Es gibt sieben Worte, die jeder Grüne beherrscht. Selbst wenn man ihn aus dem Schlaf reißt: „Wir verlagern die Güter auf die Schiene.“ Egal, mit welchem Verkehrsproblem man ihn konfrontiert – erhöhte LKW-Maut, marode Autobahnbrücken, E-Autos mit zu niedrigen Reichweiten. Der Grüne wird immer wie aus der Pistole zurückschießen „Wir verlagern die Güter auf die Schiene“ und das Thema ist für ihn erledigt.
Seit zwei und einem Viertel Jahr sind die Grünen nun mit in der Verantwortung. Und der Ausbau der Schiene steht vor einem herben Rückschlag. Die Ampel will die Bahn nur noch mit 27 Milliarden Euro ausstatten. Versprochen waren 40 Milliarden Euro, wie der Spiegel berichtet. Demnach fehlt jetzt jedes Geld für den Ausbau. Die 27 Milliarden Euro reichen gerade noch für die Reparatur der vorhandenen Strecken. Unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) war das Schienennetz schon in den letzten Jahren verkümmert.
Diesen Rückstau aufzuholen, war eines der größten Versprechen der Ampel. Es gehörte zu den wenigen Punkten, in denen die drei Partner gemeinsame Interessen verbinden: Die SPD mag die Investition des Staates in die Wirtschaft. Die FDP stellt in Volker Wissing den Verkehrsminister, der über die Vergabe des Geldes entscheiden darf, und die Grünen können die Umsetzung ihres Konzeptes feiern: „Wir verlagern die Güter auf die Schiene.“ Soweit die Idee. Doch angesichts des Haushalts-Debakels, das die Ampel erlebt hat, und angesichts der irrsinnigen Verschwendungssucht für Radwege in Peru und für „gegen Rechts“ demonstrierende NGOs scheitert auch dieses gemeinsame Projekt der Ampel.
Der Dachverband der Verkehrsbetriebe, der VDV, nennt die Sparpläne der Ampel „beunruhigend“. Mit Reparaturen alleine könne das seit Jahrzehnten unterfinanzierte Netz nicht fit gemacht werden. VDV-Präsident Ingo Wortmann wirft der Ampel vor, den Wettbewerb zwischen LKW und Zug zugunsten des LKWs zu entscheiden: „Erst legt man den bereits umfangreich geplanten und dringend notwendigen Ausbau bei der Schiene durch erhebliche Kürzungen nahezu auf Eis, um dann einen Tag später bei der Eröffnung der neuen Autobahnbrücke in Leverkusen die Wichtigkeit von moderner Verkehrsinfrastruktur zu betonen. Das passt im Rahmen der Gesamtverantwortung, die der Bund für alle Verkehrsnetze in Deutschland hat, nicht zusammen.“
Österreich ist es gelungen, den Anteil des Güterverkehrs auf 25 Prozent zu erhöhen. In der Schweiz sind es sogar 41 Prozent. Bei den Eidgenossen liegen keine 20 Prozentpunkte mehr zwischen Schiene und Straße. In Deutschland sind es 53 Prozent. Denn 72 Prozent der Güter transportieren im Land der „Verkehrswende“ LKW, nur 19 Prozent bewegen sich mit Zügen von A nach B. Die Zahlen stammen vom Interessenverband „Allianz pro Schiene“. Die Allianz wirft der deutschen Regierung vor, keine echte Strategie zu verfolgen. Das Streichen des Geldes scheint sie zu bestätigen.
Kein Güterverkehr, kein Handel. Kein Handel, keine Wirtschaft. Zumindest dem Statistischen Bundesamt ist dieser Zusammenhang klar: „Die LKW-Fahrleistung auf Autobahnen gibt frühe Hinweise zur aktuellen Konjunkturentwicklung in der Industrie. Wirtschaftliche Aktivität erzeugt und benötigt Verkehrsleistungen.“ Es bestehe ein „deutlicher Zusammenhang“ zwischen der Fahrleistung der LKW und der wirtschaftlichen Aktivität. Das betreffe eben nicht nur den Handel, sondern auch das Verarbeitende Gewerbe. Bleiben die LKW in der Garage stehen, dürfte die Wirtschaft in Deutschland weiter schrumpfen – oder zumindest auf dem durch die Ampel niedrigeren Niveau stagnieren.
Was tut die Ampel, um Handel und Verarbeitendes Gewerbe anzukurbeln? „Wir verlagern die Güter auf die Schiene.“ Wie das funktionieren soll – ohne Geld, ohne Personal? Das kümmert die Ampel nicht. „Wir verlagern die Güter auf die Schiene.“ Danach ist für die Grünen die Diskussion beendet. Und SPD sowie FDP sind an inhaltlicher Arbeit ohnehin schon lange nicht mehr so interessiert wie an ihrem eigenen Machterhalt.