Beunruhigende Nachrichten dringen in die Medien des Landes. Afghanische Männer in Deutschland sollen schlecht „integriert“ sein. Und tatsächlich, man weiß nicht, welches Detail unpassender ist: „Sie posieren in afghanischen Armeeuniformen, Tarnfleck oder den traditionellen afghanisch-paschtunischen Gewändern in deutschen Parks und Innenstädten.“ Hinzu kommen Messer, Säbel, Macheten, sogar eingeblendete Kalaschnikows. Die jungen Männer zeigen sich „aggressiv und kampfwillig“, heißt es dazu bei n-tv. Und man tritt in Gruppen auf, ist unter Gleichgesinnten. „Es scheint, als solle das gemeinsame Auftreten Macht demonstrieren“, vermutet der deutsche Nachrichtensender und ist sich allerdings sicher: „Die Taliban-Sprüche und Dschihad-Liedtexte, mit denen die Videos unterlegt sind, zeugen von einer radikal-islamistisch motivierten Gesinnung.“
Zugrunde liegt diesem Bericht eine Recherche von RTL Extra (das Video ist einstweilen noch hier zu finden). Und danach gibt es tausende frei zugängliche Videos und hunderte Profile auf Anwendungen wie TikTok und Telegram mit ähnlichen Talahon-Inhalten. Aber sie gehen noch deutlich über dieses weitverbreitete Genre hinaus, in dem sich junge Männer präpotent vor der eigenen Kamera gerieren. Denn hier geht es auch um Botschaften wie diese: „Wer seinen Kopf erhebt, dem wird der Kopf abgeschnitten.“ Ein anderer TikToker will „mit Sprengstoffwesten gegen die Feinde des Islams“ ziehen. So wird die radikale Weltanschauung zusammen mit Gewaltandrohungen unters Volk gebracht.
Die Videos seien auch Wochen, nachdem die recherchierenden Journalisten sie erstmals fanden, noch auf TikTok abrufbar gewesen, so die Rechercheure. Aber es ist die Frage, ob und wann man solche Nachrichten und Videos löschen sollte. Immerhin haben sie die RTL-Recherche erst ermöglicht. Ihre Auswertung durch Polizei oder andere Dienste wäre aber zweifellos am Platz.
„King of München“ trifft „Eroberer von Europa“
Laut den Nachforschungen von Liv von Boetticher gibt es ein staatenübergreifendes Netz der Taliban-Ableger in Europa, bis nach Frankreich hin. Am aktivsten sei die von ihr gefundene Gruppe derzeit in Bayern. Auch die Produzenten der Videos fand von Boetticher ohne größere Schwierigkeiten, so in einem Münchner Park. Einer scheint sich „king of München“ zu nennen, ein anderer „Eroberer von Europa“. Und die Begegnung mit einem dieser Männer scheint durchaus nicht risikolos.
Dabei sind sie als Asylbewerber oder „Schutzsuchende“ hergekommen. Tatsächlich sagen aber einige von ihnen, mit den Taliban hätten sie keine Probleme, sie seien vielmehr „die beste Regierung“, und das Land sei nun „sicherer als vorher“. Immerhin werde ja nun Dieben die Hand abgehackt, also gebe es keinen Diebstahl mehr. Auch der kriegerische Konflikt gehört offenbar der Vergangenheit an. Nach Europa sind sie aus wirtschaftlichen Gründen gekommen.
Interessant bleibt dann nur, warum solche jungen Männer teils mit afghanischen Fahnen in Europa posieren, wohin sie doch angeblich als Flüchtlinge aus ihrer Heimat gekommen sind. Antwort: Sie haben das Ziel, „den Islam nach Deutschland und Europa zu bringen“, bis die Scharia auch hier zur Anwendung kommt. „Wenn Deutschland islamisch wird und islamisch bleibt, dann wird alles sehr gut werden“, sagt einer der jungen Afghanen aus dem Video in einem Münchner Park. Ein Kalifat in Deutschland wäre ganz nach dem Geschmack dieser Afghanen.
Auch die Spur des Solinger Attentäters wurde nicht vorab gefunden
Für den Extremismus-Experten Ahmad Mansour sind solche Videos nichts Neues, vor allem nicht die eindeutige Feindseligkeit der jungen Männer gegenüber Europa und dem Westen. Bei Markus Lanz sprach Mansour nun davon, dass „der IS und andere [Gruppen] die Flüchtlingsrouten“ schon seit Jahren nutzen, um Terrorstrukturen in Europa und Deutschland aufzubauen. Das sagen in der Tat auch deutsche Sicherheitsbehörden seit Jahren, wurden aber nicht oder nicht genug angehört.
Der 7. Oktober 2023, also der Terror-Anschlag der Hamas gegen Israel, hat nach Mansour eine „Siegermentalität“ entstehen lassen, die weit über den Nahen Osten hinaus wirke. Dieses Erlebnis motiviere nun „Islamisten“ in der ganzen Welt zu neuen Taten. So könnte man auch das Solinger Attentat zum Teil erklären. Aber letztlich wäre das nur ein äußerer Anstoß gewesen.
