Tichys Einblick
Interview

„Altmaier sollte etwas tun – oder den Mund halten“

Der Hotelier und Chef des Dresdner Tourismusverbandes Johannes Lohmeyer wirft der Bundesregierung vor, in der Corona-Krise mittelständische Unternehmen zu vergessen. Er warnt vor einer Zerstörung der Wirtschaft: „Das wird mehr Opfer kosten als das Virus“

imago Images | privat

TE: Herr Lohmeyer, Sie sind Hotelier mit Häusern in Dresden und Frankfurt. Wie geht es Ihrem Unternehmen?

Johannes Lohmeyer: Ich habe drei leere beziehungsweise fast leere Hotels. Zwei davon sind noch geöffnet. Wir haben gut 200 Mitarbeiter. Für den März sind die Gehälter gesichert.

Wer wohnt jetzt eigentlich noch in Hotels?

Ein paar wenige Gäste haben wir in den beiden offenen Häusern noch. Es sind keine Touristen. Wir machen aus Sicherheitsgründen kein Frühstück für sie, sondern bieten Lunchpakete an. Während des Aufenthalts werden Zimmer nicht gereinigt, um die Ansteckungsgefahr zu verringern, sondern erst danach. Aber auch in einem geschlossenen Hotel muss aus Versicherungsgründen 24 Stunden jemand da sein. Alles zusammengenommen liegen die Fixkosten eines Hotels etwa bei 65 Prozent. Die bleiben also auch jetzt.

Wie geht es weiter? Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Finanzminister Olaf Scholz versprechen schnelle und unbürokratische Hilfe für die Unternehmen.

Ich werde wütend, wenn ich sehe, wie sie im Fernsehen verkünden, wie schnell und unbürokratisch das alles gehen soll, und sich selbst dafür feiern. Es gibt Hilfen der Bundesregierung für sehr kleine Unternehmen und Solo-Selbständige, mit zinslosen Krediten, von denen noch ein Teil erlassen wird. Und es gibt Hilfe für die ganz Großen. Die mittelständischen Unternehmen dazwischen, also diejenigen, die den Kern der Wirtschaft ausmachen, fallen durchs Raster.

Wie das? Denen, heißt es, soll die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) helfen.

Für mittlere Firmen gibt es die ganz normalen KfW-Kredite, die es schon immer gab. Neu ist nur, dass der Bund für 80 Prozent des Kredites bürgt. Um das restliche Risiko der 20 Prozent gibt es riesige Diskussionen mit unserer Hausbank. Das geht auch vielen anderen Mittelständlern so. Die konkrete Prüfung dieser Kredite hat die KfW den Banken übertragen. Und diese zähen Diskussionen mit der Bank finden statt, obwohl unsere Finanzen sehr solide sind.

Aber das Kurzarbeitergeld könnte die Lage bei Ihnen doch retten?

Die Gehälter müssen von uns erst einmal vorfinanziert werden. Das Kurzarbeitergeld fließt wegen des Bearbeitungsstaus erst in sechs Wochen bis drei Monaten. Viele Unternehmen vor allem aus der Dienstleistungsbranche werden nicht so lange durchhalten.

Angenommen, Sie sitzen Altmaier und Scholz gegenüber: Was würden Sie Ihnen sagen?

Tun Sie etwas – oder halten Sie den Mund. Ihre Bazooka, von der so viel die Rede ist, verschießt Platzpatronen.

Und wenn die beiden fragen würden: was sollen wir denn tun?

Die Hilfen sollten unkompliziert und schnell direkt über die Finanzämter ausgezahlt werden. Also nicht nur Steuerstopp, sondern direkte Zahlung, damit sie schnell ankommt.

Also so etwas wie eine Negativsteuer?

Exakt. Und die genaue Prüfung sollte erst im Nachhinein erfolgen, auch bei den KfW-Krediten. Ich bin dafür, dass jeder, der das ausnutzen würde und versucht zu betrügen, hart bestraft wird. Aber entscheidend ist, dass das Geld jetzt schnell fließt.
Sinnvoll wäre es auch, diejenigen, jetzt wirtschaftlich unter Druck stehen, schnell von Zahlungsverpflichtungen zu entlasten. Ich bin auch Immobilieneigentümer. Als ich die finanzierende Bank gebeten hatte, meine Hypothekenzahlungen auszusetzen, sind sie mir zum Glück schnell entgegengekommen. Notfalls muss der Staat einspringen, um zu verhindern, dass dann die Banken in Schwierigkeiten kommen.

