Wahnsinn ist es, immer wieder das gleiche zu versuchen, aber dabei unterschiedliche Ergebnisse zu erwarten. Das Zitat wird Albert Einstein zugeschrieben. Es ist aber gar nicht nötig, ein Genie der Physik oder Mathematik zu sein, um das zu verstehen. Doch es ist hinderlich, die Grundstrukturen der Vernunft zu kennen und zu akzeptieren, wenn man Politiker in der Ampel sein will.
Vor nicht mal vier Wochen haben sich die Spitzen der Bundesregierung auf einen Entwurf für einen Haushalt geeinigt. Mit den üblichen Theaterritualen: stundenlange, zähe Verhandlungen. Journalisten, die gebannt vor der Tür warten. Dann die Verkündung und ausflippende Journalisten, die gewünschte Botschaften weitergeben: Die Ampel hat sich geeinigt, Deutschland hat einen Haushalt, lobet den Kanzler und seinen Finanzminister, jauchzet und frohlocket dabei, Untertanen. Nur: Besagte nicht einmal vier Wochen später stellt sich heraus: Die Einigung ist ebenso wenig wert wie der dazugehörige Haushalt. Der Entwurf enthält Verstöße gegen die Verfassung. Schon wieder.
Zur Erinnerung: Im November hat das Bundesverfassungsgericht den laufenden Haushalt des Bundes als Verstoß gegen das Grundgesetz bezeichnet und einkassiert. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte nicht ausgegebenes Geld in den laufenden Haushalt rüber gezogen. Das durfte er nicht. Das Geld hatte der Bund 2021 als Schulden aufgenommen. Diese Schulden widersprachen nur deshalb nicht der in der Verfassung verankerten Schuldenbremse, weil sie in einer Krisensituation aufgenommen wurden. Dieses Geld dann später für reguläre Ausgaben zu verwenden, widerspricht folglich der Verfassung.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts war eindeutig. Ein seriöser Mensch, ein zuverlässiger Politiker und ein Mann von Ehre würde nicht nochmal zu diesem Trick greifen. Nicht wissentlich das Recht brechen. Hier ist aber die Rede von der Ampel. Für seinen Entwurf hat Lindner rund 5 Milliarden Euro umgewidmet, die eigentlich vorgesehen waren, um die Folgen der Verteuerung der Energie aufzufangen. Ebenfalls Schulden, ebenfalls nur verfassungsgemäß aufgenommen, weil sie als Reaktion auf eine Krisensituation galten. Für den regulären Haushalt dürfen sie also nicht verwendet werden. Das haben jetzt interne und externe Experten Christian Lindner in einem Gutachten bestätigt.
Als Kanzler Olaf Scholz (SPD) Einigung und Haushalt vor nicht einmal vier Wochen vorstellte, wiesen die Journalisten sofort auf die windige Vorgehensweise hin. Sogar ampelnahe. Trotzdem hat die Regierung durchgezogen. Wieso? Wer schlägt so etwas vor? Wer ist moralisch so zwielichtig, politisch so verantwortungslos und menschlich so fragwürdig, dass er einen als verfassungswidrig anerkannten Trick wieder einsetzen will? Favoritensieg. Es ist Olaf Scholz. Der Erfinder von „Hab‘ ich vergessen“, Wahlgesetzen gegen die Opposition oder Verboten von kritischen Medien hat den erneuten Verfassungsbruch vorgeschlagen. Den wissentlichen.
„Unanständig“ nennt das ganze Vorgehen Saskia Esken. Die Vorsitzende der SPD. Allerdings meint sie nicht damit den Vorschlag des Kanzlers, erneut einen Trick anzuwenden, den das Verfassungsgericht als gesetzwidrig gebrandmarkt hat. Sondern Lindners Vorgehen: Experten einzuschalten und den Vorgang prüfen zu lassen, bevor die Ampel schon wieder ein verfassungswidriges Gesetz durch den Bundestag treibt. Mehr ist über die moralische Verdorbenheit der SPD nicht zu sagen, als dass sie Gesetzestreue als „unanständig“ bezeichnet. Auch die Grünen stört der Verfassungsbruch weniger als die Vorstellung sparen zu müssen. Deshalb wollen sie an dem Entwurf festhalten.
Zumal Christian Lindner schon begonnen hat einzuknicken. In Interviews spricht er nur noch von der besagten Lücke von 5 Milliarden Euro. Damit lässt er einen Trick unter den Tisch fallen, den seine Experten ihm ebenfalls als schwindelig beschrieben haben. Es geht um „Kredite“ an die Deutsche Bahn und an die Autobahn GmbH.
Besonders bei der Autobahn GmbH wird deutlich, wie Scholz, Lindner und Co mogeln. Die Zuschüsse an die GmbH sollen künftig Kredite genannt werden. Dann stünden sie im Haushalt nicht mehr als Ausgaben. Aber genau das sind sie. Denn die Autobahn GmbH hat gar keine eigenen Einnahmen, sie kann das Geld folglich gar nicht zurückzahlen. Sagt die Ampel aber, dass sind Kredite, dann kann sie zu erwartende Einnahmen in den Haushalt einstellen und in der Höhe zusätzliche Schulden machen – an der in der Verfassung verankerten Schuldenbremse vorbei. Würde ein privater Investor so vorgehen, wäre das Betrug oder Insolvenzverschleppung. In der SPD gilt es als anständig, aber als „unanständig“, auf das Gegenteil hinzuweisen.
Schon dass Lindner einen Haushalt vorlegt und erst Wochen danach prüfen lässt, ob er verfassungsgemäß ist, sagt alles über die Solidität des Finanzministers aus. Wäre er ein Architekt, würde der FDP-Chef neben eingestürzten Neubauten stehen und stolz verkünden, er habe feststellen lassen, dass die Statik nicht stimmt. Dass Lindner die gefakten Kredite in Interviews nicht mehr erwähnt, lässt darauf schließen, dass er diesen Rosstäuschertrick durchziehen will. Der Machterhalt ist dem Finanzminister wichtiger als ein solider, verfassungsgemäßer Haushalt. Anständig ist Lindner nur gegenüber SPD und Grünen. Gegenüber dem Bürger, der Vernunft und der Verfassung wird der FDP-Chef am Ende wieder unanständig sein.