Jörg Meuthen als Vorsitzender der AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag bringt die erforderliche Mehrheit zum Ausschluss seines Fraktionsmitglieds Wolfgang Gedeon nicht zustande. Dazu trägt Frauke Petry, Co-Vorsitzende der Bundes-AfD von Meuthen, kräftig bei, indem sie die Frage, ob Gedeon ein Antisemit ist, einer Expertenkommission überlassen will. Ein bekanntes Muster der Parteien, von denen als „etablierten“ die AfD sich so grundsätzlich unterscheiden will: „Wenn ich nicht weiter weiß, gründ‘ ich einen Arbeitskreis.“
Was Gedeon, so weit ich sehe von ihm unwidersprochen, zum „Talmud-Judentum“ als dem „inneren Feind des christlichen Abendlandes“, dem Holocaust und anderem von sich gegeben hat, kann jeder selbst als antisemitisch einordnen, dazu braucht es keine Kommission. Stratege Alexander Gauland sieht das auch so – inhaltlich und in Parteinahme für Meuthen und gegen Petry. Um die Klärung geht es Petry auch gar nicht, sondern um Punkte gegen ihren Konkurrenten Meuthen bei der Frage der Nummer 1 der AfD – nicht zuletzt im Blick auf die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl 2017.
Während der AfD-Bundesvorstand sich in Telefonkonferenz auf Meuthens Seite stellt, ist Petry unterwegs nach Stuttgart und überredet Gedeon zum Austritt aus der Fraktion. Es braucht wenig Phantasie, um zu wissen, sie hat ihm irgendwas versprochen. Nun erklärt Petry die Spaltung in Stuttgart für beendet, Meuthen das Gegenteil. Petry lässt rechtlich prüfen, ob es zwei AfD-Fraktionen in einem Landtag überhaupt geben kann. Die eine Hälfte des Bundesvorsitzes will über die andere Hälfte hinwegregieren, und das im Territorium des Konkurrenten.
Alles schon dagewesen
An solche Hahnen- und Hennen-K(r)ämpfe erinnert sich jeder, der lange genug zusehen konnte, in allen existierenden und nicht mehr existenten Parteien der Bonner und Berliner Republik. So wie jetzt bei der AfD ging es viel zu oft nicht um zwei Personen, die gegen einander antraten, weil sie um konkurrierende politische Richtungen innerhalb einer Partei kämpften, für entgegengesetzte politische Alternativen und Ideen antraten, sondern simpel nur um die persönliche Macht stritten.
Die AfD und noch mehr viele ihrer Anhänger legen großen Wert darauf, dass ihre Partei als eine gleichberechtigte unter den anderen gilt, die ihre Gegner und Kritiker „etablierte“ und „Altparteien“ nennen, ihre Feinde „Systemparteien“. In den Tiefen der Hahnen- und Hennen-K(r)ämpfe hat sich die AfD als „normale“ Partei bewiesen, das kann ihr nun niemand mehr streitig machen.
Nächste Enttäuschung programmiert
So weit, so Krampf. Und so trivial. Mich „fasziniert“ etwas ganz anderes. Ich sehe staunend, dass Mitglieder und Anhänger der AfD in übergroßer Zahl von der neuen Partei das erwarten, was sie als Mitglieder aus ihren früheren Parteien vertrieben hat und als Wähler von ihnen wegjagte. Weshalb sollen bei den gleichen Mechanismen und Auswahlkriterien, die in der jungen AfD wie jeder alten Partei gelten und wirken, andere Qualitäten von Personen in den Beruf Politik finden und sich dort durchsetzen? Haben denn wirklich so wenige spätestens vom Weg der Grünen gelernt, dass die Einschleifmühlen Parteiengesetz, Parteienfinanzierung, Abgeordnetenversorgung und die vielen anderen sichtbaren und unsichtbaren Privilegierungen von Parteien und Berufspolitikern gnadenlos, systematisch und systemisch zu dem führen müssen, was wir haben?
Eine neue Partei wie die AfD erweitert nur den Kreis der Teilnehmer unseres hyperventilierenden und ideenlosen Verwaltungsapparates, der sich selbst mit Politik verwechselt. Eine neue Partei, die wirklich etwas bewirkt, müsste eine Personenkonstellation zustande bringen, die es mindestens zehn Jahre durchhält, für eine tiefgehende Institutionenreform der Republik zu kämpfen, eine radikale Dezentralisierung, in der kein Platz mehr für Berufspolitiker bleibt.
Das geht nicht, sagen Sie? Nichts ist unmöglich. Aber schwer ist es schon. Und noch niemand in Sicht, der das anpackt. Doch alles Wichtige passiert unerwartet.