Bedauern, Befremden, überrascht, besorgt – auf diesen mehrheitlichen Nenner lassen sich die ersten Reaktionen der politischen Akteure in Berlin auf die Ankündigung eines Abzuges von immerhin fast einem Viertel der in Deutschland stationierten US-Truppen bringen. Wenn es wirklich so wäre, muss die Naivität des politischen Establishments grenzenlos sein. Da das aber nicht sein kann, ist Scheinheiligkeit an der Spree wohl die zutreffendere Bewertung. Dass die USA nach einer ganzen Reihe von Brüskierungen bis hin zu offen feindlichem Verhalten Berlins gegenüber Washington einmal zurückschlagen würden, war zu erwarten und überfällig.
Gemeint ist damit nicht die ostentative Ablehnung und Schmähung der amerikanischen Regierung und insbesondere ihres Präsidenten Trump. Das lässt Washington kalt.
Das Entscheidende ist das offene Konterkarieren amerikanischer Interessen. Beispiel Iran: die USA verhängen Sanktionen gegen die nuklearen Ambitionen des Mullah-Regimes in Teheran. Berlin verurteilt das nicht nur, sondern schafft juristisch trickreiche Strukturen, um europäischen Unternehmen das Durchbrechen der Blockade zu ermöglichen.
Wiederholt haben die USA gemeinsam mit Großbritannien und Frankreich Deutschland aufgefordert, sich aktiv an der Eindämmung der russisch-unterstützten Aktivitäten der Diktatoren in Damaskus und Teheran militärisch zu beteiligen – die Antwort war nach einigem Zieren immer ein kaltes Nein.
Auch zum Verdruss in Washington hat die unentwegte Kritik Deutschlands an der amerikanischen China-Politik geführt. Nicht nur, dass Peking eine höchst aggressive Außenpolitik betreibt, die die geopolitische Dominanz über ganze Regionen und Staaten anstrebt, sondern darüberhinaus durch das zielgerichtete Unterwandern internationaler Organisationen seine ideologischen Ziele, z. B. zur Behandlung der Menschenrechte durchsetzt, muss zwangsläufig eine Antwort der westlichen Führungsmacht finden. Wenn die USA dann ihre Geldzahlungen einstellen und die Gremien verlassen, ist die Empörung in Berlin immer besonders groß.
Gleichzeitig übt sich Deutschland selbst in Leisetreterei gegenüber den Menschenrechtsverletzungen in China und nicht zuletzt dem Druck auf Hongkong. Wirtschaftliche Interessen gegen jede Moral.
Die nächste Konfrontation im Bündnis zeichnet sich schon ab. Die gegen alle Vereinbarungen erfolgte Stationierung eines neuen Typs russischer Mittelstreckenraketen in Kaliningrad erfordert einen Ausgleich durch den Westen. Schon sträubt sich der sozialdemokratische Teil der Koalition gegen entsprechende Absichten. Ganz zu schweigen davon, dass Deutschland immer noch weit von der Erfüllung seines bereits 2014 gegebenen Versprechens entfernt ist, die Militärausgaben auf 2 % des BSP zu erhöhen.
Nur dass sich dieser Wunsch wohl nicht ganz erfüllen wird. Die Vereinigten Staaten haben bereits angekündigt, den größten Teil ihres aus Deutschland abgezogenen Kontingents nach Polen und in andere Bündnisländer dieser Gegend zu verlagern. Von einer Gefährdung der Stabilität des Bündnisses kann also keine Rede sein. Nur die Rolle und der Einfluss Deutschlands werden entsprechend schwächer. Und noch eines zum Luftwaffenstützpunkt Ramstein und dem Großlazarett Landshut: Natürlich sind diese Standorte für das Bündnis und insbesondere die Amerikaner wichtig. Aber in einer unsicheren Umgebung könnten am Ende allein die Standorte zum Problem werden.