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Ampel deutet Fachkräfte neu: Weniger Hürden, schnellere Einbürgerung

In ihrem neuen Fachkräftegesetz legt die Ampel eine umfangreiche Neudeutung des Fachkräftebegriffs vor. Vor allem sollen Hürden abgebaut werden. Im Hintergrund beherrscht bereits das nächste Gesetz die Diskussion: die erleichterte Einbürgerung ab drei Jahren Aufenthalt.

Kabinettsklausur der Bundesregierung im Schloss Meseberg, 30.08.2022

IMAGO / photothek

Die Bundesregierung will einen „Kurswechsel“ einleiten. Noch eine Zeitenwende? Reicht es nicht langsam mit den Sonderausgabenprogrammen, die zu nichts führen, mit den Umsteuerversuchen an einem Land, das sich nicht umsteuern lassen will, jedenfalls nicht in die von der Ampel gewählte Richtung? Aber dann wäre Nancy Faeser (SPD) ja ohne Aufgabe, wenn sie dem Land nicht zumindest diesen winzigen pädagogischen Stups geben dürfte, der sie erst zur wirklichen Sozialdemokratin macht. Das Land droht darüber zur Chaos-Hochburg zu werden. Denn mit dem Bewahren hat es Faeser nicht so. Sie will einreißen, und das schafft sie auch, durch Tun und Unterlassen.

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Am Donnerstag im Bundestag stellte sie erneut das Thema Einwanderung in den Vordergrund, bei dem man sich fragen kann, ob es überhaupt zu ihrem Beritt gehört. Es mag ihr ein Herzensthema sein. Aber das bedeutet noch nicht, dass etwas Sinnvolles dabei herauskommen wird. Die Innen- und Polizeiministerin wird dabei vor allem gebraucht, um Hürden einzureißen.

Denn wenn es nach den Genossen geht, ist Deutschland schon lange ein „Einwanderungsland“. Seit einem Vierteljahrhundert lautet ein sozialdemokratischer Refrain, dass das öffentliche Eingeständnis, dass Menschen nach Deutschland einwandern, diesen Prozess irgendwie verbessern würde – zum Beispiel, wo es um die Zuwanderung von Fachkräften geht. Laut Faeser fehlen davon „hunderttausende in verschiedenen Bereichen“. Man spüre es an allen Ecken und Enden. Deutschland ist in Schwierigkeiten, so die Ministerin – und das trotz acht Jahren Dauermassenzuwanderung. Die Bundesrepublik sei aktuell nicht das Top-Ziel für ausländische Fachkräfte, weil die Gesetzgebung so hohe Hürden für qualifizierte Fachkräfte aufbaue, so Faeser: „Das wollen wir ändern.“

Von Automatisierung und KI keine Rede

Konkret sieht der Gesetzentwurf vor allem die Absenkung verschiedener Standards vor. Dazu gehören auch gelockerte Gehaltsschwellen für bestimmte Berufsgruppen. Schutzberechtigte aus anderen EU-Staaten sollen eine „Blaue Karte“ erhalten, um legal nach Deutschland zu kommen. Wäre damit auch das Problem Sekundärmigration von Afghanen aus Griechenland gelöst? Daneben soll es Erleichterungen für „Studierende“ und eine Gratis-Chancenkarte für Neu-Einwanderer aus Drittstaaten geben. „Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung“ heißt das Ganze. Und eine sehr freie Weiterentwicklung ist es wohl, genauso wie die Westbalkan-Regelung, die auch „Nicht-Fachkräften“ die Zuwanderung ermöglicht und nach Ampel-Wunsch und Wille bald auch für Moldau und Tunesien gelten soll.

Aber zu diesem Paket gehört für Faeser auch die bald kommende erleichterte Einbürgerung, dank der Deutschland zu Einwanderungsländern wie Kanada aufschließen soll. Es ist sehr zweifelhaft, dass das gelingen wird. Denn Kanadas Einwanderungserfolg hängt noch an ganz anderen Kriterien, die Deutschland nicht so leicht und zum Teil gar nicht erfüllen kann. Etwa, was die Weite des Landes angeht, in dem man noch weitgehend ungestört seinen Geschäften nachgehen kann. Außerdem sollen sich Fachkräfte in Deutschland natürlich wohlfühlen, was das „gesellschaftliche Klima“ angeht. Den nötigen Kurswechsel leite die Bundesregierung nun ein… Man bemerkte es schon.

