Frankfurt war in der alten Bundesrepublik die Stadt, in der die Zukunft gemacht wurde: Studentenproteste, Häuserkampf, der Kapitalismus und der Kampf dagegen, die Macht der Banken, die Prostituierte Rosemarie Nitribitt, der erste GAU eines Kernreaktors, Häuserbesetzungen, 68, geplante Sprengung der Alten Oper und dann doch lieber deren Restaurierung, Startbahn West, Joschka Fischer beendet die grüne Gen-Technolgie, rot-grün und schwarz-grün im Stadtparlament – die Stadt am Main war immer ein Zukunftslabor. Viel mehr als Berlin, die Stadt im toten Winkel.
Keine Zukunft für schwarz-grün
Jetzt erklärt der sozialdemokratische Oberbürgermeister Feldmann (SPD) das Ende der schwarz-grünen Koalition in der Stadt und freut sich. Worüber er sich nicht freut: CDU und SPD liegen mit rund 24 Prozent etwa gleichauf, sehr starke Verluste müssen die Grünen hinnehmen, sie kommen auf rund 14 Prozent. Die AfD liegt ähnlich hoch und erreicht in der progressiven Stadt ein zweitstelliges Ergebnis. Nach derzeitigen Ergebnissen liegt sie bei 13,2 Prozent und ist damit noch vor den Grünen drittstärkste Kraft, genaueres weiß man allerdings noch nicht: Der Wahlzettel bei den Kommunalwahlen ist so groß wie ein Handtuch. 93 Stimmen hat jeder Bürger für fast 1.000 Kandidaten in Frankfurt, 83 in Hessen und selbst im kleinen Kronberg waren noch über 30 Stimmen je Wähler zu vergeben. Das bisher bekannte Ergebnis ist wacklig, denn das Wahlrecht ermöglicht nach bayerischem Vorbild, dass jeder Kandidat unabhängig vom Ergebnis der Partei drei Stimmen erhält, dass Kandidaten von der Liste gestrichen und die Stimmen quer über die Parteien verteilt werden können. Das ist der Bruch mit der Vorherrschaft der Hinterzimmer, und die Wähler goutieren es. Allerdings dauert das Auszählen Tage und Nächte.
Das Ende der Volksparteien
Und in Hessen sieht es so aus, dass CDU und SPD nach ersten Ergebnissen in Hessen mit 28,2 bzw. 28,0 Prozent fast gleichauf liegen. Die AfD erzielte aus dem Stand 13,2 Prozent und liegt damit sogar vor den Grünen (11,6 Prozent). Bei den Kommunalwahlen 2011 war die CDU noch auf 33,7 Prozent, die SPD auf 31,5 Prozent und die Grünen auf 18,3 Prozent gekommen. Die FDP liegt bei 6,3 Prozent; auf kommunaler Ebene ebenfalls ein starkes Ergebnis für die Liberalen.
Damit bestätigt sich die Erwartung: Die AfD hat das Zeug, die politische Landschaft umzupflügen.
Ähnlich wie in Frankfurt in der Landeshauptstadt Wiesbaden; dort hat die AfD nach den bisherigen fraglichen Trendergebnissen 16,2 Prozent. Auch in anderen hessischen Städten wiederholt sich das Muster.
▪ In Kassel bleibt die SPD mit 30,3 Prozent stärkste Kraft, gefolgt von CDU (20,6 Prozent) und Grünen (17,0 Prozent), die AfD kommt nach dem Trendergebnis auf 12,2 Prozent.
▪ In Darmstadt lagen die Grünen mit 31,6, Prozent zwar klar vorne, gefolgt von der CDU (18,0 Prozent) und der SPD (14,8 Prozent), die beide Verluste von mehr als sechs Prozentpunkten verzeichneten. Die AfD ist in Darmstadt nach Auszählung von 104 der 117 Wahlbezirke viertstärkste Kraft.
▪In Gießen, wo CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier lebt und SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel herkommt, könnte die AfD drittstärkste Kraft in der Stadtverordnetenversammlung werden. Nach dem Trendergebnis holte sie 15,5 Prozent und landete hinter SPD (27,8 Prozent) und CDU (20,5 Prozent). Die Grünen müssen sich mit 15 Prozent begnügen. Die rot-grüne Rathausfraktion muss um ihre Mehrheit bangen.
Ein Signal für die kommenden Landtagswahlen
Nun sind Lokalwahlen etwas anderes als Bundestagswahlen oder Landtagswahlen. Aber in den großen Städten ist die Anonymität ähnlich. Und damit lassen sich einige Aussagen ableiten:
▪CDU und SPD verlieren ihren Status als Volksparteien; die SPD noch dramatischer als die in Hessen ohnehin schwächere CDU. Dass die SPD in Hessen die Mehrheit in vielen Kreisen und Städten behält oder gewinnt, weil die CDU noch stärker verliert, ändert an diesem Bild nichts.
▪Die AfD wird zweistellig und zur mitbestimmenden Kraft – trotz der allgemeinen Diffamierung der Partei.
▪Wo die AfD nicht kandidierte, erzielten NPD und Reps ähnlich hohe Ergebnisse, was den Charakter der Protestwahl unterstreicht.
▪Die Grünen werden annähernd halbiert und landen im unteren 10-Prozent-Bereich. Sie waren vor fünf Jahren, kurz nach dem Seebeben in Japan, zur doppelt so großen Partei in Mitte der 20-Prozent quer durch das Land aufgeblasen worden.
▪Die FDP gewinnt fast überall, wenn auch nicht annähernd so stark wie die AfD.
Nun wäre es falsch und gefährlich, Lokalwahlen, die noch gar nicht komplett ausgezählt sind, hochzurechnen. Aber ein Stimmungsbild sind sie trotzdem. Bei den kommenden Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt drohen starke Verluste für die Parteien der großen Koalition; die Grünen verlieren. Inwieweit Winfried Kretschmann das in Baden-Württemberg aufhalten kann, ist offen. Aber klar ist: AfD und FDP gewinnen; die bestehenden Parteien verlieren. Hessen ist ein Stimmungstest. Und der sieht nicht gut aus für die alten Volksparteien.