Tichys Einblick
Bruch der Ampel möglich

Wie viel Krieg verträgt Deutschland?

Der Krieg in der Ukraine belastet Deutschland schwer. Auch seine Regierung. Die Ampel steht wegen der Unterstützung der Ukraine diese Woche vor einem Härtetest. Recht bald ist dann auch das heute noch Undenkbare möglich.

IMAGO

Martin Wansleben ist alles andere als ein Wutbürger. Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer ist Rheinländer, ein fröhlicher Mensch und mancher Journalist sagt ihm sogar eine zu große Nähe zu Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach. Umso ernster ist zu nehmen, was Wansleben am Rande der Präsentation der Konjunkturumfrage gesagt hat: „Die Frage der Sicherheitsarchitektur hat mittlerweile wirtschaftspolitische Relevanz.“ Das ist diplomatisch ausgedrückt. Journalistisch gesprochen lautet die Frage: Wie viel Krieg verträgt Deutschland?

Der Bruch mit Russland hat die deutsche Wirtschaft schwer getroffen. Der Gasschock haute die Kennzahlen in den Keller. Doch das war nur ein vorrübergehender Moment. Mittlerweile wirken sich stattdessen strukturelle Probleme der deutschen Wirtschaft deutlich aus. Neben der katastrophalen Energiepolitik – etwa dem Atomausstieg – belastet die deutsche Wirtschaft zunehmend die Standortpolitik, wie Wansleben berichtet. Dazu gehört für eine Mehrheit der von der Kammer befragten Unternehmer eine dysfunktionale Bürokratie, die sich in alle Belange einmischt, die Betriebe mit Regulierungswut peinigt und Unternehmertum immer komplizierter macht. Mit Folgen: Die „Ausrüstungsinvestitionen“ liegen laut Kammer sogar noch unter denen von 2019 – also der Zeit vor der Coronapolitik. Das heißt: Die Firmen verdienen noch Geld mit den Maschinen, die eben da sind. Aber sie stellen keine neuen Maschinen auf.

Gründe der Ampelkrise
Olaf Scholz fehlt es inhaltlich an jedem strategischen Konzept
Dass die deutsche Wirtschaft nicht mehr wettbewerbsfähig ist, haben sogar Finanzminister Christian Lindner (FDP) und „Wirtschaftsminister“ Robert Habeck (Grüne) verstanden. Doch sie leiten daraus keine Konsequenz ab. Vorerst. Denn der Mann an der Spitze der Regierung – offiziell ist das Olaf Scholz – sagt, dass es gar keine Wirtschaftskrise gebe und daher alles so weiterlaufen soll. Für Lindner und Habeck lässt das nur zwei Schlüsse zu: Sehenden Auges hinnehmen, dass die deutsche Wirtschaft verblutet oder sich nach einer anderen Koalition umsehen.

Der vorzeitige Bruch der Ampel wird immer wahrscheinlicher. Es ist die FDP, die verstanden hat, dass vier Jahre Ampel ihr sicherer politischer Tod wäre. Ihr Generalsekretär Bijan Djir-Sarai wirbt offen für einen Bruch mit der Ampel und strebt die alte Bonner Koalition mit der CDU an. Deren Chef Friedrich Merz wiederum hat sich für eine Koalition mit den Grünen ausgesprochen. Da er gemerkt hat, wie unbeliebt diese ist, hat er sich an diesem Dienstag wieder mal in der Disziplin geübt, die er am besten beherrscht: Zurückrudern. Von dieser Dreiecksbeziehung FDP, CDU und Grüne wird noch zu reden sein.

Für einen Bruch mit der Ampel sprechen noch zwei weitere Punkte: Die FDP kann die Versuche von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) nicht hinnehmen, Meinungs- und Versammlungsfreiheit auszuhöhlen, weil die hessische Wahlverliererin den politischen Gegner nicht mehr mit Argumenten bekämpfen will, sondern mit staatlicher Drangsalierung. Den älteren Abgeordneten in der FDP ist klar, dass die Partei ihren Bürgerrechtsflügel für alle Zeit verliert, wenn sie das mitträgt.

