Tichys Einblick
8.Mai 2021

#allesdichtmachen-Initiator Brüggemann und Boris Palmer als Unpersonen

Der Regisseur Dietrich Brüggemann empfand sich stets als der klassischen Linken zugehörig – dennoch oder vielleicht gerade deswegen kritisiert er den Lockdown scharf, sagt er. Gerade als Linker, der an seinen Idealen festhalte.

IMAGO / Eibner

Dietrich Brüggemann gibt nur noch ausgewählten Medien Interviews. Die Welle des Hasses auf die Aktion #Allesdichtmachen, die er mit initiierte, scheint ihn geschockt zu haben. „Ich war selber immer Links“, erklärt der Regisseur im Interview mit dem Journalisten Marcel Malachowski von der Seite buchkomplizen.

Brüggemanns letztes Stück trägt dem Rechnung: Der 2021 ausgestrahlte „Tatort: Das ist unser Haus“ widmet sich den Themen Rassismus, Arm/Reich-Segregation und Vorurteilen. Eigentlich ziemlich „Woke“. Doch das half ihm offenbar nicht angesichts des Sturm, der gegen ihn losbrach. „Ich war am Anfang wirklich sprachlos, was über uns hereinbrach. Aber ich schaue mir das seit Jahren an und bin sprachlos.“ Die Linke sei immer „diktatorischer und autoritärer“ geworden.

Das offenbarte sich erst jüngst wieder, dieses Mal gegen Paul Brandenburg, der oft als einer der „Hintermänner“ der Schauspieler-Aktion bezeichnet wird. Eine Mitarbeiterin der SPD-Bundestagsfraktion hat durch einen Brief darauf hingewirkt, dass der Teststation von Brandenburg durch den Vermieter gekündigt wurde. In diesem Schreiben führt sie aus: „Ich und sicherlich auch die anderen Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses möchten nicht mit einem Demokratiegefährder unter einem Dach leben.“ Brandenburg entgegnete in einem offenen Brief an die SPD-Bundestagsfraktion: „Wahrheitswidrig und ohne Beleg verbreitet Frau Weyand die Behauptung, ich sei ‚Antidemokrat‘ und ‚Demokratiefeind‘. Diese Anschuldigung stützt sie auf einen kürzlich erschienenen Artikel des Tagesspiegels, dessen Falschbehauptungen und Unterstellungen sie sich ungeprüft zu eigen macht. Frau Weyand verbindet ihre Aufforderung an meinen Vermieter mit der Drohung, die übrigen Mieter des Hauses in der Husemannstraße aufwiegeln zu wollen. Unter diesem Druck kündigte der Vermieter mir heute.“ 

Regisseur Dietrich Brüggemann steht trotzdem weiter zu seiner Aktion: Vielleicht nicht trotz, sondern gerade wegen solcher überbordenden Reaktionen seiner Gegner, die er auf Twitter als „irgendwie ein bißchen faschistoid“ bezeichnete. „Der Groschen fällt langsam, und die eigentliche Botschaft der Filme sickert erst allmählich ein: Gutsituierte, gutaussehende, medial bekannte Testimonials verkaufen dem Volk den Lockdown als etwas Nettes und Harmloses.“ Und weiter: „Die Leute machen am Ende trotzdem mehr oder weniger, was sie wollen. Und das Virus macht auch, was es will. Politiker sollten hier ihre Machtlosigkeit bekennen, und dann könnten wir als Gesellschaft gemeinsam über einen fundamental anderen Ansatz nachdenken.“ Der Ansatz „Ich, die Regierung, sage Dir, dem Volk, was Du zu tun hast“, sei nach einem Jahr Pandemie nicht mehr angemessen, meint Brüggemann.

Jan Josef Liefers, Heike Makatsch & Co.
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Ob er sich dadurch nicht zum „Partner“ der „Querdenker“ mache, wird er gefragt. „Ich kann Ihnen nicht sagen, warum die „Querdenker“ irgendwas machen oder nicht machen“, antwortet er. „Ich weiß leider nicht, wer das ist. Und mir ist auch nicht klar, warum ich immer über diesen unklaren Kampfbegriff reden muss (…) Der Tunnelblick, mit dem fast die gesamte Medienwelt aus ihrer privilegierten Position den immer härteren Lockdown fordert und diese Seite komplett ausblendet, erscheint mir als das viel größere Problem.“ Da bringe auch die Dämonisierung des Gegners nichts: Laut repräsentativen Umfragen fänden 30% der Deutschen die Aktion gut bis sehr gut. „Wenn das wirklich 25 Millionen Neonazis sind, dann kann man nur noch auswandern.“

An diesem Wochenende können Brüggemann und die an der #allesdichtmachen-Aktion beteiligten Künstler wohl wieder etwas Ausspannen – der Staffelstab der Empörung ging über Jens Lehmann und Dennis Aogo nun direkt an Boris Palmer weiter, aufgrund dessen gestrigen Äußerungen in Social Media der Landesparteitag der Grünen in Baden-Württemberg nun ein Parteiausschlussverfahren beschlossen hat.

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