Die von der CDU/CSU-Fraktion beantragte Aktuelle Stunde im Bundestag trägt den Titel „Leopard-Blockade der Bundesregierung beenden“ und findet statt, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärt hat, Leopard-Panzer an die Ukraine liefern zu wollen. Angesichts dieser neuen Lage klingt der Titel der Aktuellen Stunde konfus, wirkt diese Aussprache überflüssig – doch genau mit dieser Widersprüchlichkeit spiegelt die Debatte die Widersprüchlichkeit der politischen Lage recht deutlich wider.
Am besten verkörpert diese Zerrissenheit Rolf Mützenich. Er war gegen die Leopard-Lieferungen an die Ukraine. Doch als Fraktionsvorsitzender der SPD muss er diese Entscheidung nun nicht nur rechtfertigen, sondern muss sie als selbstverständlicher und entschlossener erscheinen lassen, als die Entscheidung tatsächlich war: „Kommentare haben nicht geholfen in Verhandlungen“, attackiert der Fraktionsvorsitzende. Aber wen attackiert er da eigentlich. Gemeint ist Merz, aber der Angriff Mützenichs trifft eher Mützenich als Merz. Oder Lars Klingbeil: „Die Sicherheit Deutschlands festzumachen – ist nicht in Talkshows zu erreichen.“ Genau das, was Mützenich da kritisiert, hat der SPD-Vorsitzende Klingbeil bei Anne Will getan – Friedrich Merz nicht.
Damit hat Scholz Friedrich Merz um seine Beute gebracht. Das Kanzleramt bekommt Merz nicht, ebenso wenig wie eine Jamaika-Koalition – ja nicht einmal mehr von seiner Aktuellen Stunde hat der CDU-Vorsitzende viel. Jene Aussprache, die fordert, die Blockade aufzuheben, die bereits aufgehoben wurde … Am liebsten würde Merz die Stunde an den Dienstag zurückschicken, an dem sie wirklich noch aktuell gewesen wäre. Dem CDU-Vorsitzenden bleibt nur Ersatzkritik wie: Die Entscheidung sei zu spät gekommen und die Verzögerung habe Schaden angerichtet.
Doch das Spiel ist nicht vorbei. Das macht Jürgen Trittin deutlich. Bei den Grünen war der ehemalige Minister und Fraktionsvorsitzende ein Friedensbewegter, solange es bei den Grünen karrierefördernd war, friedensbewegt zu sein. Doch Linientreue zeigt sich in der Kurve. Nun hat der alte Studentenfunktionär kehrtgemacht, schlägt die Hacken zusammen und marschiert. Zumindest verbal: „Wir müssen mehr machen“, fordert Trittin und kommt damit faktisch den Forderungen des ukrainischen „Diplomaten“ und Ex-Botschafters in Berlin Andrij Melnyk entgegen, der als nächstes Kampfjets für sein Land möchte.
Die Kriegskoalition aus Union, Grünen und FDP steht. Die SPD hält aus Gründen des Machterhalts mit. In der Opposition stehen die AfD und die Linke. Als die größere der beiden Oppositionsparteien war es eine Chance für den AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla. Doch das Thema war ihm zu groß, wie ihm sein Anzug zu klein war. Außer Pöbeleien wie, FDP und Grüne seien Kriegstreiber, hatte Chrupalla nichts zu bieten.
Sachlicher und zielgerichteter machte Dietmar Bartsch seinen Job für die Linke. Er verurteilte den Angriffskrieg Russland einerseits, forderte aber andererseits auch eine „Deeskalation“. Die Lieferung von Kampfpanzern sei kein Beitrag dazu und die Bevölkerung in Deutschland mehrheitlich dagegen. Der SPD wirft Bartsch vor, sich vom Boulevard – also der Bild-Zeitung – treiben zu lassen. Den Grünen, sie hätten vergessen, woher sie kämen. Genau dafür ist Ulrich Lechte (FDP) indes den Grünen dankbar: „Die kommen nämlich aus der Friedensbewegung“. Das „Nämlich“ ist in diesen Tagen notwendig. Die politische Lage in Deutschland rund um den Ukraine-Krieg ist nämlich widersprüchlich geworden.