Sie sind auch Vorsitzender des Tourismusverbandes von Dresden. Die Stadt gehört zu beliebtesten Reisezielen in Deutschland und konnte Jahr für Jahr steigende Übernachtungszahlen verbuchen. Wie geht es der Branche?

Da geht es allen schlecht. Nicht nur Hotels. Auch Gastronomen, Fremdenführer und andere Dienstleister stehen vor der Pleite. Mehrere Monate halten das die wenigsten durch. Jetzt hätten wir normalerweise Saisonbeginn.

Wie schnell wird sich das Gewerbe erholen?

Das kommt ganz darauf an, wie lange der Shutdown dauert. Ich rechne damit, dass wir danach erst einmal eine schwere Rezession bekommen. Viele werden erst einmal das Geld nicht haben, um zu reisen. Wir werden die Auswirkungen wahrscheinlich drei bis vier Jahre lang spüren. Außerdem werden viele Unternehmen, die jetzt mit Videokonferenzen kommunizieren, wahrscheinlich auf den Geschmack kommen und ihre Konferenzen und Geschäftsreisen auch nach Corona reduzieren.

In asiatischen Ländern wie Südkorea, Taiwan, Singapur, Japan und selbst China scheint das Schlimmste allmählich wieder vorbei zu sein. Hoffen Sie, dass die asiatischen Touristen bald wieder kommen?

Auch das wird nicht so schnell gehen, fürchte ich.

Wir beobachten weltweit gerade verschiedene Modelle der Corona-Krisenbekämpfung. Singapur beispielsweise hat rigide Quarantänemaßnahmen, Einreisekontrolle und schnelle wirtschaftliche Hilfe kombiniert, und gleichzeitig viele Läden und sogar Vergnügungsparks unter Auflagen offen gehalten, um einen Crash zu verhindern. Können wir davon lernen?

Natürlich sollten wir davon lernen. Ich finde, fast alles wäre besser, als das zu machen, was jetzt gerade in Deutschland passiert. Es wird gerade wirtschaftlich so unglaublich viel zerdeppert. Ich verstehe auch nicht, wieso es unmöglich sein soll, die Quarantäne von Infizierten durch die Auswertung von Handydaten zu überwachen. Aber praktisch die ganze Bevölkerung einsperren, das geht? Wir sollten allmählich auch überlegen dazu überzugehen, die Gefährdeten in Sicherheit zu bringen, also Alte und Geschwächte. Wir haben schon überlegt, dass es möglich wäre, ein ohnehin leerstehendes Hotel dafür zu nutzen, und dort nur getestetes Personal zur Betreuung einzusetzen. Auf diese Weise könnten wir sichere Zonen schaffen.

Wo stehen Sie eigentlich politisch?

Ich bin parteilos, aber im Herzen Liberaler.

Wie beurteilen Sie – von Altmaier und Scholz einmal abgesehen – die Politiker in der Krise?

Von Christian Lindner habe ich ein paar vernünftige Vorschläge gehört. Grotesk finde ich Robert Habeck, dem als erstes einfällt, die Unternehmen sollten den Stillstand wegen Corona nutzen, um ihre Ölheizung herauszureißen und gegen eine andere auszutauschen. Tausende Unternehmen wissen nicht, wie sie die nächsten Wochen überstehen sollen. Die Mitarbeiter auch nicht. In unserer Branche wird nicht so üppig verdient. Mein Haustechniker hat für die Familie ein Eigenheim gebaut, er fährt morgens mit einem alten Diesel zur Arbeit. Solche ganz normalen Arbeitnehmer ohne große Rücklagen, von denen es hunderttausende gibt, haben die Grünen völlig aus den Augen verloren.

Nicht nur in Deutschland wird mittlerweile heftig diskutiert, ob der Shutdown ohne zeitliche Begrenzung der richtige Weg ist. Was meinen Sie?

Ich bin entfernt davon, Corona zu verharmlosen. Aber ich meine, dass die Strategie zurzeit zu sehr von den Virologen bestimmt wird. Ich höre den Virologen zu und nehme ernst, was sie sagen. Aber bei dem, was jetzt weiter geschehen soll, sollte nicht nur Virologen diskutieren, sondern auch Ökonomen. Virologen kümmern sich um die Pandemiebekämpfung, aber die haben nicht im Blick, dass ein völliger Zusammenbruch der Wirtschaft im Extremfall mehr Tote kosten könnte als das Virus. Ich denke da an Gewalt, an tiefe gesellschaftliche Verwerfungen.
Keine Volkswirtschaft hält es aus, wenn sie über mehrere Monate lang lahmgelegt wird.

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