalsekretär Bijan Djir-Sarai setzen der grünen Ideologie des Kartells ihre liberale Gedanken entgegen. Bei Lindner ist es nur eine verbale Absetzung, der wie gehabt keine Taten folgen. Djir-Sarai versucht ein Bündnis mit der CDU-CSU zu bilden.
Djir-Sarais Versuch dürfte zum Scheitern verurteilt sein. Gleich aus mehreren Gründen: Die wichtigsten Entscheider in der FDP stehen gegen diesen Versuch: Lindner, Justizminister Marco Buschmann und Verkehrsminister Volker Wissing wollen die Ampel über die Zeit retten und aus taktischen Gründen eine Zusammenarbeit mit den Grünen über 2025 hinaus nicht ausschließen.
Zudem fehlt einer Zusammenarbeit von Union und FDP derzeit einfach die Mehrheit – ebenso auch nur die Aussicht auf eine Mehrheit. Am wichtigsten ist aber der Punkt, dass die CDU-CSU gar nicht aus dem Konsens ausscheiden will. Im Gegenteil. Merz hat offen geäußert, dass es eine Koalition mit den Grünen ist, die er anstrebt. Und auch sonst ist die Union dem Parteienkartell verhaftet. Haldenwang als treuer Knappe Faesers im „Kampf gegen Rechts“ ist die Personifizierung dieser Abhängigkeit. Die mitunter zu absurden Momenten führt: In völliger Selbstaufgabe beteiligen die Christdemokraten sich am „Kampf gegen Rechts“, schämen sich für Kontakte zu allem, was als rechts gilt und verleugnen Inhalte, für die ihre Partei unter Konrad Adenauer, Ludwig Erhard oder Helmut Kohl einmal gestanden hat.
Djir-Sarais Versuch, ein Bündnis mit der Union zu schmieden, ist dennoch ehrenhaft. Er will dem sich anbahnenden Niedergang seiner Partei nicht tatenlos zusehen. Da ist es rationaler, etwas Chancenloses zu versuchen, als in Apathie zu verfallen. Die Situation der Bedrohung treibt nämlich zu irrationalem Verhalten. Ausdruck dafür ist wieder Thomas Haldenwang, der schwadroniert, dass die Demokratie so sehr gefährdet sei wie noch nie. Wobei er aber Demokratie mit dem Kartell gleichsetzt, weil dieses Kartell aus einem mittelmäßigen Juristen und treuen Parteisoldaten einen führenden Staatsbeamten gemacht hat.
Der Niedergang macht irrational. Irrationale Menschen sind gefährlich. Sie fixieren sich auf ein Ziel, ohne zu hinterfragen, ob das Ziel den Preis dafür wert ist. Besonders die SPD ist für irrationales Verhalten anfällig. Sie hat die längste Geschichte aller deutschen Parteien, sie trifft der Niedergang am härtesten. In Zahlen: In aktuellen Umfragen erreicht sie nicht einmal mehr ein Drittel dessen, was sie einst zu Bundestagswahlen mobilisieren konnte.
Aber auch in Schicksalen. Ein SPD-Funktionär sagte einst im Vertrauen, dass er den Untergang der Partei fürchte, weil ohne ihr ein Sinn in seinem Leben fehlen würde. Ihm ginge es nicht ums Geld. Das war glaubwürdig. Materiell war er abgesichert. Es ging um den Lebensraum – in Ermangelung eines besseren Begriffs – die Familie, die für ihn die SPD bedeutete.
Andere sind da nicht so altruistisch. Ihnen geht es um die Karriere. Viele derer, die in den 80ern und 90ern ihre Karriere in der SPD eingeleitet haben, hatten und haben einen Faible für die Grünen: für deren Themen wie Umweltschutz, Pazifismus oder die Gleichstellung von Mann und Frau. Aber auch für deren Attitüde, etwa den lockeren Umgang mit gebrochenen Biographien, mit Homosexualität oder (damals noch) unerlaubten Rauschmitteln.
Trotzdem haben sie sich für die SPD entschieden. Weil die Grünen in den 90ern nur der Kellner und die SPD der Koch war. Sie erhofften sich einfach für sich selbst bessere Karrierechancen. Doch trotz des Wahlsiegs von Olaf Scholz lösen die Grünen die SPD strukturell Stück für Stück in ihrer Führungsrolle im linken Lager ab. Was für eine blöde Situation für SPD-Karrieristen: Du verkaufst deine Seele für bessere Perspektiven und im Ergebnis sind auch noch die Perspektiven schlechter. Das macht etwas aus einem, der sein Leben auf eine Karriere in der Politik ausgerichtet hat. Das nagt.
