Am 1. Oktober 1982 wurde der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Helmut Kohl von der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages in einem konstruktiven Misstrauensvotum nach Artikel 67 des Grundgesetzes zum neuen Bundeskanzler gewählt und brachte damit den amtierenden Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) zu Fall.
Am 13. Dezember 1982 ließ sich Kohl im Bundestag per Vertrauensfrage nach Artikel 68 Absatz 1 des Grundgesetzes absichtlich stürzen und machte damit wie Bundeskanzler Willy Brandt 1972 den Weg für Neuwahlen frei. Bundeskanzler Gerhard Schröder ging am 1. Juli 2005 gleich vor.
Der Bundespräsident kann den Bundestag auf Vorschlag des Bundeskanzlers innerhalb von 21 Tagen auflösen, wenn dieser bei einer Vertrauensfrage keine Mehrheit im Bundestag findet. Ist ein konstruktives Misstrauensvotum erfolgreich, erlischt dieses Recht zur Auflösung des Bundestages. Wird ein Bundeskanzler gemäß Art. 63 Abs. 4 mit relativer, aber nicht mit absoluter Mehrheit der Mitglieder des Bundestages gewählt, so kann der Bundespräsident den Bundestag ebenfalls auflösen. Ein Selbstauflösungsrecht des Bundestages gibt es nicht. Löst der Bundespräsident den Bundestag auf, müssen nach Art. 39 Abs. 1 Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen stattfinden.
Objektiv gesehen ist die Ampelregierung spätestens nun ohne Bundeshaushalt am Ende. Staatskrise ist für den Zustand der Berliner Republik Ende November 2023 eine sachliche Zustandsbeschreibung. Doch welche Möglichkeiten gibt es im real existierenden Deutschland, einen Regierungswechsel herbeizuführen?
Die sogenannte Kanzlermehrheit im 20. Bundestag beträgt 369 Stimmen. Union und AfD, die beide Neuwahlen wollen, kämen zusammen auf 275. Es müssten sich also weitere 94 Stimmen für ein konstruktives Misstrauensvotum finden, um einen neuen Bundeskanzler zu wählen, der Olaf Scholz ersetzt (die Grafik berücksichtigt die Auflösung der Linksfraktion noch nicht).
Ob es diese Chance gibt, ließe sich erst beantworten, indem die Parlamentsvita aller Abgeordneten überprüft wird, um zu wissen, an welchem Datum wer welche Pensionserwartung erreicht. Erst wenn der Zeitpunkt da ist, wo die Weiterführung der Legislaturperiode für eine Kanzlermehrheit schaffende Mehrheit der Abgeordneten keine Rolle für deren Pension mehr spielt, könnte es die Chance für einen Regierungswechsel geben. Sonst müssen alle aushalten bis zum Ende der Legislaturperiode: Die Neuwahl findet frühestens sechsundvierzig, spätestens achtundvierzig Monate nach Beginn der Wahlperiode statt.