"Demokratiefördergesetz"
Zerbricht die Ampel an Faesers Angriff auf die Meinungsfreiheit?
Das nächste politische Feld, auf dem die Ampel zugrunde geht: die Militärpolitik. Die Ampel bringt an diesem Donnerstag einen Antrag zur Unterstützung der Ukraine in den Bundestag ein. In diesem sind Taurus-Marschflugkörper ausdrücklich nicht erwähnt. FDP-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat gegenüber BILD die individuelle Koalitionsergänzung angekündigt: Sie werde für den Änderungsantrag der Union stimmen, der Taurus vorsieht – und auch für die Ampel. Die Grünen haben indes bekräftigt, die Ukraine unterstützen zu wollen, bis sich die russische Armee von deren Staatsgebiet komplett zurückgezogen hat. Der Militärexperte der Union, Roderich Kiesewetter will sogar einem kleinen General und einem Weltkriegsgefreiten nacheifern und den Krieg gleich nach Russland tragen.

Die Ampel hat bereits bei einem Thema keine Mehrheit zustande bekommen: in der Abstimmung um die allgemeine Impfpflicht im April 2022. Damals war Scholz schlau genug, dass der Antrag dazu weder von der Regierung noch von einer Fraktion kam, sondern von einzelnen Abgeordneten. So konnte der Kanzler nach dem Scheitern des Antrags so tun, als ob das Scheitern nicht sein Scheitern sei, sondern das der einzelnen Abgeordneten. Mit Hilfe des üblichen Wohlwollens staatlicher und staatsnaher Medien war dies möglich. Finden sich neben Strack-Zimmermann weitere Abweichler – zum Beispiel Anton Hofreiter von den Grünen – oder fehlt dem Antrag der Ampel gar am Schluss die Mehrheit, dann wäre Olaf Scholz massiv beschädigt. Noch stärker beschädigt, als er es ohnehin schon ist.

Deutsche Erosion in Krisenzeiten
Der Ampel geht das Licht aus
Ein Koalitionsbruch wäre wahrscheinlich. Zumal es eine günstige Gelegenheit wäre. Sowohl für FDP als auch für die CDU. Beide wünschen sich keine weitere Koalition mit den Grünen. Beide wissen aber auch, dass es keine Koalition ohne SPD oder Grüne geben kann, wenn sie weiterhin die „Brandmauer“ zur AfD aufrechterhalten wollen. Kriege schweißen Regierungen argumentativ zusammen. In einer aufgeheizten Stimmung ist vieles möglich. Auch eine Koalition aus CDU, Grünen und FDP. Und in den letzten Tagen legt immer wieder jemand ein neues Scheit unter das Feuer der öffentlichen Empörung über Russland. Aus dem Geschwafel eines öffentlichkeitssüchtigen Hinterbänklers über einen Krieg, der nach Russland getragen werden müsste, würde plötzlich die Erzählung einer neuen, wenn auch ungeliebten Regierung. Ihr Narrativ, wie es in Neusprech so gerne heißt.

Der Krieg verbindet die drei Partner CDU, Grüne und FDP. Die Wirtschaftspolitik trennt sie. Doch auch da könnte der Krieg eine Brücke bauen. CDU und Grüne propagieren und praktizieren den Umbau zu einer staatlichen Planwirtschaft. Diesen Umbau begründen sie mit dem Narrativ des „Klimaschutzes“. In Deutschland schämt sich die Partei Ludwig Erhards zwar noch für den Verrat an ihrer Tradition, in Brüssel betreibt Ursula von der Leyen diesen Verrat ganz offen. Der Green New Deal der EU ist nichts anderes als der Abschied von der Markt- in die staatliche Planwirtschaft. Ursula von der Leyen wird übrigens das Gesicht der CDU für die EU-Wahl.

