Die Bundesregierung will eine große Kampagne für das neue Einbürgerungsrecht, das in etwa sechs Wochen in Kraft tritt, starten. In den kommenden Wochen soll es eine „Einbürgerungskampagne“ geben, also eine „Werbeaktion“ (Bild) für die erleichterte, beschleunigte und damit massiv ausgeweitete Einbürgerung. So kündigt es die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), in einem Brief an die Ampel-Fraktionen an: In Stadt und Land soll der Ruf erschallen, so wie einst die Herolde von Dorf zu Flecken zogen, damit auch ja keiner die Botschaft überhört.
In der neuen Kampagne geht es den Ampel-Regierenden darum, alle Interessenten „über die Voraussetzungen und die Abläufe der Einbürgerung zu informieren“ – und das wiederum mehrsprachig. Laut Bild gibt es alle Informationen zumindest auf Deutsch und Englisch. Auf X (ehemals Twitter) will Alabali-Radovan unter dem Motto „Ask me anything“ Fragen beantworten (deutsch etwa „Frag mich, was du willst“). Das illustriert eine Annahme im Kopf der Ampelaner: Wer sich einbürgern lassen will, muss offenbar kein Deutsch sprechen, es genügt auch die Weltsprache Englisch oder vielleicht bald das Arabische. Daneben sollen schon Eingebürgerte von ihren Erfahrungen erzählen. Man weiß, wie das präsentiert werden wird: als Erfolgsgeschichten in Sachen der berühmten „Integration“. Damit eignet sich der Staat die „Betroffenenperspektive“ an und versteckt sich dahinter. Diese „Betroffenen“ sollen nun „wir“ sein. Und in der Tat: Sie werden es sein.
Kritiker: Doppelpass erschwert Integration
Alabali-Radovan persönlich folgt mit der neu ausgerufenen Kampagne dem Motto „Jetzt erst recht!“, denn zuletzt hatte es breite Kritik an ihrer Werbung für den Doppelpass gegeben. Erst Ende März hatte die Staatsministerin im Bundeskanzleramt in einer Serie arabischer Tweets auf X für die doppelte Staatsbürgerschaft geworben, unter anderem mit dem Argument, viele hätten „Jahre und Jahrzehnte darauf gewartet“, Deutsche zu werden. Das ist ein interessantes Argument. Denn auch vor Jahrzehnten schon gab es die Möglichkeit, sich einbürgern zu lassen. Wenn man so lange damit gewartet hat, dann offenbar nur, weil man nicht auf eine Zweitidentität oder Zweitstaatsbürgerschaft verzichten wollte. Doch das finden Alabali-Radovan und die gesamte Ampel offenbar legitim.
Kritisiert wird nun, und zwar vom Sachverständigenrat für Integration und Migration, dass mit der Neuregelung die doppelte Staatsbürgerschaft für alle Nachfahren eines Eingewanderten zur Regel wird, wie gesagt, auch für Enkel und Urenkel. Die Weitergabe des Doppelpasses über Generationen hin wirft laut dem Sachverständigenrat auch „demokratiepolitische Fragen“ auf. Immer mehr Personen könnten künftig in zwei Ländern wählen. Politische Konflikte aus anderen Ländern würden so nach Deutschland importiert, ausländische Parteien könnten vermehrt in Deutschland Wahlkampf führen, so wie es ja mit Erdogan und seiner AKP schon geschieht, um vom Einfluss der staatlichen Religionsbehörde Diyanet (Ditib) zu schweigen.
Daneben erschwert der Doppelpass laut Kritikern auch die Integration. So würde die Entscheidung für die Bundesrepublik und die hier geltenden Werte und die Demokratie verwässert. Schon jetzt zeigt sich ein steiler Anstieg der Einbürgerungsanträge. Allein in der Stadt Bochum sind 3.500 Termine im Jahr zu vergeben und heiß umkämpft, so sehr, dass findige Betrüger die Termine für je 250 Euro Schwarzmarkt verkauften. Die Praxis ist laut WDR ein offenes Geheimnis in Zuwandererkreisen.