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Vermutlich sind die Roten, Grünen und Gelben schon zu sehr bemüht, diesen Klima-Wandel herzustellen. Viele Köche verderben bekanntlich den Brei. Neben Nancy Faeser hat sich nun Arbeitsminister Hubertus Heil (auch SPD) in das Geschäft Menschenimport eingemischt. Heil warnt vor einem Mangel von „sieben Millionen Arbeits- und Fachkräften“ im Jahr 2035, also in zwölf Jahren oder drei Legislaturperioden. Man ist es gar nicht gewohnt, dass Politiker in so langen Zeiträumen denken. Dass ein Arbeitermangel in einer halben Generation zur „Wachstumsbremse“ in Deutschland werden könnte, wollen deutsche Sozialdemokraten nicht zulassen, so sagte es Heil im Bundestag und sah dabei über Automatisierung, KI und andere Unbekannten bewusst hinweg.

Da stellt man sich die Heimat lieber mit Menschen voll, egal ob sie nun Flüchtlinge oder Invasoren, Armuts- oder Wohlstandsmigranten, Tagelöhner oder Taugenichtse, Glücksritter oder Sozialschmarotzer sind. Die SPD öffnet die Tore, die bei ihr allezeit weit sind, auch wenn die Herzen eng bleiben.

Illegale Einwanderung fügt sich nur schlecht in ein Punktesystem

Die Entrechtung der Alteingesessenen schreitet derweil voran. Immer mehr Wohnraum wird von Migranten besetzt, die leider nicht direkt auf den Arbeitsmarkt durchdringen. Doch die SPD hat es sich in den Kopf gesetzt, „eines der modernsten Einwanderungsrechte in der Welt“ zu schaffen. Was aber, wenn dieses moderne Konstrukt auf eine vormoderne Einwanderungsbewegung sonders gleichen trifft? Es ist, als ob China den Xiongnu oder die Römer den Hunnen rascheren Zugang zum Arbeitsmarkt und festen Rechten in ihrem jeweiligen Reich angeboten hätten.

Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Alexander Throm, fand vieles Richtige in Faesers Gesetzentwurf, kritisierte allerdings, dass es ihr offenkundig weniger um Fach- als um Arbeitskräfte ging. Denn die Qualifikationen setze diese Bundesregierung überall herab, wo es nur geht. „Damit verkehren Sie die Fachkräfteeinwanderung […] in eine Einwanderung von Minderqualifizierten.“ Als ob die Sozialdemokratie jemals anderes vorgehabt hätte. Aber auch die Christdemokratie bleibt an diesem Geschäft, dieser Selbstbeschäftigungstherapie der politischen Klasse beteiligt.

Besonders amüsant ist das Kapitelchen „Alternativen“ in dem Gesetzesentwurf. Dort heißt es im einzigen Absatz: „Es ist keine Alternative, auf diese Änderungen zu verzichten.“ Man ist also, wo man bei der SPD schon länger war: Gibt es Alternativen? Nein und basta. Vor allem kommt es laut Bundesregierung „nicht in Betracht, ein grundlegend neues Verfahren des Zugangs zum deutschen Arbeitsmarkt zu implementieren, zum Beispiel indem sämtliche Zugangsmöglichkeiten auf ein Punktesystem umgestellt würden“. Es gebe keine Evidenz, dass „ein solcher Systemwechsel zu besseren Ergebnissen in Deutschland führen würde“.

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Und immerhin ist ja auch nicht klar, dass es den Koalitionären wirklich um bessere Ergebnisse geht. Eher soll wohl alles beim Alten bleiben mit der illegalen Zuwanderung, die sich nur schlecht in so ein Punktesystem einfügen würde, wie es etwa in Großbritannien besteht und nicht etwa zu einem Rückgang der legalen Zuwanderung geführt hat. Dieselbe erreicht im Inselkönigreich gerade neue Höchstmarken, ob es nun gefällt oder nicht. Also: Ein Punktesystem muss nicht weniger Zuwanderung bedeuten.

Bald wird auch das neue Einbürgerungsgesetz der Ampelkoalition kommen, dann wahrscheinlich unter dem Titel Gute-Staatsbürgerschaft-Gesetz. Dieses Gesetz wird nun präsentiert als Allheilmittel gegen den schlechten Ruf des Einwanderungslandes Bundesrepublik in der Welt, als ob das Versprechen der Staatsbürgerschaft zu einem Land, in das man nicht einwandern will, einen von der Auswanderung überzeugen würde. Ganz im Gegenteil: Das kommende Einbürgerungsgesetz soll keine Wirkung auf die kommende ideale Einwanderungskandidaten entfalten, sondern den Notstand im Lande selbst mildern, wo Hunderttausende leben, die nicht im Land geboren sind, die aber irgendwie an Staat und Partei gebunden werden sollen.