Besonders schockierend am Täter von Solingen war für die Behörden laut Bild angeblich, dass sie nicht wussten, wie sie ihm vor der Tat auf die Spur hätten kommen können. Issa al Hasan war weder polizeilich auffällig geworden noch als radikaler Muslim oder Gefährder bekannt. Das könnte aber auch daran liegen, dass die deutschen Behörden noch keinen genaueren Blick auf muslimische Gemeinschaften in Deutschland geworfen haben und deshalb das sich andeutende Netzwerk um al Hasan, der in den Moscheen von Solingen verkehrte, schlicht übersahen.
BMI: Afghanen kommen nicht mehr aus Afghanistan
Laut einer Antwort des von Nancy Faeser (SPD) geleiteten Bundesinnenministeriums an RTL Extra sind in Deutschland derzeit 469 Gefährder dem Phänomenbereich „religiöse Ideologie“ zugeordnet, davon neun mit ausschließlich afghanischer Staatsangehörigkeit. 14 Prozent sind Syrer. Übrigens befinden sich 202 dieser Gefährder aktuell auf freiem Fuß. Die Frage ist aber, ob all diese Zahlen überhaupt in der Nähe der Realität liegen oder den genannten Bereich in Wahrheit nur sehr schlecht ausleuchten.
Daneben wird festgehalten, dass Afghanen derzeit nur noch sehr selten aus Afghanistan nach Deutschland reisen, sondern sich meist schon länger im Iran, Pakistan oder der Türkei aufgehalten hätten. Dann fragt sich allerdings, warum man diesen Migranten dennoch auch weiterhin einen Schutzstatus in Deutschland gewährt, wenn sie offensichtlich nur wegen besserer Wirtschaftschancen aus anderen Ländern des Nahen Ostens herreisen.
In Griechenland würden viele von ihnen dann Asylanträge stellen, aber nach erteiltem Schutzstatus „auf dem Luftweg über andere EU-Staaten wie Belgien, die Niederlande und Frankreich“ zuletzt nach Deutschland weiterreisen. Die hierzulande gestellten Asylanträge glaubt man bearbeiten zu müssen, auch wenn Asyl in Griechenland schon vergeben wurde, weil „die betreffenden Personen … einen Anspruch auf eine deutsche Entscheidung“ haben, die dann auch „vor deutschen Gerichten rechtsfähig ist“. Wieder einmal gibt sich ein deutsches Ministerium als Geisel bestehender Rechtsregeln aus, anstatt diese formen zu wollen.
Bei der Schutzquote schert nur Eisenhüttenstadt aus
Daneben gibt es den Digital Services Act (DSA) der EU, aber für dessen Anwendung auf die Social-Media-Videos ist das BMI ja gottlob nicht zuständig. Von sogenannten Entfernungsanordnungen und Löschersuchen werde „reger Gebrauch gemacht“, heißt es ziemlich schmallippig auf die Frage, wie die Bundesregierung sicherstellen wolle, dass „von diesen Männern keine Gefahr für die Gesellschaft ausgeht“. Die neun afghanischen Gefährder, von denen man weiß, und einige „schweren“ Straftäter würde man aber schon gerne abschieben – „auch nach Afghanistan“. Das BMI hat nur noch keinen blassen Schimmer, wie das gehen soll. Die „Vertraulichkeit der Gespräche“ dürfe nicht gefährdet werden.
Nun gab es tatsächlich die ersten 28 Faeser-Abschiebungen direkt nach Afghanistan. Ein Charterjet sei am Freitagmorgen um 6.56 Uhr in in Leipzig gestartet „mit 28 afghanischen Straftätern“ aus mehreren Bundesländern an Bord, weiß der Spiegel, und: „Die Aktion soll ein Signal sein.“ Die angeblich neun afghanischen Gefährder – der RTL-Recherche nach könnten es viel mehr sein – sah man offenbar nicht als Priorität an. (Dazu gleich mehr in einem eigenen Beitrag.)
Die Schutzquote für Afghanen beträgt in diesem Sommer übrigens fast überall zwischen 85 und 100 Prozent. Im hessischen Gießen bekamen von 1.241 Fällen im ersten Quartal stolze 99,7 Prozent einen positiven Asylbescheid. In Karlsruhe waren es glatte 100 Prozent! Nur im brandenburgischen Eisenhüttenstadt gibt es eine Ausnahme, da lag sie bei 51 Prozent. Begründung: Man habe festgestellt, dass „es sich zum Großteil um allein reisende, junge, gesunde und arbeitsfähige Männer handelte“, wie die taz berichtet. Bei vielen von ihnen sei nach „sorgfältiger Einzelfallprüfung“ davon auszugehen, dass sie ihr Existenzminimum im Heimatland sichern könnten. Einige Puzzleteile passen dann doch zusammen. Dass auch die ablehnenden Bescheide aus Brandenburg letztlich nichts ändern, ist bekannt.