Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Deutschen ein Wirtschaftswunder versprochen. Und das gibt es auch. Zumindest für NGOs und Verbände. Etwa die „Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit“. Die hat von der Bundesregierung 3,7 Millionen Euro in den vergangenen dreieinhalb Jahren erhalten. Für das deutsche Staatsziel, den Plastikmüll in Mittelamerika und der Karibik zu vermeiden.
Wie sieht das aus, wenn etwa Mexikaner mit deutschem Geld ihre Menge an verbrauchtem Plastikmüll senken? Da gibt es zum Beispiel das Einzelprojekt „Entwicklung und Durchführung von Lernspielen zum Umwelt- und Ressourcenschutz für Schulkinder“ in Mahahual im mexikanischen Bundesstaat Quintana Roo. Aus Sicht der Touristen ist das ein Paradies: karibische Wälder im Hinterland, am Strand glasklares Wasser in mehr Blautönen, als die deutsche Sprache kennt.
Für die Bundesregierung ist Mahahual eine Problemzone. Verseucht von Plastikmüll. Zur Rettung schickt sie die „Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit“. Und was tut die genau? Sie erfindet Lernspiele wie „La Fuga“ oder „La Lotteria Circular“, was auf Deutsch so viel heißt wie „die Flucht“ und der „Lottoschein“. Mehr soziologischer Überbau gefällig? „Beide Spiele basieren auf traditionellen Spielen der Region und sensibilisieren die Spielenden zu den Themen Konsum, Problematik des Plastikmülls, Umweltverschmutzung und Chancen durch die Kreislaufwirtschaft“, antwortet die Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Edgar Naujok, Markus Frohnmaier und Dietmar Friedhoff (alle AfD).
Die Flucht und der Lottoschein „bieten in einem spielerischen und damit für Kinder gut zugänglichem Format nachhaltigere Handlungsalternativen an“, schreibt die Bundesregierung. Das Spiel sei in Mexiko so gut gelaufen, dass die Ampel es auf fünf weitere Standorte ausdehnen will. Gut, sie könnte den Kindern von Mahahual auch einen Nachmittag am Strand spendieren, wo sich mutmaßlich herrlich schwimmen lässt. Danach könnte sie noch eine kurze Ermahnung hinterherschicken: Wenn ihr wollt, dass es so bleibt, entsorgt euren Plastikmüll anständig. Den Kindern wäre damit geholfen, dem Plastikmüll auch.
Aber wo bliebe dann die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit? Wer würde ihr 1,9 Millionen Euro für die Durchführung bezahlen, 1,4 Millionen Euro für Personalkosten und 420.000 Euro für Verwaltungskosten? Die Kinder von Mahahual müssten einfach so schwimmen gehen oder Fußball spielen, statt im Spiel die „Chancen durch die Kreislaufwirtschaft“ zu erlernen. Der Steuerzahler hätte mehr Geld in der Tasche, von dem er überlegen müsste, ob er es für die teurere Miete ausgibt oder für die höheren Strom- und Lebensmittelpreise. Und die Mitarbeiter der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit müssten einer Arbeit in Deutschland nachgehen, statt am Strande von Mahahual den Konsum spielerisch zu kritisieren – auf Steuerzahlerkosten.
Neben den Spielen im malerischen Mahahual sieht das Projekt noch die „Erarbeitung einer integrierten Strategie zur Bewirtschaftung fester Siedlungsabfälle“ vor. Also ein Müllkonzept. So etwas gibt es in Deutschland über 400 Mal. Man könnte eines davon per Mail an den Strand von Mahahual schicken – aber wo bliebe da die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit? So ein Konzept muss schon vor Ort erarbeitet werden. Und der Strand von Mahahual ist wirklich einen Besuch wert. Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit weiß das.
Deswegen erarbeitet die Gesellschaft solche Konzepte auch noch in Holbox Mexiko aus. Das ist aber keine Stadt, die an einem malerischen Strand liegt. Das ist gleich eine gänzlich malerische Insel. Dort berät die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit auch Hoteliers und andere Vertreter der Tourismusbranche. Außerdem geben die Mitarbeiter Steuergeld für Mülleimer im Urlaubsparadies aus – ein harter Job, aber einer muss ihn ja machen.
Diese Fron führt die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit auch nach Omoa in Honduras. Fortgeschrittene Leser werden es sich schon gedacht haben: auch das ein Urlaubsparadies, dessen Strände die Reiseführer preisen. Dort verteilt die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit nicht nur Geld für Mülleimer. Sie fördert auch einen Verband, der das Thema Recycling aus emanzipatorischer Sicht angeht. Und sie entwickelt „Handbücher zu guten Praktiken für Bildungszentren sowie für Hotels, Gastronomie und Schulen“. Solche Handbücher lassen sich nur am Strand von Omoa erarbeiten – da hat die Bundesregierung mal jeden Cent der 3,7 Millionen Euro Steuergeld sinnvoll ausgegeben.