Experten sehen schon heute voraus, dass mit den angekündigten Neuregelungen viel mehr Menschen Anspruch auf den deutschen Pass haben werden, so der Dozent für Staatsangehörigkeitsrecht und Beamter beim Regierungspräsidium Darmstadt, Peter Schlotzer. „Zum einen wegen der Verkürzung der Aufenthaltszeit von acht auf fünf Jahre. Eine große Rolle spielt außerdem, dass die Mehrstaatigkeit weiter geöffnet werden soll.“ Das werde sich vor allem auf langjährig in Deutschland lebende Ausländer auswirken, die noch keine deutsche Staatsangehörigkeit haben, weil sie bis jetzt damit gezögert haben. Auch aus Russland, Pakistan oder etwa Serbien sei dann mit mehr Anträgen zu rechnen. Auf Syrien, Irak und Afghanistan kommt der Herausgeber eines Praxishandbuchs zum Staatsangehörigkeitsrecht hier offenbar nicht.

Antragslawine trifft auf Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst

Sehr viele Anträge würden sehr rasch gestellt werden, zum Teil weil die Antragsteller befürchten, das Gesetz könnte wieder geändert werden. Und dann haben wir den Salat: Denn der „Fachkräftemangel betrifft auch den öffentlichen Dienst“ (O-Ton Schlotzer). Es ist also bewiesen: Der Fachkräftemangel entsteht durch jene Regelungen, die ihn angeblich lindern sollen, sich aber in Wahrheit auf Menschen beziehen, die sowieso schon in Deutschland sind.

Für die Abgeordnete Gerrit Huy (AfD) steht ohnehin fest, dass es sich in anderen Ländern inzwischen besser lebt und „eher gering qualifizierte Migranten zu uns kommen“. Allein im letzten Jahr seien 185.000 Deutsche ausgewandert, die sicherlich eine bessere Ausbildung bekommen haben als die hunderttausenden Asylbewerber, die statt ihrer ins Land strömten. Doch qualifizierte Fachkräfte, so Huy, „können woanders viel mehr Nettoeinkommen erzielen“. Dem stehen die deutschen Steuern und Sozialabgaben in Maximalhöhe entgegen. Neben dem Wohnraummangel und den hohen Mieten prangerte Huy zudem das mangelhafte Schulsystem und die sich zuspitzende Sicherheitslage in den Städten an. Sie glaubt eher an das Sozialsystem als Perspektive für die Mehrzahl der Zuwanderer.

Grüne 360-Grad-Wenden-Rhetorik: Schon lange hier und doch herbeigesehnt

Diesem Fehlschluss hatte schon zuvor Katharina Dröge von den Grünen indirekt widersprochen, indem sie – im Verein mit Kai Wiese von der SPD – sogar der Union vorwarf, den deutschen Wirtschaftsstandort ruinieren zu wollen. Von einem „Verramschen von Pässen“ könne keine Rede sein. So würden nur Stimmungen gegen Menschen geschürt, die „schon lange“ zum Gemeinwesen beitrügen und „vielleicht hierherkommen könnten, um uns auszunutzen“. Das letztere meint Dröge natürlich ironisch. Derlei Misstrauen halten die Grünen für gänzlich unangebracht, wo es um unbelastete Goldstücke für die Heimat geht.

Und überhaupt: Die deutsche Wirtschaft, das bodenständige Handwerk sogar brauche frische „Arbeitskräfte, die zu uns kommen“. Beide wollen mehr von dieser Ampelpolitik. Und nur so erklärt sich die Absenkung der Mindestwartezeit für einen deutschen Pass von acht auf fünf Jahre (in einigen Fällen: drei). Es geht also gerade nicht um die, die „schon lange“ hier sind und viel beigetragen haben. Diese rhetorische 360-Grad-Wende funktioniert nur dank grüner Sophistik gepaart mit Logikmangel. Und dabei wollte Dröge eigentlich eine „nette Rede“ an die Union halten, weil die Ampel diese staatstragende Oppositionspartei „braucht“. Doch das fiel ihr erkennbar schwer.

Und die FDP? Die möchte den Gesetzentwurf „im parlamentarischen Verfahren noch besser“ machen. „Die Attraktivität dieses Landes entscheidet darüber, ob Menschen wirklich zu uns kommen wollen“, so Lukas Köhler (FDP). Ja, und danach werden die gekommenen Menschen über die Attraktivität dieses Landes entscheiden.

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