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Mauschel-Pfalz

Ahrtal: Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft wird nicht veröffentlicht

Der Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft zur Ahrtal-Flut-Katastrophe, bei der 136 Opfer ums Leben kamen, wird nicht veröffentlicht. Dem stünden die Strafprozessordnung und Gesetze des Strafgesetzbuchs entgegen. Die Ermittlungen wurden bereits vor vier Wochen eingestellt.

Abbruchreifes Haus, das durch die Flutkatastrophe zerstört wurde, steht noch immer am Ufer der Ahr, 17.04.2024

picture alliance/dpa | Thomas Frey

In Rheinland-Pfalz wird der Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft zur Ahrtal-Flut-Katastrophe nicht veröffentlicht. Laut einem Bericht des Justizministers Herbert Mertin (FDP) an den rheinland-pfälzischen Landtag stünden dem die Strafprozessordnung und Gesetze des Strafgesetzbuchs entgegen.

Eine solche Akteneinsicht sehe die Strafprozessordnung nicht vor. Eine Veröffentlichung könne Privatgeheimnisse, Dienstgeheimnisse und Geheimhaltungspflichten verletzen. Außerdem hätten Hinterbliebene bereits angekündigt, gegen die Einstellung der Ermittlungen vorzugehen. Bei der Flut-Katastrophe, vor der schon Tage zuvor deutliche Warnungen vorlagen, kamen 136 Menschen ums Leben, Tausende Häuser wurden zerstört, Straßen und Brücken weggespült. Ein Mensch gilt weiterhin als vermisst.

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Keine Gefahr der Veröffentlichung von strafrechtlich relevanten Geheimnissen sieht dagegen Stephan Wefelscheid, Obmann der Freien Wähler im Untersuchungsausschuss »Flutkatastrophe« und rechtspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion: »Ich werte den Abschlussbericht als nachträgliche Ergänzung und ausführlichere Begründung der bereits in der Pressekonferenz und der anschließenden Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft getroffenen Bewertungen.«

Im Wesentlichen gehe es in dem Abschlussbericht um die Darstellung der faktischen Geschehnisse in der Flutnacht und darum, wie sich die Flut entwickelt habe. Dargestellt würden auch die Arbeitsabläufe in der Technischen Einsatzleitung des Landkreises Ahrweiler sowie in Land und Kommunen. Wefelscheid: »Hierin sehe ich keine strafrechtlich geschützten ,Geheimnisse‘«.

Die Staatsanwaltschaft hatte bereits vor vier Wochen verweigert, den früheren Landrat Jürgen Pföhler anzuklagen. Es bestehe kein hinreichender Tatverdacht. Moralisch sei Pföhlers Verantwortungslosigkeit nicht zu entschuldigen, so der leitende Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Koblenz, Mario Mannweiler. TE berichtete. Ein moralisch fragwürdiges Verhalten begründe jedoch keine strafrechtliche Schuld. Fehler zu machen oder eine Pflichtwidrigkeit zu begehen, sei in Deutschland nicht strafbar. Dies sei – so Mannweiler – für die Menschen im Ahrtal schwer zu verstehen. In Deutschland werde jemand nur verurteilt, wenn er eine Straftat begangen hat.

Dies kritisierte unter anderem Jan Bollinger, Fraktionsvorsitzender und Obmann der AfD-Fraktion im Landtag Rheinland-Pfalz im Untersuchungsausschuss „Flutkatastrophe“, heftig: »Politisches Versagen bleibt ungestraft, wenn man nur erklärt, dass die Konsequenzen des Nichthandelns unvorhersehbar waren. Wer gesetzliche Auflagen nicht erfüllt und dadurch die Einrichtung eines wirksamen Katastrophenschutzsystems versäumt, kann sich im Katastrophenfall mangels geeigneter Vorbereitung mit der Unvorhersehbarkeit der Ereignisse entlasten.«

Während der Sitzungen im Untersuchungsausschuss habe sich laut Bollinger bereits abgezeichnet, dass sich alle auf politischer Ebene Beteiligten mit der Begründung absoluter Unvorhersehbarkeit der Ereignisse aus der Verantwortung ziehen würden. »Diese Sprachregelung rettet nun auch den ehemaligen CDU-Landrat, obwohl grundlegende Versäumnisse beim Hochwasserschutz bis hin auf die Ebene der Landesregierung von mehreren Stellen, siehe Gutachter, attestiert worden sind. Die Einstellung des Verfahrens gegen die Beschuldigten entlastet zwar jene, bewahrt aber auch die Landesregierung vor einer weiteren Beleuchtung ihrer Untätigkeit.«

Recht ist in der Mauschel-Pfalz wie Kaugummi, ein äußerst dehnbarer Begriff.

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