Die Ampel-Koalition steht so schlecht da wie noch nie seit ihrem Start: Die Grünen stecken samt der spät erzwungenen Entlassung von Habecks Wirtschafts-Staatssekretär Patrick Graichen in ihrer tiefsten Krise seit ihrem Regierungsstart. Kanzler Olaf Scholz sieht sich offenbar vor allem als Vermittler zwischen den Koalitionspartnern. Als Inhaber der Richtlinienkompetenz tritt er so gut wie gar nicht hervor – und das, obwohl der wachsende Unmut über die Politik der Grünen immer stärker auf seine Partei abfärbt. Der FDP wiederum fällt es schwer, sich der Mittelschicht als nützliche politische Kraft darzustellen.
In keiner der vergangenen drei Sonntagsfragen erreichte die Ampel noch eine Mehrheit. Bei Infratest dimap (12. Mai) stand die SPD bei 18, die Grünen bei 16 und die FDP bei 8 Prozent. Kantar maß am 13. Mai 18 Prozent für die Kanzler-Partei, 17 Prozent für die Grünen und ebenfalls 8 für die Freidemokraten. Und INSA sah die SPD am 15. Mai immerhin noch bei 20, die Grünen aber nur noch bei 14, 5 und die FDP bei 8,5 Prozent.
In den genannten Sonntagsfragen erreicht die Union gerade zwischen 28 und 29 Prozent. Dazu kommt: in CDU-Partei- und Fraktionschef Merz sehen nicht allzu viele überhaupt den natürlichen Herausforderer für 2025. Die Zahlen einer entsprechenden Umfrage von Civey, durchgeführt vom 5. bis zum 16. Mai, müssen auf den Sauerländer niederschmetternd wirken. Dort meinten nur 22 Prozent der Befragten, Merz solle bei der nächsten Bundestagswahl „auf jeden Fall“ als Kanzlerkandidat antreten. Weitere 12,1 Prozent fanden, er solle „eher“ als Spitzenmann in den Wahlkampf ziehen. Dagegen sagten 39 Prozent, Merz sollte auf keinen Fall die Union in den Wahlkampf führen. Weitere 12,1 Prozent denken, er sollte es eher nicht tun. Die Zahlen bedeuten nicht, dass die Befragten, die ihn als Kandidaten sehen, ihn auch wählen würden – sondern nur, dass sie den Unionspolitiker für den natürlichen Anwärter halten. Mehr als jeder zweite hält den CDU-Chef also als ungeeignet für diese Rolle.
Das liegt vermutlich auch daran, dass sich Friedrich Merz in der Frage eines Habeck-Graichen-Untersuchungsausschusses nicht so äußerte, wie man es von einem angriffslustigen Oppositionsführer erwartet. Ein Ausschuss, meinte er, sei ein „mögliches Mittel“. Zurückhaltender geht es kaum. In der Öffentlichkeit schien es so, dass CSU-Chef Markus Söder den CDU-Vorsitzenden in dieser Frage drängen musste.
Was potentielle Unionswähler von einer CDU-Werbestrategie halten, die sich gegenüber den Grünen so weit wie möglich öffnet, zeigten sie gerade in Bremen.
Möglicherweise rechnet Merz auch gar nicht mehr damit, sich in der Kanzlerkandidaten-Frage gegen die jüngeren Konkurrenten Markus Söder und Hendrik Wüst durchzusetzen. Nur: dann stellt sich erst recht die Frage, was er in Berlin bis 2025 noch bewirken will.