Es schien lange so, als würde sich die Ampel gegen die neuen Lockdown-Pläne von Merkel, Söder und Kretschmer stellen. Christian Lindner versprach wieder und wieder: Mit der FDP wird es keinen Lockdown geben. In einem Gesetzentwurf der Ampel, der bereits im Bundestag eingebracht wurde, fand sich dann eine Art Lockdown-Verbot für die Länder wieder, eine bundesweite 2G-Regel sollte ausgeschlossen werden. Das hat sich jetzt geändert.
Am Wochenende sorgte ein Videoausschnitt von Christian Lindner aus den Tagesthemen für Aufsehen – etwas missverständlich zweifelte der FDP-Chef darin die Wirksamkeit von Kontaktbeschränkungs-Maßnahmen an. Die durchaus vertretbare Position lässt sich plausibel begründen – etwa mit dem Verweis auf den Vergleich Schweden–Deutschland. Doch wenig später rudert Lindner zurück. Er werbe für „konsequente und wirksame Maßnahmen“ twittert er und: „An Kontaktbeschränkungen zweifele ich nicht.“ Lediglich Ausgangssperren für Geimpfte würde er zum Beispiel kritisch sehen.
Das Papier entwertet sich damit selbst, denn seine einzige Wirkung ist damit, ein Maßnahmen-Minimum herzustellen, der Ball liegt dann aber wieder bei den Bundesländern, die einen Lockdown für Ungeimpfte einfach verhängen können. Diese Formulierung kommt übrigens von den angehenden Regierungsparteien selbst. Robert Habeck beschreibt die durch den Entwurf ermöglichten Maßnahmen bei den Tagesthemen so: „Kontaktuntersagung oder 2G-Regelung heißt in weiten Teilen: Lockdown für Ungeimpfte. Das ist die Vulgärübersetzung.“
Never ending Bund-Länder-Gipfel
Vom ursprünglich geplanten Ampel-Plan bleibt damit wenig übrig – Rot-Gelb-Grün verzichtet darauf, die Initiative in dieser Situation an sich zu reißen. Vom FDP-Versprechen keiner weiteren Lockdowns bleibt lediglich: ein flächendeckender Lockdown auch für Geimpfte, Schulschließungen und Ausgangssperren werden ausgeschlossen. Die „epidemische Lage“ soll nicht verlängert werden, die jetzt vorgelegte Ersatzregelung ermöglicht aber praktisch die gleichen Mittel weiterhin. Dieser Schritt ist damit nicht viel mehr als ein Symbol – das nicht ganz unproblematisch ist. Denn die Maßnahmen werden nun nicht mehr an die spezielle Situation geknüpft, sondern – rhetorisch jedenfalls – vom Ausnahme- in eine Art Normalzustand überführt.
Am Donnerstag steht nun der Tag der Entscheidung an. Hier stimmt der Bundestag über den Entwurf der Ampel-Parteien ab. Es findet am selben Tag aber auch ein klassischer Corona-Gipfel der Ministerpräsidenten statt. Beide Institutionen ringen dann auch um die Vorherrschaft in der Corona-Politik – bisher ging man davon aus, dass die Ampel die Initiative zurück ins Parlament bringt. Nun scheint es aber wieder möglich, dass die eigentliche Entscheidung über die nächsten Wochen und Monate in der überwunden geglaubten Einrichtung – der Ministerpräsidentenrunde – getroffen wird.
Bei der Ampel ist die Aufbruchstimmung jedenfalls verschwunden. Nach stilsicheren Dehnübungen auf dem Drei-Meter-Brett und einem gekonnten Salto landet man mit Bauchklatscher im Becken der politischen Realität. Getrieben, genervt, gewichen – die Ampel findet in der ersten zentralen politischen Entscheidung nach der Wahl zu keiner Position.