Nancy Faeser ist so eine SPD-Karrieristin. Eine, die ihr ganzes Leben auf ein Vorwärtskommen in der Partei ausgerichtet hat, der auch schon ihr Vater gedient hat. Wenn Faeser einen Angriff auf die SPD mit einem Angriff auf die Demokratie gleichsetzt. Wenn die Innenministerin eine Meinung als rechtsextrem einstuft, weil diese in ihrem Mikrokosmos nicht geteilt wird. Wenn Faeser solche Meinungen tabuisiert und diejenigen existenziell vernichtet, die sie vertreten, dann ist das nicht ausschließlich politische Agitation. Dann glaubt Faeser wirklich dran, dass es so ist und dass es für die Gesellschaft gut ist, was sie tut. Das macht es nicht besser. Im Gegenteil. Das macht Faeser gefährlicher.
Die Geschichte ist voll mit gefährlichen Menschen, die sich im Glauben verrannt haben, im Guten zu handeln. Robespierre zum Beispiel hat den staatlichen Terror der Französischen Revolution nicht losgetreten, weil er ein Sadist gewesen wäre. Er handelte im festen Glauben, die Demokratie zu verteidigen und den Unterdrückten ein Leben in Wohlstand zu ermöglichen. Das Gremium, auf das sich Robespierres Macht gründete, nannte sich nicht umsonst „Wohlfahrtsausschuss“.
Mit Faeser und Haldenwang hat sich ein gefährliches Paar gebildet: eine irrational motivierte, aber rational handelnde Fanatikerin und ein mittelmäßig begabter, aber hochgradig ehrgeiziger Karrierist. Sie sind nicht nur bereit, die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit zu sprengen. Sie sagen es ganz offen. Faeser, wenn sie davon spricht, eben diese Grenzen des Rechtsstaats erweitern zu wollen. Haldenwang, wenn er ankündigt, den „Verfassungsschutz“ schon auf nicht strafbare Aussagen anzusetzen. Wenn er als Beamter der Regierung offen thematisiert, die größte Oppositionspartei außerhalb des Kartells mit den Mitteln einer Behörde bekämpfen zu wollen. Und wenn dann „nach Recherche“ Informationen in Kartellmedien auftauchen, die schlüssigerweise nur vom Inlands-Geheimdienst stammen können und die darauf zielen, eben diese größte Oppositionspartei politisch zu bekämpfen.
Die Landesvorsitzende einer Oppositionspartei, die in Folge einer solchen Berichterstattung ihre Stelle verloren hat. Der Organisator von Demonstrationen gegen die Pandemie-Politik, der neun Monate in Untersuchungshaft sitzt, obwohl die Anklage später in sich zusammenbricht. Ein ehemaliger Chef des Inlands-Geheimdienstes, der nun selber vom Geheimdienst verfolgt wird und um seine Pension fürchten muss, weil er die Politik des Parteienkartells kritisiert hat. Im Englischen gibt es das geflügelte Wort „Reading the Signs“.
„Reading the Signs“ meint: Achte auf die Anzeichen. Das passiert. Es mehren sich Stimmen, wie bedenklich sich die Dinge entwickeln, die Faeser und Haldenwang anstoßen. Diese Stimmen kommen von Verfassungsrechtlern oder Vertretern der FDP. Also eben nicht von rechtsextremen Umstürzlern. Doch Faeser und Haldenwang sind gut darin, radikal zu sein – aber miserabel darin, subtil zu sein. Sie kennen keinen anderen Kampfstil, außer jede Kritik als rechtsextrem zu stigmatisieren und dann mit staatlichen Repressalien zu bekämpfen, wobei sie zugeben, im Kampf die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit neu zu setzen. Was viel hübscher klingt, als zuzugeben, dass Faeser und Haldenwang die Grenzen missachten.
Die Anzeichen sind da. Die Geschichte hat gelehrt, dass es gefährlich ist, mit dem Lesen zu warten, bis die Wagen in Kolonnen zur Guillotine rollen. Es ist nötig, die Zeichen frühzeitig zu erkennen und den Robespierres dieser Welt klar zu machen: „Maximilien, hör mal zu: Du meinst es zwar gut, aber Demokratie kann nicht dadurch funktionieren, dass man die Köpfe aller Gegner rollen lässt.“ Dem Parteienkartell muss klar werden, dass es ein legitimes Ziel ist, an den eigenen Machtprivilegien festhalten zu wollen. Aber, dass dafür nicht jeder Preis gezahlt werden darf. Etwa Demokratie, Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit.