Tichys Einblick
Verkehrte Fronten

AfD-Parteitag: Kampf gegen die lästige Demokratie von links

Der Angriff linker Demokratiefeinde auf den Parteitag der AfD in Stuttgart zeigt, wie das Demokratieverständnis auf den Hund gekommen ist: Niederbrüllen und Eisenstangen gegen Polizisten gelten neuerdings als demokratische Tat, Programmdiskussionen als antidemokratisch und Geschäftsordnungsdebatten als verräterisch.





Anti-AFD demonstrators and police forces face near the AfD (Alternative fuer Deutschland) party's federal congress at the Stuttgart Congress Centre ICS on April 30, 2016 in Stuttgart, Germany.

© Thomas Lohnes/Getty Images

Parteitage sind normalerweise eine langweilige Sache; die Rede des oder der Vorsitzenden werden als Großereignis iszeniert, TV berichtet grandios, dann beherrschen das Kleinklein der Tagesordnung und die Anmerkungen der Nörgler den Tag.

Anstrengende Basis-Demokratie

Bei der AfD ist alles anders – doppelter Massenansturm: vor der Halle lange Schlangen, weil Parteimitglieder Einlass begehren. Bei der AfD bestimmen nicht handverlesene Delegierte, sondern einfache Mitglieder. Das sind interessante Analogien zu den Grünen, deren Parteitage auch immer eine brodelnde Melange aus Polit-Hetze gegen das Establishment, stillenden Müttern und schimpfenden Fundis waren – und in der Gründungsphase in NRW stürmten sogar Kinder die Bühne – ein Verein, den sich prominente Grüne zwecks Durchführung ihrer päderastischen Neigungen hielten. Aber was bei den Einen nostalgisch bewundert wird, wird in der Gegenwart den Anderen vorgeworfen: Ein Gärungsprozess, der aus einer Bewegung eine Partei machen sollen.

Gewalt von Links wird schöngeredet

Neu ist allerdings: Stuttgart soll weitgehend abgeriegelt sein, Autoreifen brennen auf Straßen, 2.000 Polizisten und 2 Hubschrauber sind im Dauereinsatz. 800-900 Linke gehen gegen die AfD vor.

Die Polizei berichtet, die gewaltbereiten Linksautonomen seien teils vermummt und hätten Eisenstangen und Holzlatten dabei. Sie versuchten, ein Parkhaus an der Messe zu blockieren, sagte ein Polizeisprecher. Autoreifen hätten dort gebrannt. Ein Augenzeuge berichtete, die Polizei habe Pfefferspray eingesetzt. Rund 400 Protestler wurden in der Nähe der Messe in Gewahrsam genommen. Auch das ist ein vorläufiger Rekord.

In der hermetisch abgeriegelten Stuttgarter Messehalle begann währenddessen mit einer Stunde Verspätung der AfD-Parteitag mit dem gigantischen Mitgliederansturm. Bis morgen soll das Programm diskutiert werden. Basisdemokratie ist anstrengend. Aber genau darin liegt der Charme in der AfD: Sie versteht sich als Gegenentwurf zur vermachteten, in ihren Bürokratien erstarrten Elite des Landes.

Tatsächlich finden sich im Programmentwurf auch viele Elemente der plebiszitären Demokratie. Das wird in Deutschland gerne übersehen: Adolf Hitler kam über die repräsentative Demokratie an die Macht, das Parlament hat ihn mit dem Ermächtigungsgesetz ausgestattet und sich selbst schachmatt gesetzt. Der Verfassungskonvent im Schloß Herrenchiemsee hat viele Barrieren in das Grundgesetzt eingebaut, damit nur ja nicht zu viel Volk mitbestimmt. Besser hätte er die Parteien begrenzt, statt ihnen eine herausragende Rolle einzuräumen. Aus der „Mitwirkung“ beim Willensbildungsprozess haben sie längst eine Selbstermächtigung gemacht, über alles und jedes zu bestimmen, nicht zuletzt über die eigenen Vorteile und Privilegien. Längst ist Deutschland, wie übrigens auch Österreich, ein Staatsparteienstaat der Selbstbedienung geworden. Angetreten dagegen sind die Grünen, die es allerdings statt dessen schafften, sich nach kurzer Zeit als Bestandteil des Parteienstaats zu etablieren. Nun tritt die AfD erneut dagegen an. Mögen muß man die AfD nicht, man kann sie sogar entschieden ablehnen. Aber sie niederzubrüllen oder niederzuschlagen – das geht nicht.

Man muss die AfD nicht mögen

Die AfD zieht daraus sogar ein Stück Kraft.

„Indem man die AfD ausgegrenzt hat und noch nicht einmal mit ihr diskutieren wollte (wie die SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz), indem man sie verteufelte und diffamierte, machte man sie umso stärker. Funktionäre und Anhänger stilisierten sich zu Märtyrern und rückten noch enger zusammen. Der Hass, der ihnen entgegenschlug, wurde zur Schweißnaht, die sie fortan untrennbar miteinander verband,“ so die frühere Bremer Spitzenkandidatin der CDU, Elisabeth Motschmann am Samstag. Bezeichnend, dass die Eisenstangen schwingenden Linken sich als „Antifaschisten“ sehen. Die Dummheit ist eben ein Vetter aus Deutschland.

Zwar fehlt es an vielen ernstzunehmenden Bekennern; wer ja zur AfD sagt, braucht angesichts der konzertierten Ablehnung Mut. Beim Kreistag von Düren darf der Handwerker im Stadtrat nicht mehr mit seinem alten Kumpel sprechen, weil der in der AfD ist. Die CDU setzt auf Ausgrenzung, und hat dazu noch genug Kraft. Oft ist es der Mut der Grenzgänger, die schon bei anderen Parteien durch sind. Das macht die Parteigründung so schwierig: Noch fehlen ihr große Köpfe und Namen, vor allem auf kommunaler Ebene.

Aber die Stimmung ist günstig. Unter der Kanzlerschaft Merkel häufen sich die zum Teil selbst gemachten, in jedem Fall ungelösten Probleme: Die Energiewende ist zum teuren Selbstbedienungsladen fixer Geschäftemacher verkommen; die Euro-Rettungspolitik belastet die Sparer, die Einwanderung erschüttert die Republik in ihren Gewissheiten.

Die Große Koalition und ihre Ableger bei Grünen und Linken beherrschen den Bundestag, der wichtige Debatten nicht mehr führt, sondern nach kurzer Abnickrunde liebedienerisch im Sinne der Bundesregierung entscheidet. Die Dominanz der Exekutive über die Legislative ist erdrückend. Die Einwanderungspolitik der Bundesregierung wird von den Parteien getragen und von vielen Medien bejubelt – aber das Unbehagen der Bevölkerung ist mit Händen zu greifen.

Mit der neuen Konkurrenz müsste man umgehen können – aber gerade das können die herrschenden Parteien nicht. Ausgrenzung, Diffamierung und unsachliche Angriffe häufen sich.

„Bisher zeichnete sich die Auseinandersetzung mit der AfD – sofern sie überhaupt inhaltlich geführt wurde – dadurch aus, dass sie aggressiv, bisweilen unsachlich und polemisch geführt wurde. Auf einfache AfD-Parolen wurde mit einfachen Antworten reagiert nach dem Motto: ‚Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil‘Der ‚Erfolg‘ dieser Methode wurde zum Erfolg der AfD. Sie verzeichnet einen beachtlichen Mitglieder- und Wählerzuwachs,“ schreibt beispielsweise die CDU-Abgeordnete Elisabeth Motschmann.

Stuttgart ist ein weiterer Meilenstein. Die Verfassung wird zunächst von denen missachet, die das Recht auf Parteienbildung und Diskussion gewaltsam unterbinden und neue Konkurrenz unterdrücken wollen – und diese Gewalt geht von Links aus. Es nützt nichts, wenn linke Hassprediger versuchen, dies schönzureden – Versammlungsfreiheit ist unteilbar. Infantile Uminterpretationen ändern daran nichts, sondern zeigen nur den Verfall demokratischen Verständnisses: „Die AfD IST Gewalt. Der Widerstand dagegen ist KEINE Gewalt.“ Dass Demokratie verlangt, abweichende Meinungen auszuhalten – diese Lehre ist vielfach der Leere in den Hirnen gewichen.

Der Kampf gegen Rechts hat endlich ein Ziel

Dieser Spruch hätte nun wirklich aus tiefster brauner Vergangenheit stammen können. Aber die Demonstranten mit der Eisenstange, die auf Polizisten eindreschen und der linke Pöbel im Netz zeigen nur, was passiert, wenn monatelang jede von der Meinung der Bundesregierung abweichende Aussage diffamiert wird, wenn Facebook-Zensur bejubelt und linke Gewalt verharmlost und sogar unterstützt wird: Die grundgesetzlich verankerte Ordnung gerät in Gefahr.

Während also draußen gegen die Demokratie demonstriert wird, wird drinnen zunächst über die Geschäftsordnung debattiert – ein Hinweis auf das tatsächliche revolutionäre Potential der AfD. Und Vaclav Klaus, der tschechische Antikommunist, Freiheitskämpfer und langjährige Ministerpräsident und Modernisierer des Landes bejubelt die Neugründung: „Ihre Partei stellt eine Hoffnung für uns alle dar, nicht nur in Deutschland.“ Tatsächlich haben ja die Alleingänge der Bundesregierung Deutschland in Europa weitgehend isoliert und neue Fronten innerhalb der EU aufgebaut. „Sie müssen die zerstörerische Politische Korrektheit bekämpfen,“ ruft er den Mitgliedern zu und versucht ihnen Mut zu machen: „Die Brutalität der Angriffe [gegen die AfD] zeigt, dass ihre Kritiker Angst bekommen haben“.

Tatsächlich: Endlich hat der linke Mainstream einen Gegner, auf den er seine Revolutionsromantik projizieren kann. In seiner Weltuntergangsromantik sieht er den Planeten in den Stuttgarter Messehallen scheitern. Endlich haben linke Gewaltphantasien ein Ziel, lässt sich die Aufweichung der Begriffe von „rechsradikal, rechts, konservativ bis rechte Mitte“ zu einem einheitlichen Kampf gegen „Rechts“ instrumentalisieren.

Aber gleichzeitig wächst die Energie auf der Gegenseite.

Umgekehrt ist die AfD tatsächlich Nukleus einer neuen rechts-konservativen Bewegung, die ausfüllt, was die gezielte Verschiebung des politischen Spektrums weit nach links aufgerissen hat: Hier trifft sich, was sich in den bestehenden Parteien nicht mehr wiederfindet: Putin-Freunde, TTIP-Feinde, Tierschützer, Anhänger des klassischen Familienbildes, Wirtschaftsliberale und Anti-Liberale, Anti-Kommunisten und Heimatbewahrer. FDP-Chef Christian Lindner kritisiert, die AfD verstehe es, „Ängste zu schüren, um auf Angstwellen in die Parlamente zu kommen.“ Das ist richtig beobachtet. Aber mit der Bestätigung der Regierungspolitik käme die AfD nicht weit; und selbst die FDP beginnt zunehmend, sich vom Regierungsallerlei abzugrenzen. Sowohl AfD und FDP gewinnen derzeit Stimmen – vermutlich sind viele neue FDP-Wähler verschämte AfD-Anhänger.

Ob daraus eine Partei werden kann?

Tomas Spahn hat die bisherigen Entwürfe in fünf Beiträgen analysiert. Hier können Sie sich einen ersten Überblick verschaffen.

Die mobile Version verlassen