Der Klimaschutz hat aber als Narrativ, das diesen Umbau rechtfertigen soll, ausgedient. „Das Kind“ Greta Thunberg warb lange für diesen Umbau, fällt aber als Werbeträgerin aus, seitdem sie antisemitische Hetzsymbole vor der Kamera platziert. Die Klimakleber haben sich von der Straße verabschiedet und beklagen, wie unpopulär sie in der Bevölkerung sind. Und Habeck hat demonstriert, wie eine ökologische Transformation endet, wenn sich der Staat darum kümmert, dort aber ein Kinderbuchautor die Entscheidungen für eine bis dahin starke Volkswirtschaft trifft.

Wachstumschancengesetz:
Der Ampel geht sogar das laue Lüftchen aus
Der Krieg gäbe für Union und Grüne einen gemeinsamen Kitt her, mit dem sich eine staatlich gesteuerte Planwirtschaft rechtfertigen ließe. Aus dem Green New Deal wird dann halt der War Act oder welches Wortungetüm sich die Macher bis dahin auch immer ausdenken. Solange Union und Grüne noch die FDP für eine Mehrheit brauchen, könnte eine geübte Einpeitscherin wie Strack-Zimmermann die Partei auf einen War Act eher einschwören als auf einen Green New Deal. Kriege schweißen Regierungen zusammen.

Vordenkerinnen der staatlichen Planwirtschaft wie die TAZ-Journalistin Ulrike Herrmann sprechen bereits offen davon, dass eine Kriegswirtschaft der Weg wäre, diese Planwirtschaft herbei zu führen. Der Begriff liegt dieser Tage in der Luft. Doch im Umgang mit diesem ist Vorsicht geboten. Eine Kriegswirtschaft heißt nicht, die Militärausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes zu erhöhen – auch nicht auf fünf oder zehn Prozent. Kriegswirtschaft heißt; dass Kinder nicht zur Schule gehen, sondern Granaten zusammenschrauben; keine Verbrauchsgüter mehr produziert werden und der Staat festlegt, wer was produziert.

Eine Kriegswirtschaft ist wie eine Droge. Anfangs puscht der Staat mit viel Geld den Kreislauf an. Eine schwächelnde Wirtschaft wie die deutsche wäre plötzlich wieder vital. Doch wie bei jeder Droge verpufft der Effekt immer schneller. Will der Süchtige ihn wieder herstellen, muss er die Dosis permanent erhöhen und die Zeitspannen zwischen den Einnahmen verkürzen. Bis er sich irgendwann den Goldenen Schuss setzt. Auch ist das Wachstum einer Kriegswirtschaft unproduktiv. Der Geldkreislauf befördert Zerstörung und eben keinen Aufbau. England hat sich von der Zeit der Kriegswirtschaft erst in den 80er Jahren erholt – und auch da nur halbwegs.

Kriegstrommeln in der Tiefe:
Die Warnungen vor einem Krieg NATO-Russland und die ewige Frage: Cui bono?
Doch dass etwas nicht vernünftig ist, heißt noch lange nicht, dass die Parteien von Ursula von der Leyen, Robert Habeck und Christian Lindner es nicht wider alle Vernunft doch machen. Zumal, wenn sie das Ziel haben, den Krieg nach Russland zu tragen. Bliebe daher nur noch das Feld Abschaffung von Meinungs- und Versammlungsfreiheit unter Faeser. Das begrüßen und befördern die Grünen, auch unter aktiver Teilnahme ihrer Familienministerin Lisa Paus. FDP und CDU schweigen dazu derzeit auffällig laut. Merz‘ Pressesprecherin Isabelle Fischer verweigert schon die Annahme von Anfragen dazu.

Im Krieg stirbt die Wahrheit bekanntlich zuerst. Die USA haben Julian Assange zum Schwerverbrecher gestempelt, weil der öffentlich gemacht hat, dass die US-Armee systematisch Kriegsverbrechen begangen hat. Im Krieg ist das locker möglich, das Paket von Faeser und Paus würde plötzlich harmlos wirken und könnte von der FDP mitgetragen werden. Nach dem Motto: Verantwortung, wir konnten ja nicht, wir wussten ja nicht – was die Unterdrücker der Freiheit halt so sagen, wenn ihre Zeit zu Ende geht. Entsteht eine Koalition aus CDU, Grünen und FDP als Kriegskoalition, ist das alles möglich.

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