Faktenchecker, alternative Fakten, Faktenverdrehung, Wissenschaftsleugnung und Aufrufe, der Wissenschaft zu folgen: längst ist der Krieg darum entbrannt, ob Blätter im Sommer grün sind und Feuer entzündet wird ob der Frage, ob Zwei und Zwei wirklich Vier ergibt. Dasselbe Lager, dass beständig dazu aufruft, „der Wissenschaft“ zu folgen, macht aus der heterogenen Akademie einen monolithischen Block; zugleich bevorzugt es Studien, die allein die eigene Ansicht bezeugen. Das ist nicht einmal verwerflich, denn auch Akademiker versuchen im wissenschaftlichen Diskurs häufig nicht, die eigentliche Wahrheit zu erfahren, sondern ihre These zu verteidigen. Problematisch wird es, wenn das Wohl und Wehe einer Nation davon abhängt.
In der Energiefrage geht Deutschland nicht nur einen Sonderweg. Es ist dabei zutiefst davon überzeugt, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen und – natürlich – die Wissenschaft auf seiner Seite zu wissen. Und wenn man dies nicht tut, dann – ignoriert man die Studie. Oder wenigstens die Ergebnisse der Studie. So im Fall der Studie der Radiant Energy Group („Restart of Germany’s Rectors: Can it be Done?“), die herausfand: insgesamt acht deutsche Kernkraftwerke könnten wieder ans Netz gehen, sechs davon innerhalb von neun bis zwölf Monaten. „Die Rücknahme des deutschen Atomausstiegs wird von der Öffentlichkeit unterstützt, lohnt sich wirtschaftlich und ist technisch machbar“, so das Urteil der Experten.
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré konfrontierte die Bundesregierung damit. Doch die ließ sich nicht irritieren. Ganze fünf Zeilen reichten aus, um die sicherheitstechnische Lage Deutschlands zu erklären. Zitat: „Eine Bewertung der Ergebnisse ist jedoch vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Grundsatzentscheidung zur Beendigung der Nutzung der Atomenergie zur gewerblichen Stromerzeugung und des mit dem 15. April 2023 gemäß des Atomgesetzes vollzogenen Ausstiegs irrelevant.“ Nicht einmal für ordentliche Grammatik, geschweige eine richtige Antwort hatte Staatssekretär Christian Kühn Zeit.
Doch die Geschichte hat ein Nachspiel. Denn Kotré ließ dies nicht auf sich sitzen und hakte nach. Das Umweltministerium hatte nicht nur eine ausweichende Antwort gegeben – es hatte im Grunde gar keine Antwort gegeben und dabei das parlamentarische Fragerecht missachtet. Also neuerlich: welche sicherheitstechnischen Einschätzungen des Papiers teilt die Bundesregierungen, welche nicht? Die Antwort der Bundesregierung in Gänze:
Die Frage, welche rein (sicherheits-)technischen Gründe detailliert gegen eine Wiederinbetriebnahme der einzelnen Anlagen sprechen, bedürfte im Einzelnen einer umfassenden Bewertung durch Betreiber, Sachverständige und Behörden. Diese wäre mit erheblichem finanziellen und personellen Aufwand verbunden. Die Durchführung oder Beauftragung einer solchen Bewertung ist angesichts des gesetzlichen Verbots einer Wiedererrichtung und –inbetriebnahme sowie der gesetzlichen Pflicht zum unverzüglichen Abbau der Kernkraftwerke keine Aufgabe der Bundesregierung.
Es stehen acht betriebsfähige Meiler in Deutschland, doch selbst bei einem Blackout würde man diese nicht anschließen wollen, ja, man will nicht einmal prüfen, ob man sie anschließen könnte. So und nicht anders ist die larmoyante Abwiegelung zu verstehen.
Für Regenbogen-Zebra-Streifen und andere Projekte steht genügend Geld da, solange es in den Wertekanon der Ampel passt – nicht aber, wenn es um die Prüfung der Energiesicherheit geht, zu der auch die mögliche Wiederinbetriebnahme von Kernkraftwerken gehört. Dafür ist der finanzielle und personelle Aufwand zu hoch. Schließlich ist dies keine Aufgabe der Bundesregierung. Dabei ist es nicht nur so, dass die Bundesregierung nicht weiß, wie der Zustand ihrer Kernkraftwerke ausschaut. Sie will es auch gar nicht erst wissen. Wer keine Fakten geliefert bekommt, muss sie auch nicht bewerten.