Ein Hubschrauber der Polizei hat in der Nacht zum 15. Juli 2021 erdrückende Bilder im Ahrtal aufgenommen. Sie waren über ein Jahr verschwunden. Aus Versehen, wegen falsch abgelegter Dateien, wie es heißt. Nicht etwa, weil sie die Landesregierung belasten. Deren Verantwortliche haben sich in der Nacht einen „schönen Abend“ gewünscht. Allen voran Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Ihr Innenminister Roger Lewentz (SPD) und die damalige Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) mussten bereits von ihren Ämtern zurücktreten.
Es geht um ein Behindertenheim in Sinzig. In einer Nacht, die voll Furcht, Leid und Tod war, sticht dessen Schicksal noch einmal heraus. Zwölf Menschen sind dort in der Nacht gestorben. Hilflos. Im Stich gelassen. Auch weil es an einer Nachtwache gefehlt hat. Der Betreiber, die Lebenshilfe, hatte eine solche Wache angefordert, wie der Focus nun herausgefunden hat. Bätzing-Lichtenthälers Ministerium und ein ihr unterstelltes Amt haben es verweigert. Aus Kostengründen.
Brandschutzbeauftragte haben schon 2015 die Sicherheit des Heimes bemängelt, berichtet der Focus. Unter anderem kritisierten sie demnach, dass ein Konzept für die Flucht im Notfall fehle. Auch gebe es nur eine Nachtwache in einer Einrichtung mit zwei Häusern, die rund 250 Meter auseinander liegen. Die Lebenshilfe beantragte daraufhin die Kostenübernahme für eine zweite Nachtwache. Das ist in diesem Bereich durchaus üblich. Doch das Landesamt lehnte ab. Für die Größe des Heims sei eine Nachtwache ausreichend.
Die Umstände ihres Todes sind grauenhaft. Gegen 3 Uhr kam die Flut, sperrte die wehrlosen Bewohner ein und riss sie in den Tod. Nur ein Bewohner überlebte. Er hielt sich an einem Rollladen fest, wie der Focus berichtet. Schrie um sein Leben. Stundenlang. Eine Ewigkeit. Unterdessen starben um ihn herum seine Mitbewohner. Die Menschen in der Hälfte des Heims mit einer Nachtwache überlebten. Die Menschen starben dort, wo Dreyers Sozialministerium sparen wollte und auf ein Notfall-System setzte, das für Notfälle offensichtlich nicht taugt. Es hätte vermutlich genügt, die Bewohner aus dem Erdgeschoss in die erste Etage zu bringen.
Was in der Flutnacht vor Ort passiert ist, kann sich nur vorstellen, wer dabei war. Und selbst für die sind die Eindrücke so mächtig, dass sie überfordern müssen. Das menschliche Gehirn, das menschliche Bewusstsein sieht Schutz-Mechanismen vor, Unerträgliches in der Wahrnehmung so abzumildern, dass wir es ertragen können. Es wundert daher wenig, dass die Aussagen der Zeugen auseinandergehen. Die Feuerwehr will die Nachtwache zwischen 23 und 3 Uhr zweimal auf die Situation aufmerksam gemacht haben. Der Betreuer dementiert diese Darstellung laut Focus.
Der Focus hat Bätzing-Lichtenthäler befragt. Sie bitte um Verständnis, sagt sie. Aber sie könne sich an den Vorgang nicht erinnern, stellt die Sozialdemokratin fest: „Im Nachgang der Flutkatastrophe wird es nun darum gehen, aufbauend auf den Erkenntnissen künftige Maßnahmen abzustimmen“, teilte die Pressestelle der SPD-Fraktion dem Focus mit. Vermutlich mit einem Arbeitskreis. „Task Force“ wäre als Name chic, „Security Service Center“ neu. Aber in dem Punkt liefert die Regierung Dreyer zuverlässig.