Derzeit findet in Frankreich ein Kulturkampf statt. Die Grande Nation wehrt sich gegen das von Präsident Emmanuel Macron verordnete Renteneintrittsalter von 65 Jahren. Für Arbeiter und Arbeitnehmer in Deutschland gehört ein Renteneintrittsalter von 65 Jahren zur guten alten Zeit. Längst gilt hierzulande 67 Jahre als Beginn des Ruhestands. Und die Politik schraubt schon an der nächsten Anhebung.
Das ist ein Zeichen dafür, dass sich die Situation in Deutschland für alte Menschen verschlechtert hat. Zahlen der Bundesregierung belegen diese These. Veröffentlicht hat sie diese als Antwort auf eine Anfrage der AfD-Abgeordneten Gerrit Huy, René Springer und Ulrike Schielke-Ziesing. Demnach gelten in Deutschland 28,1 Prozent aller Personen als armutsgefährdet. Im EU-Schnitt sind es 27,4 Prozent. In den westlichen Nachbarländern sind die Werte noch deutlich niedriger: Frankreich 19,1 Prozent, Belgien 17,4 und Luxemburg 9,3. Was das Armutsrisiko für Senioren betrifft, gehört Deutschland nun zu Osteuropa.
Im Jahr 2005 lag das Risiko der Armut für Menschen ab 65 Jahren in Deutschland noch bei 19,8 Prozent. Es ist also unter Merkel um 8,3 Prozentpunkte gestiegen, was einem Wachstum von rund 40 Prozent entspricht. Mit Ausnahme von Luxemburg lagen die Staaten, die heute vor Deutschland stehen, damals noch dahinter: Frankreich mit 21,3 Prozent und Belgien mit 27,7.
Während die deutschen Nachbarn also das Problem der Altersarmut allmählich in den Griff bekommen haben, wuchs es in Deutschland unter Merkel rasant. Besonders beschämend fällt der Vergleich mit Spanien aus: Die Iberer hatten 2005 noch ein Risiko für Altersarmut von 43,4 Prozent. Heute sind es noch 27,7 Prozent. Besser als Deutschland. Was aber nicht mehr schwer ist.
Nun relativiert die aktuelle Bundesregierung in ihrer Antwort den Armutsbegriff: „Die Armutsrisikoquote ist eine strategische Maßgröße für die Einkommensverteilung.“ Das heißt: Weil in Deutschland die Arbeitnehmer mehr verdienen, wächst auch die Gefahr, als arm zu gelten. Das kann bedeuten, dass in Deutschland ein Rentner 200 Euro mehr hat als in Spanien, aber damit hier als arm gilt, in Spanien aber nicht.
Deutschlands Sozialstaat ist zwar unter Angela Merkel ausgewuchert. Nach vorläufigen Berechnungen beträgt der deutsche Sozialetat 163 Milliarden Euro, etwa dreimal so viel wie der des Bundesgesundheitsministeriums – der nächst höhere. Doch in diesem Sozialstaat fallen die Senioren ab. Deutschland gibt weniger als 40 Prozent dieses Etats für die Bereiche Alterssicherung und Versorgung von Hinterbliebenen aus. Im Schnitt der EU sind es über 44 Prozent. In manchen westlichen und nördlichen Ländern liegt der Anteil sogar bei 60 Prozent – Deutschland ist unter Angela Merkel im Osten Europas angekommen.
Die Abgeordneten der AfD, deren Anfrage diese Zahlen öffentlich gemacht hat, fordern eine Reform des Sozialstaats: Die „monetäre“ Absicherung der Menschen müsse kritisch in den Blick genommen werden. Gerade angesichts des Umfangs des deutschen Sozialstaats: Innerhalb der EU zahlen die Deutschen anteilig die zweithöchsten Steuern, Alleinstehende zahlen sogar die höchsten Abgaben in die Sozialversicherung, zu der auch die Rentenkasse gehört. Nur bei den Rentnern kommt davon nicht genug an – weswegen wir hierzulande allmählich über Rente mit 70 reden. In Frankreich müsste sich die Politik dafür warm anziehen – deshalb haben deren Alten aber auch ein deutlich niedrigeres Armutsrisiko.